Fachgruppe Zellkulturtechnik, Tissue Engineering und Medizinische Biologie
«Die Zellkulturtechnik wird in Zukunft über den pharmazeutischen Bereich immer wichtiger, unterstützt sie doch auch eine nachhaltige Landwirtschaft ohne Pflanzen und Tiere.»
Prof. Dr. Ing. Regine Eibl-Schindler, Leiterin Fachgruppe Zellkulturtechnik, Tissue Engineering und Medizinische Biologie
Kompetenzen, Infrastruktur und Ausstattung
Die Fachgruppe Zellkulturtechnik, Tissue Engineering und Medizinische Biologie beschäftigt sich mit Prozessen, die mit pflanzlichen, tierischen und humanen Zellen (einschliesslich humanen mesenchymalen und induzierten pluripotenten Stammzellen) arbeiten. Dabei wird zellbiologisches, bioverfahrens- und prozesstechnisches Know-How gezielt genutzt, um die Prozesse, die Produkte für den Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelbereich vom Labor- bis zum Pilotmassstab liefern, schnell zu entwickeln. Die Aktivitäten der Fachgruppe umfassen die Bereiche Lehre, Forschung/Dienstleistung und Weiterbildung.
Für experimentelle Arbeiten hat die Fachgruppe Zellkulturtechnik eine moderne technische Ausstattung zur Zelllinienetablierung und -kultivierung zur Verfügung. Dazu gehören Sterilwerkbänke, Inkubatoren, Mischer, Lager- und Vorlagetanks, gerührte, geschüttelte und wellendurchmischte Bioreaktoren bis 200 L Arbeitsvolumen. Darüber hinaus gibt es Equipment zur Produktaufarbeitung, automatisierte Geräte zur Zellzählung und zum Monitoring von Substraten, Metaboliten und proteinbasierten Produkten, ein FACS-System und ein ATF-System für die Realisierung intensivierter Produktionsprozesse. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang unser hoher Anteil an der auch im industriellen Umfeld zunehmend implementierten Single-Use Technologie. Zusätzlich kann bei Bedarf auf Geräte zur Spezialanalytik wie HPLC- und MS-Geräte des ICBT und das Fachwissen der dort angesiedelten Spezialistinnen und Spezialisten zurückgegriffen werden.
Weiterbildung
Die Fachgruppe Zellkulturtechnik führt massgeschneiderte Weiterbildungskurse zur Zellkultivierung für Firmen durch. Ausserdem hat sie federführend einen edX Kurs (Cell cultivation techniques for beginners: https://www.edx.org/course/cell-cultivation-techniques-an-introduction) entwickelt. . Der Kurs richtet sich an Interessierte mit sowohl biologischem als auch technischem Background und besteht aus 4 Teilen:
(1) Grundlagen der Bioverfahrenstechnik zur Zellkultivierung,
(2) Säugerzellkultivierung und Antikörperproduktion,
(3) Stammzellexpansion,
(4) Kultivierung von pflanzlichen Zellkulturen.
Beispiel Projekte
Die erste Zellkulturschokolade der Welt (Anschubfinanzierungsprojekt des Department N)
Im Herbst 2017 wurde in den Laboren des ILGI und ICBT die erste Zellkulturschokolade der Welt produziert. Dazu wurden die in einem wellendurchmischten Bioreaktor massenvermehrten Kakaosuspensionszellen gefriergetrocknet, geerntet und geröstet. Das resultierende Kakaopulver wurde anschliessend unter Zugabe von Zucker und Kakobutter zu dunkler Schokolade weiterverarbeitet. Der damals noch nicht optimierte Prozess lieferte 3 Tafeln Schokolade (10 L Kulturbrühe). Die verwendete Zellkultur wurde über eine Kalluskultur aus den Bohnen von Kakaopods angelegt und in einem lebensmittelkonformen MS-Medium erhalten. Die Zellkulturen produzierten vergleichbare Mengen der Schokoladenpolyphenole (Epicatechin, Procyanidine, Cinnamtannine) wie in den Kakobohnen enthalten waren. Nachfolgende Untersuchungen beschäftigten sich mit der Optimierung und dem Scale-up des Prozesses bis zum Pilotmassstab (max. 100 L Arbeitsvolumen). In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass das Sekundärstoffprofil und damit das Aromaprofil sowie der Geschmack der produzierten Zellkulturschokolade über den Bioreaktortypen beeinflusst werden kann (EP 4 176 710 A1). Während sich die Schokolade, deren Zellproduktion in einem wellendurchmischten oder orbital geschüttelten Bioreaktor realisiert wurde, durch eine sehr fruchtige Note auszeichnete, dominierte beim gerührten Bioreaktor eine malzige und beim pneumatisch durchmischten Bioreaktor eine blumige Note.
