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Weg mit den Steckern: Stromübertragung per Induktion

Mittels Induktion lässt sich elektrischer Strom über kurze Distanzen ohne Kabel übertragen. Forschende der ZHAW School of Engineering wenden diese Technik nun für Photovoltaik-Anlagen an. Die innovative Lösung ist witterungsbeständig und macht Stecker überflüssig.

Bild zeigt ein Solarmodul mit zwei kleinen Kumpferspulen
Erster Prototyp: Die Stromübertragung erfolgt von Spule zu Spule – ganz ohne Stecker.

Man kennt das Prinzip der Induktion etwa vom kontaktlosen Aufladen der Elektrozahnbürste: In der Ladestation befindet sich ein mit Kupferdraht umwickelter Magnetkern – die Primärspule. Sie generiert durch Wechselstrom ein Magnetfeld. Im Zahnbürstenkörper, der lose auf diese Ladestation gesteckt wird, befindet sich die Sekundärspule. Das Magnetfeld induziert eine Spannung in dieser Sekundärspule, die den Akku in die Zahnbürste auflädt. Diese robuste und zuverlässige Lösung fürs Badezimmer erfreut sich grosser Beliebtheit, da Probleme von Wasser auf den elektrischen Kontakten gar nicht entstehen können. Bei der kontaktlosen Leistungsübertragung in Photovoltaikmodulen sind die Anforderungen in Bezug auf Platz, Leistung, Effizienz und Zuverlässigkeit zwar höher, dennoch sind Prinzip und Nutzen sehr ähnlich.

Schnellere Montage – längere Lebensdauer

Hinter dem Projekt «Wireless Inductive Power Transfer» oder kurz WIPT stecken Franz Baumgartner und Fabian Carigiet vom ZHAW-Institut für Energiesysteme und Fluid Engineering (IEFE). Sie schliessen gerade das zweijährige Forschungsprojekt ab, welches von der Gebert Rüf Stiftung finanziert wird. «Nach einem halben Jahrhundert wird es Zeit, die Frage zu untersuchen, ob Solarmodule immer noch eine Anschlussdose und über dreissig elektrische Steckverbindungen zwischen den Modulen brauchen für den Aufbau eines kostengünstigen Solarkraftwerks. Auch wir an der Hochschule müssen Neues wagen und kritisch prüfen», erklärt Franz Baumgartner.

Wenn heute in der Schweiz nur noch ein Zehntel der Kosten einer Einfamilienhaus-Solaranlage auf die Solarzellen fällt und die reine mechanische Befestigungstechnik ohne Arbeitszeit die gleichen Kosten verursacht wie die Solarmodule, dann liegt das Potential der Kostenreduktion nicht in der Solarzelle, sondern in der Verbindungs- und Montagetechnik. Gelingt es, mithilfe der magnetischen Kopplung – dem Prinzip der Elektrozahnbürste – die elektrische Solarmodulanschlussleitung, Modulanschlussdose und elektrische Steckverbindungen durch ein einfaches Einstecken ohne elektrische Kontakte zu vereinfachen und mit einem mechanischen Klicksystem das Modul zu befestigen, sind enorme Kosteneinsparung bei der Montagezeit und Komplexität möglich.

Weiter zeigt eine Studie der International Energy Agency, dass innerhalb der ersten Jahre nach Inbetriebnahme einer Photovoltaik-Anlage Fehler und Defekte in der Systemtechnik auftreten können. Betroffen sind laut Studie häufig die Stecker, die Anschlussdose mit den Dioden oder Degradationen infolge von Kriechströmen. Auch die ZHAW-Forschenden kennen aus der Praxis dieselben Probleme: «Die eigentliche Lebensdauer von rund 25 Jahren wird oft schon früh durch Störungen an maroden Steckern verkürzt und sie müssen aufwändig und kostenintensiv gewartet werden», so Fabian Carigiet. Mit der Technologie der kontaktlosen Stromübertragung könnte man diesem Problem effektiv entgegenwirken.

