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Fundraising in Corona-Zeiten

Die Befürchtungen des NPO-Sektors zu Beginn der Corona-Krise waren düster. Nun ist seit dem Beginn des Lockdowns etwas Zeit vergangen und zum Spendenverhalten in der Corona-Krise liegen erste Einschätzungen von Expertinnen und Experten sowie auch Auswertungen von Fundraising-Agenturen vor.

Ein Beitrag von Muriel Baumer.

Die gegenwärtige Corona-Krise macht auch vor dem NPO-Sektor nicht Halt und stellt diesen vor eine Vielzahl von Herausforderungen (vgl. European Fundraising Association [EFA], 2020; Tinner, 2020). Der Lockdown führte zu einer Rezession, zahlreiche Unternehmen meldeten Kurzarbeit an, Menschen bangen um ihre Arbeit und Selbstständigen droht der Verlust ihrer Existenzgrundlage. Dies führte unter NPOs zu Befürchtungen, dass die Spendeneinnahmen wegbrechen werden (Swissfundraising, 2020a). Zusätzlich waren die Fundraiserinnen und Fundraiser mit weiteren Herausforderungen konfrontiert: Gewisse Vertriebskanäle, insbesondere Face2Face, sind nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr nutzbar, grosse Charity-Events dürfen nicht mehr durchgeführt werden (vgl. EFA, 2020; Stifter TV, 2020). So beschrieb Markus Gmür, Inhaber des Lehrstuhls für NPO-Management an der Universität Fribourg, Mitte März die Corona-Krise als eine «Periode mit unerwartet gefährdeten Einnahmen» (Tinner, 2020). 

Die Befürchtungen des NPO-Sektors zu Beginn der Corona-Krise waren düster. Swissfundraising, die Berufsorganisation der Fundraiserinnen und Fundraisern, startete zu Beginn des Lockdowns mehrere Umfragen, die Ende März ausgewertet wurden. In einer der Umfragen wurden die über hundert teilnehmenden Fundraiserinnen und Fundraiser zur Situation ihrer Organisation befragt. Dabei gab knapp ein Drittel (30.2%) an, dass sie die Projekte sicher nicht wie geplant weiterführen können und führten dies insbesondere auf die finanzielle Unsicherheit zurück (Swissfundraising, 2020b). Bei einer anderen Umfrage wurden die Teilnehmenden gebeten, Einschätzungen zum Thema Fundraising vorzunehmen. Insgesamt rechneten 51 Prozent der über hundert Befragten mit «weniger Spenden», knapp 30 Prozent befürchteten gar «viel weniger Spenden» einzunehmen (Swissfundraising, 2020a). Dabei wurde vor allem bei den Privatspenden ein Rückgang befürchtet. Nur 3 Prozent der Befragten gingen davon aus, mehr Spenden generieren zu können.

Dass diese Befürchtungen berechtigt sind, zeigen Untersuchungen betreffend Gründen, weshalb Menschen nicht spenden. So zeigt Buss (2012) auf, dass finanzielle Gründe diesbezüglich eine zentrale Rolle spielen. Andererseits konnte bei der Finanzkrise von 2008 festgestellt werden, dass diese keine negativen Auswirkungen auf die Spenden hatte und der Gesamtspendenmarkt sogar leicht wuchs (ZEWO, 2009). Eine schwierigere finanzielle Lage dürfte sich deshalb nicht direkt negativ auf das Spendenverhalten auswirken, es bleibt jedoch unklar, wie hoch diese Toleranz ist und ab welcher Situation sich dieses Verhalten verändert. Zudem werden in der Literatur die Betroffenheit und die Solidarität als zentrale Auslöser der Spendenbereitschaft genannt (vgl. Labaronne & Seger, 2016, S. 14f.; gfs-zürich, 2015, S. 2). Die Betroffenheit kann einerseits indirekt über die Medienberichterstattung entstehen oder direkt, durch Erfahrungen selbst oder im engen Umfeld. So zeigten Schweizerinnen und Schweizer in Krisen immer wieder ihre grosse Spendenbereitschaft.