Intensivierte und kontinuierliche CHO-basierte IgG-Produktionen im HyPerforma DynaDrive S.U.B. 50 L (direkt von ThermoFisher Scientific finanziertes Forschungsprojekt)
Monoklonale Antikörper (mAbs) sind Immunoglobulin G (IgG)-Moleküle, die zu den am schnellsten wachsenden Produkten der Pharmabranche gehören. Sie werden in erster Linie mit genetisch veränderten Zellen aus dem Ovar des Chinesischen Zwerghamsters (CHO-Zellen) produziert. Um die Entwicklungs- und Produktionskosten für mAbs zu senken, rückten über die letzten 10 Jahre Ansätze zur Prozessintensivierung in den Fokus vieler mAb-Entwickler und -produzenten. Das betraf in erster Linie die Intensivierung des Upstreamprocessings (Perfusionsprozesse) in Verbindung mit der Implementierung von Single-Use Technologie.
Der HyPerdorma DynaDrive S.U.B. ist der erste, speziell für intensivierte Prozesse entwickelte Single-Use-Bioreaktor. Der Bioreaktor hat einen kubischen Bag, in dem sich das strickleiterähnliche Rührorgan und der Sparger befinden. Er zeichnet sich durch einen guten Stofftransfer bei niedrigen Scherkräften aus und hat keine Strombrecher. So beträgt der spezifische Energieeintrag maximal 80 W m-3, während die Mischzeiten kleiner 60 s sind. Dabei können kLa-Werte bis 50 h-1 erreicht werden. Die von uns verwendete 50 L Version liess sich auf Grund des hohen Turn-Down-Verhältnisses von 10:1 (Differenz zwischen dem maximalen und minimalen Arbeitsvolumen) direkt mit Zellen aus dem Vial einer Ultrahochzelldichte-Arbeitszellbank (2.5*108 Zellen mL-1) animpfen. Im nachfolgenden Low-Seed Fed batch-Prozess mit ExpiCHO-S-Zellen (Gibco) und Efficient-Pro- (Gibco) sowie Efficient-Pro Feed 2-Medium (Gibco) wurden maximal 3.58 g L-1 IgG produziert (Tag 19). Die maximal erreichbare IgG-Konzentration als auch die Produktqualität waren übrigens mit den Resultaten einer Standarproduktion vergleichbar. Jedoch geht der Prozess mit den inokulierten Zellen aus der UHCD-Arbeitszellbank mit einer Zeitersparnis von 60% einher [1].
Der kontinuierliche Betrieb des Dynadrive S.U.B. über 50 Tage (max. 1 vvd) fand unter Verwendung einer CHO K1-Zelllinie (Produkt Trastuzumab) und des Hochintensitätsperfusions CHO-Mediums von Gibco statt. Volumetrische Produktivitäten grösser 1 g L-1 d-1 wurden erreicht. Diese sind 3 Mal grösser als jene, die das Low-Seed Fed-batch-Verfahren mit Efficient-Pro Feed 1-Medium (Gibco) im HyperForma DynaDrive 50 L garantiert [2-3].
Entwicklung eines abbaubaren/implementierbaren Microcarriers für in Zelltherapien verwendete humane mesenchymale Fettstammzellen (Innosuisse-Projekt: 25275.2 PFLS-LS)
Humanen mesenchymalen Fettstammzellen wird ein grosses Potential für die Herstellung von Zelltherapeutika bescheinigt. Es besteht unter anderem ein Interesses an allogenen Therapieansätzen, die grossen Menge humaner mesenchymaler Fettstammzellen (hASCs) in klinischer Qualität benötigen. Das setzt effiziente Zellexpansionsverfahren voraus, die die erfolgversprechendsten Resultate in mit Microcarriern operierenden gerührten Bioreaktoren lieferten.
Im Rahmen des Projektes wurde ein abbaubarer/implementierbarer Microcarrier (BR44) für hASC-Expansionen in gerührten Kultivierungssystemen durch die Firma MicroSphere entwickelt und durch das Cardiocentro Lugano und die ZHAW-Arbeitsgruppe qualifiziert. Letzteres erfolgte unter chemisch definierten Bedingungen sowohl unter Berücksichtigung von biophysikalisch-chemischen, zellbiologischen als auch kulturtechnischen Aspekten. Neben einer immortalisierten Modellzelllinie wurden im Rahmen der Kultivierungen (Ursuppe Medium) in den T- und Spinnerflaschen auch primäre Patientenzellen verwendet. Details können den Veröffentlichungen von Muoio et al. [4-5] entnommen werden.
