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Hochdynamische Simulation eines Explosionsschutzventils

Forscherinnen und Forscher des Instituts für Energiesysteme und Fluid Engineering (IEFE) der ZHAW haben in Zusammenarbeit mit dem Labor Spiez die Schliessfunktion von Sicherheitsventilen für Schutzbauten wie Zivilschutzanlagen oder Bunker untersucht. Mit Computersimulationen, Experimenten und Hochgeschwindigkeits-Kameraaufnahmen konnten wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, was in den rund 1.6 Millisekunden passiert, wenn das Ventil schliesst.

Die IEFE-Forschungsgruppe Fluid-Engineering und Kältetechnik hat zusammen mit dem Labor Spiez eine neue Methodik für die Analyse des Schliessverhaltens von Explosionsschutzventilen für Schutzbauten entwickelt. Das Labor Spiez ist die schweizerische Fachstelle für den Schutz der Bevölkerung vor chemischen, biologischen, radiologischen und nuklearen Bedrohungen (CBRNe). Dabei beschäftigt sich das Labor Spiez auch mit dem Schutz von Personen und Einrichtungen in Schutzbauten wie Zivilschutzanlagen und Bunkern. Hier schützen Explosionsschutzventile vor den Druckstössen, die durch Explosionen ausgelöst werden. Bisher wurden diese Sicherheitsventile hauptsächlich mit Experimenten getestet.

Genaue Untersuchung von zwei Ventiltypen

Die neue Analysemethode für Explosionsschutzventile zielt nun darauf ab, das Schliessverhalten und die Druckentweichung der Ventile durch eine computergestützte Simulation zu untersuchen. In einem ersten Schritt evaluierte die Forschungsgruppe eine Softwarelösung, die das Verhalten der Ventile unter verschiedensten Bedingungen simulieren kann.

Im Rahmen der Arbeiten wurden zwei Ventiltypen (Testfälle) untersucht. Zum einen ein zylindrisches Explosionsschutzventil. Es schliesst bei Überdruck, indem das halbkugelförmige Stahlelement, das bei Normaldruck mit Zugfedern zurückgehalten wird, in den Sitz gedrückt wird und den Luftdurchlass blockiert. Beim zweiten Ventiltyp biegen sich bei Überdruck dünne Stahlbleche (elastische Verformung) und verhindern so den Durchlass.

Experimente und Hochgeschwindigkeits-Aufnahmen

Die Funktion der beide Ventiltypen wurde im Labor Spiez experimentell mit dem Stosswellenrohr überprüft, einem mit Helium gefüllten Rohr mit einer Membran und dem Ventil. Das Helium im Rohr wurde so lange komprimiert, bis die Membran barst und eine Druckwelle (eine sogenannte Stossfront) auslöste, die den Luftdurchlass des Sicherheitsventils blockierte. Das Schliessen eines Ventils dauert rund 1.6 Millisekunden. Die Forscher massen während diesem Prozess den Restdruck nach dem Ventil, um zu sehen, wie gut es die Druckwelle dämpft. Der Vorgang wurde zudem mit einer Hochgeschwindigkeitskamera fotografiert (alle 0,1 ms ein Bild) und dokumentiert.

Direkte oder indirekte Kopplung der Simulationen?

Die Forscher simulierten anschliessend den Prüfungsaufbau und die komplexen Schliessmechanismen der Explosionsschutzventile mit einer direkt gekoppelten Simulation, bei der die Strömungsberechnung und die mechanische Berechnung nach jedem Zeitschritt miteinander interagieren. Diese verglichen sie mit einer indirekt gekoppelten Simulation, die die unterschiedlichen physikalischen Phänomene getrennt simuliert und die Ergebnisse später zusammenführt. Die direkt gekoppelte Simulation ist anspruchsvoll. Sie ermöglicht es aber, das Verhalten von sehr komplexen Systemen zu modellieren, wie beispielsweise die Verformung beim zweiten Ventiltyp.

Simulation bildet Sicherheitsventile gut ab

Der Vergleich der experimentellen Messungen mit den Ergebnissen der Simulation belegt, dass mit der direkt gekoppelten Simulation deutlich präzisere Vorhersagen der komplexen Schliessmechanismen der Sicherheitsventile ermöglicht werden, als wenn eine indirekt gekoppelte Simulation eingesetzt wird.

Aus den Ergebnissen des Projekts leitet das Forschungsteam der ZHAW und des Labors Spiez ab, dass die neu entwickelte, computergestützte Simulation eine gute Methode ist, um neue Ventile zu entwickeln oder zu analysieren. Dank der Simulation und den Bildaufnahmen der Hochgeschwindigkeitskamera kann das Schliessverhalten der Ventile numerisch und visuell validiert und so besser verstanden werden. Ergänzend sind nun weitere Studien zum Materialverhalten der Ventile nötig.

Auch Industrie unterstütze Projekt

Der Dank geht an Michael Riedo und Michel Schilling von der Andair AG als federführender Partner eines früheren Forschungsprojekt, welches die Grundlage für diese Arbeit lieferte. In der damaligen Studie wurde ein Bewertungs- und Optimierungsverfahren für passive Explosionsschutzventile entwickelt, das letztlich zu einer völlig neuen Generation von Ventilen führte.

Projektname
Numerical procedure to determine the performance and structural response of passive shock wave safety valves under blast loading

Projektdauer                  Mai 2020 bis Dezember 2023

Beteiligte
Projektleiter:                    Christian Jenni, ZHAW-IEFE
Mitarbeitende ZHAW:      Tim Altorfer, David Denzler, Sven Düzel (IMPE), Mirco Ganz, Frank Tillenkamp
Projektpartner:                 Labor Spiez: Lorenz Brenner, André Zahnd
Industriepartner:              Andair AG: Michael Riedo, Michel Schilling

Fachartikel im International Journal of Protective Structures:
 
https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/20414196231197702