Nun ist seit dem Beginn des Lockdowns etwas Zeit vergangen und zum Spendenverhalten in der Corona-Krise liegen erste Einschätzungen von Expertinnen und Experten sowie auch Auswertungen von Fundraising-Agenturen vor. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Befürchtungen nicht so düster eingetreten sind, wie dies erwartet wurde. So konnte beispielsweise die Glückskette seit dem 23. März bereits über 37 Millionen Franken (Stand 3. Juni) sammeln (Glückskette, 2020). Jedoch ist es wichtig, nach verschiedenen Bereichen zu differenzieren. So weist ZEWO-Geschäftsführerin Martina Ziegerer darauf hin, dass die Spendenbereitschaft auch in dieser Krise besonders gross sei, jedoch nicht alle NPOs gleichermassen davon profitieren (Swissfundrasing, 2020c). Während die Spendenaktion der Glückskette für die Existenzsicherung im Inland, die Unterstützung von Seniorinnen und Senioren und medizinische Hilfe grossen Anklang fand, spüren Organisationen, deren Anliegen in der gegenwärtigen Corona-Krise in den Hintergrund getreten sind, die negativen Folgen nun besonders. Ziegerer nennt diesbezüglich Natur- und Umweltschutzorganisationen. Dass branchenübergreifende Verallgemeinerungen fehl am Platz sind, hebt auch der Fundraising-Experte Prof. Dr. Michael Urselmann im Interview mit dem deutschen Stifter TV hervor (Stifter TV, 2020). Je nach Bereich und Vertriebskanal können die NPOs schwierige finanzielle Zeiten durchmachen. Dass sich die Pandemie und die darauffolgende Rezession aber nicht negativ auf die generelle Spendenbereitschaft durchgeschlagen hat, führt Urselmann insbesondere auf zwei Gründe zurück. Erstens haben Rezessionen bereits in der Vergangenheit keinen signifikanten negativen Einfluss auf das Spendenverhalten gehabt, was gemäss Urselmann auch damit zu tun haben dürfte, dass die meisten Spenderinnen und Spender über 60 Jahre alt sind und somit von Sorgen, den Arbeitsplatz zu verlieren, weniger betroffen sind. Dies könnte auch für die Schweiz zutreffen, denn auch hier spenden vor allem ältere Menschen (Swissfundraising & ZEWO, 2019, S. 4). Zweitens erreicht die gegenwärtige Corona-Krise eine hohe mediale Aufmerksamkeit und erreicht dadurch auch Menschen, die ansonsten nicht spenden. Urselmann nennt sie «Katastrophenspender» und dieses Konzept deckt sich mit dem Konzept der Betroffenheit.

Auch eine quantitative Studie aus Deutschland, die von vier Fundraising-Agenturen in Auftrag gegeben wurde, konnte zeigen, dass die Spendenbereitschaft generell hoch ist. Von den mehr als 1'000 Teilnehmenden gaben etwas mehr als die Hälfte an, in der Krise unverändert weiter zu spenden, während 17 Prozent mehr spenden möchten. 3 Prozent der Befragten gaben sogar an, nun zum ersten Mal spenden zu wollen und nur 5 Prozent möchten wegen der Krise weniger spenden (GRÜN alpha, 2020). Es gilt jedoch anzumerken, dass die genannten Einschätzungen und Auswertungen nur maximal die ersten zwei Monate nach dem Lockdown betreffen. Auf weitere Einschätzungen, Erfahrungsberichte und quantitative Studien darf man also gespannt sein.

Quellenangaben

  • Buss, P. (2012). Fundraising: Grundlagen, System und strategische Planung. Bern: Haupt.
  • European Fundraising Association (2020). Special Focus: What COVID-19 means for charity fundraising. Abgerufen von: https://efa-net.eu/features/special-focus-what-covid-19-means-for-charity-fundraising.
  • gfs-zürich (2015). Spendenmonitor 2014: Flüchtlingselend bewegt zu zusätzlichen Spenden. Abgerufen von: https://gfs-zh.ch/wp-content/uploads/2015/04/Spendenmonitor-2014.pdf.
  • Glückskette (2020). CORONAVIRUS. Abgerufen von: https://www.glueckskette.ch/sammlungen/coronavirus/.
  • GRÜN alpha (2020). Mehrheit der Deutschen will in der Krise weiter spenden. Abgerufen von: https://www.gruenalpha.net/mehrheit-der-deutschen-will-in-der-krise-weiter-spenden/.
  • Labaronne, L. & Seger B. (2016). Fundraising Management (1. Aufl.). Zürich: vdf.
  • Stifter TV (2020). Fundraising in der Coronakrise. Video-Datei. Abgerufen von: https://stifter-tv.com/fundraising-in-der-coronakrise-2/#.
  • Swissfundraising & ZEWO (2019). Spenden Report Schweiz. Abgerufen von: https://zewo.ch/wp-content/uploads/2019/12/spendenreport_LR.pdf.
  • Swissfundraising (2020a). COVID-19 und das Fundraising in der Schweiz (I): Ein Drittel befürchtet "viel weniger Spenden" in diesem Jahr. Abgerufen von: https://swissfundraising.org/covid-19-und-das-fundraising-in-der-schweiz-ein-drittel-befuerchtet-viel-weniger-spenden-in-diesem-jahr/.
  • Swissfundraising (2020b). COVID-19 und das Fundraising in der Schweiz (III): NPO müssen Prioritäten (neu) setzen. Abgerufen von: https://swissfundraising.org/covid-19-und-das-fundraising-in-der-schweiz-iii-npo-muessen-prioritaeten-neu-setzen/.
  • Swissfundraising (2020c). Interview mit Martina Ziegerer: "NPO zeigen jetzt, wie wertvoll ihre Arbeit ist und dass sie in besonders schwierigen Zeiten für andere da sind. Abgerufen von: https://swissfundraising.org/interview-mit-martina-ziegerer-npo-zeigen-jetzt-wie-wertvoll-ihre-arbeit-ist-und-dass-sie-in-besonders-schwierigen-zeiten-fuer-andere-da-sind/.
  • Tinner, R. (2020). Markus Gmür zu NPO und COVID-19: "Die Lage ist von Branche zu Branche sehr unterschiedlich". Abgerufen von: https://swissfundraising.org/die-lage-ist-von-branche-zu-branche-sehr-unterschiedlich/.
  • ZEWO (2009). Keine Krise bei den Spenden. Abgerufen von: https://zewo.ch/wp-content/uploads/2019/06/Spendenstatistik-2009.pdf.