Anschliessend wurden mit Hilfe von numerischen Strömungssimulationen (CFD) das Strömungsfeld und die MC-Verteilung im Spinner untersucht, und die Ergebnisse mit PIV-Untersuchungen validiert. Dadurch konnten Regionen bestimmt werden, bei denen sich die MC vorzugsweise absetzten, wobei es zu Limitationen (Nährstoff, Sauerstoff) für die Zellen kommt. Aus diesem Grund wurden Suspendierkriterien (NS1u und Ns1) als Scale-up Kriterien für die Massstabsübertragung definiert, welche ein ausreichendes Suspendieren der MC mit den Zellen gewährleisteten. Auf Basis dieser Kriterien konnten mittels CFD die mechanischen Belastungen sowie der spezifische Leistungseintrag bestimmt werden. Unter Einbezug von Kultivierungen mit unterschiedlichen Rührerdrehzahlen wurde so die maximale, tolerierbare Scherbelastung (0.004- 0.2 Nm-2) für die hADSCs und hBM-MSCs im Einwegspinner ermittelt. Während der Scale-up Untersuchungen im UniVessel SU 2L (Sartorius Stedim) wurde festgestellt, dass unter Einhaltung der Suspendierkriterien eine zu hohe Scherbelastung entsteht, welche das Zellwachstum beeinträchtigt. Deshalb wurde mit Hilfe von CFD-Simulationen ein UniVessel SU 2L mit modifiziertem Rührer entwickelt, der gegenüber der Standardvariante ein optimiertes Strömungsfeld aufweist, so dass schon bei 82% niedrigeren Rührerdrehzahlen die Suspendierkriterien erfüllt werden. Auf Basis der Spinner-Kultivierungen, Suspendierkriterien und der CFD-Untersuchungen konnten sowohl im modifizierten UniVessel SU 2L als auch im Standard BIOSTAT STR 50L beide Stammzelltypen erfolgreich kultiviert werden. Durch weiter Prozessoptimierungen (MC-Menge, Inokulum-Produktion, Feed-Strategie, Zellernte) gelang es, die Zellausbeuten (modifizierter UniVessel SU 2L, 1· 109 Zellen; BIOSTAT STR 50L, 3.6· 1010 Zellen) zu erhöhen. Dabei war das Zellwachstum (0.3-0.35 h-1) dem der Spinnerkultivierungen vergleichbar. Mit FACS-Analysen wurde nachgewiesen, dass die kultivierten MSCs nicht differenzieren und ihre Stammzelleigenschaften beibehalten.
[1] J. Ott, V. Ott, P. Neubauer, D. Eibl, R. Eibl (2024) Process intensification by inoculating antibody production bioreactors directly from cryovials. Chem. Ing. Tech. 96(4), 453-461. DOI:10.1002/cite.2023000189
[2] V. Ott, J. Ott, D. Eibl, R. Eibl (2024) Scaling fed-batch and perfusion antibody production processes in geometrically dissimilar stirred bioreactors. Processes 12(4), 806. https://doi.org/10.3390/pr12040806
[3] M. Bates, K. Broadbelt, J. Ott, V. Ott, R. Eibl, L. Chen, D. Kuntz, L. Zhang, M. Zustiak, S. Woods (2024) Using Raman Spectroscopy as a Process Analytical Technology Tool in a 50-Day Continuous Perfusion Run. https://assets.thermofisher.com/TFS-Assets/CAD/Application-Notes/raman- spectroscopy-process-analytical-technology-tool-an1068-en.pdf
[4] F. Muoio, S. Panella, M. Lindner, V. Jossen, Y. Harder, T. Moccetti, R. Eibl, M. Müller, T. Tallone (2021) Development of a biodegradable microcarrier for the cultivation of human adipose stem sells (hASCs) with a defined xeno- and serum-free medium. Applied Sciences 11(3), 925.
[5] F. Muoio, S. Panella, V. Jossen, M. Lindner, Y. Harder, M. Müller, R. Eibl, T. Tallone (2021) Human adipose stem cells (hASCs) grown on biodegradable microcarriers in serum- and xeno-free medium preserve their undifferentiated status. Journal Functional. Biomaterials 12: 25. https:// doi.org/10.3390/jfb12020025
Mitarbeitende
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