Funktionalität konnte gezeigt werden

Die Idee ist nicht ganz neu: Bereits vor 20 Jahren wurden erste Versuche zur induktiven Stromübertragung von Solarmodulen von Forschenden gestartet. Doch was damals in der Umsetzung scheiterte, kann heute dank technischer Weiterentwicklung real werden. Zum einen ist die Herstellung der für die Lösung benötigten Materialien inzwischen erschwinglich geworden. Zum anderen können die Teile wesentlich kleiner und kompakter produziert und direkt in die Solarmodule ohne Anschlussdose integriert werden. Im WIPT-Projekt wurde erfolgreich am IEFE ein erstes Funktionsmuster eines WIPT-Solarmoduls realisiert. Dabei wurde zwischen dem Frontsolarglas und der Rückfolie des Solarmodules die elektrische Planarspule für die magnetische Kopplung integriert. Die Energieauskopplung ohne elektrische Stecker und ohne Modulanschlussdose konnte so mit einem Wirkungsgrad von ca. 90 Prozent gezeigt werden. Die weitere Optimierung des Magnetkreises und der Leistungselektronik sollen in einem wissenschaftlichen Folgeprojekt angegangen werden.

In einem parallelen Projektvorhaben, werden Fabian Carigiet und Franz Baumgartner die Synergie von gleichzeitigem elektrischen und mechanischen Anschluss verfolgen: Ihr Ziel ist eine Art Modulhalterung zu kreieren, welche die Spulen in einem gewissen Abstand zu ihren Gegenstücken hält. Ein integrierter Magnetkreis aus ferromagnetischem Material sorgt dafür, dass das magnetische Feld geführt und der Leistungsverlust möglichst gering bleibt. Die magnetische Kopplung beider Spulen kann so an die Hochspannungseinheit am Rand des Solarmoduls angeschlossen werden. Diese Halterungen sollen durchgehend mittels eines Sammelkabels verbunden werden und somit eine Durchführung des Stroms nach Aussen überflüssig machen. Das würde zu weiteren Einsparungen führen, wenn die Module in Serie geschaltet werden. Die Montage und der Austausch solcher Solarmodule wäre einfach und würde weder elektrische Expertise, noch das Abschalten der gesamten Solareinheit erfordern - ein einfacher mechanischer Klick-Mechanismus genügt. Aktuell werden erste Vorversuche, aufbauend auf einem mechanischen Solarmodul Klick-Montagesystem im IEFE Solarlabor, durchgeführt.

Engineering hin zu einfacheren, günstigeren und langlebigeren Lösungen

Das IEFE WIPT-Funktionsmuster wandelt den Gleichstrom der Solarzellen über einen Resonanzwandler in Wechselstrom um, leitet ihn weiter zur Primärspule, der die elektrische Energie in magnetische umwandelt. Das geschieht alles innerhalb des Solarmoduls. Die Sekundärspule in der Modulhalterung erzeugt aus der magnetischen Energie wieder einen Wechselstrom, der über einen Gleichrichter – ebenfalls in der Halterung integriert – an das Sammelkabel abgegeben wird.

Erste Testmessungen der magnetischen Übertragung haben bereits vielversprechende Resultate geliefert. «Gegenüber unserem ersten Versuchsdurchlauf konnten wir mit einem zweiten, optimierten Prototyp bereits eine fünffach höhere Leistung in der Grössenordnung von Standard Solarmodulen übertragen», so Fabian Carigiet über die Fortschritte. Jetzt gilt es, die Spulen zu verbessern sowie den optimalen Luftspalt zwischen ihnen zu eruieren, damit die zu übertragene Leistung weiter optimiert und die Effizienz der Technologie erhöht werden kann.

«Unser Langzeitziel ist es, diesen letzten Schritt der Umwandlung in Gleichstrom entfallen zu lassen, sodass mit noch höherer Effizienz der Strom der Zellen ins Sammelkabel übertragen werden kann», so Fabian Carigiet. Am Ende der seriellen Verbindung mehrerer solcher WIPT-Module erfolgt die Stromnetzanbindung mittels eines zentralen Wechselrichters. Dieser Strom kommt dann mit einer normalen Nutzfrequenz von 50 Hertz aus dem Wechselrichter, während innerhalb des Moduls mit weitaus höheren Frequenzen gearbeitet wird, damit magnetisches Material eingespart werden kann. «Wir rechnen mit einem magnetischen Übertragungsverlust von ca. 4 Prozent, der aber durch die geringeren Kosten der Systemkomponenten durch industrielle Vorfabrikation, die kürzeren Montagezeiten, die verlängerte Lebensdauer der Module und die längeren Wartungszyklen zum wirtschaftlichen Erfolg führen wird», erklärt Franz Baumgartner. Geeignet sei die Technologie vor allem für grosse Solarkraftwerke, bei denen die Solarmodule so effizient und benutzerfreundlich in Serie geschaltet werden können.