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ZHAW-Masterstudent restauriert alte beschädigte Tonträger

US-Forscher am Berkeley National Laboratory arbeiten seit über zehn Jahren daran, alte Tonträger mit einer Art digitalen Grammophonnadel zu scannen. Diese Methode ermöglicht es, die Aufnahmen berührungsfrei abzuspielen und zu sichern. ZHAW-Student Silvan Fischer durfte im Rahmen seiner Masterarbeit an diesem Projekt mitwirken.

Schallplatten aus Vinyl oder Schellack lassen sich heute in der Regel ohne grossen Aufwand digitalisieren. Man spielt die Tonträger mit einem Plattenspieler ab und überspielt das Ganze auf einen digitalen Speicher. Was aber, wenn es keine passenden Abspielgeräte mehr gibt? Oder was, wenn der Tonträger so alt und empfindlich ist, dass er beim Abspielen Schaden nehmen würde? Und kann der Inhalt von beschädigten Tonträgern überhaupt gerettet werden? Vor diesen Problemen stehen immer mehr Bibliotheken, die in ihren Archiven kostbare Aufnahmen lagern, aber nicht mehr verwerten können. Dies war der Auslöser für ein einzigartiges Forschungsprojekt am Berkeley National Laboratory in Kalifornien. Dort arbeitet Carl Haber seit über zehn Jahren daran, die Aufnahmen alter Tonträger mit einer Kamera optisch zu erfassen und digital zu speichern. Mit seiner Methode hat er unter anderem bereits Archivaufnahmen der US-Kongressbibliothek gesichert oder auch das älteste bekannte Tondokument überhaupt aus dem Jahr 1860 hörbar gemacht.

3D-Kamera ersetzt die Nadel

Masterstudent Silvan Fischer vom Institute of Embedded Systems war während sieben Monaten zu Gast am Berkeley National Laboratory und mit seiner Masterarbeit an diesem Forschungsprojekt beteiligt. „Man muss sich das System wie einen Plattenspieler vorstellen“, so Fischer. „Anstatt einer Nadel verwendet man aber eine 3D-Kamera als optischen Scanner.“ Die erfassten Fotos werden von einer Software so ausgewertet, dass der Ton wiedergegeben werden kann. Das Erfassen der Tonaufnahmen erfolgt dabei berührungsfrei, so dass empfindliche alte Tonträger keinen Schaden nehmen. „Gerade Bibliotheken und Museen haben extrem viele alte Tonträger in ihren Archiven, die heute gar nicht mehr abgespielt werden können“, so Fischer. „Und wenn man sie dennoch mit den Geräten von damals abzuspielen versucht, würden die Tonträger einen grossen Schaden davontragen oder gänzlich zerstört werden.“ Carl Habers System ist mit der Kamera flexibel auf den jeweiligen Tonträger anpassbar. Auf diese Weise können auch frühe Formen von Tonträgern, wie zum Beispiel Wachszylinder oder Aluminiumstreifen, ausgelesen werden.

Zerbrochene Schallplatten abspielen

Unter Supervision von Carl Haber lag Silvan Fischers Schwerpunkt in der Masterarbeit auf der Wiederherstellung von Aufnahmen beschädigter Tonträger. Die Scanner-Software sollte dahingehend erweitert werden, dass auch zerbrochene Schallplatten automatisch ausgelesen werden können. „Setzt man die Teile des Tonträgers wieder zusammen, liegen die Rillen an den Bruchstellen trotzdem nicht mehr exakt passend aneinander“, erklärt Fischer. Bis anhin mussten deshalb alle Rillen beiderseits der Bruchstelle am Computer von Hand zugeordnet werden. Ein weiteres Problem liegt darin, dass viele beschädigte Platten nicht nur zerbrochen, sondern auch verbogen oder verzogen sind. „Beim Scannen muss die Kamera die Oberfläche immer perfekt im Fokus haben“, so Fischer. „An Bruchstellen aber kann dies nicht garantiert werden, wenn die Platte verbogen ist oder nicht perfekt aufliegt.“ Dank der Arbeit von Silvan Fischer erkennt die Software nun automatisch, wo die Rille nach der Bruchstelle weiterläuft. Eine zerbrochene Platte, bei der keine grösseren Stücke fehlen, kann so vom System wie eine intakte Platte ausgelesen werden. Dank Fischers Berechnungen erkennt die Kamera auch unebene Stellen und kann sie durch mehrmaliges Scannen auslesen.

Rettung für Sammlungen und Archive

Private Schallplattensammler oder Antiquare, die sich gern ein solches System zulegen möchten, werden allerdings enttäuscht. „Allein die 3D-Kamera zur optischen Erfassung kostet weit über 100’000 Franken“, so Fischer. „Auch die Installation des Systems ist hochkomplex, denn die gesamte Anlage steht auf einer Art Luftkissen, damit sie vor jeglicher Vibration geschützt ist.“ Also kein Produkt für den Hausgebrauch. Diverse private Sammler sind aber schon in Berkeley erschienen, um ihre Kostbarkeiten gegen eine Gebühr digital zu überspielen. Im Übrigen sollen bereits mehrere grosse Bibliotheken Interesse am Erwerb eines solchen Systems bekundet haben.

Interview mit Carl Haber auf YouTube