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Im Interview: Markus Blanka-Graff

Mit Markus Blanka-Graff, dem CFO der Kühne + Nagel International AG und Mitglied des Fachbeirates des Instituts für Financial Management, sprechen wir im Interview über den hervorragenden Jahresabschluss 2022 des Unternehmens, zu Nachhaltigkeit in der Finanzabteilung und zu den zukünftigen Herausforderungen eines CFO.

Sie haben im März 2023 einen hervorragenden Jahresabschluss präsentiert. Worauf sind Sie besonders stolz? Und was sind die grössten Herausforderungen, mit welchen Sie als CFO künftig konfrontiert sein werden?

Das hervorragende Jahresergebnis ist in erster Linie das Verdienst der Mitarbeitenden von Kühne + Nagel auf der ganzen Welt. Sie haben in einem aussergewöhnlichen Jahr, geprägt von Störungen der Lieferketten, ökonomischen Veränderungen im Konsumverhalten und dem Krieg in der Ukraine, unseren Kund:innen Logistikleistungen von höchster Qualität erbracht. Der Finanzbereich ist ein Teil dieser Leistungserbringung und hat dazu beigetragen, dass die Kundschaft weiterhin Kühne + Nagel Teile ihrer Wertschöpfungskette anvertraut. Wir haben es geschafft, flexibel auf die Veränderungen zu reagieren und in den uns gesetzten Rahmenbedingungen des Finanzbereichs vorausschauend das Management zu unterstützen. Wir sehen uns zunehmend in einer Rolle, die bestehendes Geschäft unterstützt und darüber hinaus zukünftige Geschäftsideen mitentwickelt. Die klassischen Finanzfunktionen wie zum Beispiel Berichtswesen, Treasury oder Buchhaltung nehmen dabei einen immer kleiner werdenden Teil der Arbeitszeit in Anspruch, zugunsten der Mitgestaltung in der Unternehmenssteuerung. Dennoch sind diese Funktionen die Kernaufgaben und müssen in höchster Qualität erbracht werden. Die Herausforderung liegt darin in beiden Aufgabenbereichen gut zu sein. Das gelingt uns, weil wir uns dessen bewusst sind und transparent auch mit den Mitarbeitenden diese unterschiedlichen und doch gleichwertigen Aufgabenbereiche diskutieren. Als CFO liegt dabei die Priorität in einer klaren Kommunikation, der Schaffung eines adäquaten Arbeitsumfelds und der individuellen Entwicklung der Mitarbeitenden.

Gemäss Roadmap 2026 ist ein Eckpfeiler der Kühne + Nagel International AG konkrete Lösungen zur Nachhaltigkeit zu entwickeln. Wie kann die Finanzabteilung einen Beitrag zur Nachhaltigkeit liefern?

Unter dem Begriff der Nachhaltigkeit verstehen wir die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG). Besonders die Unternehmensführung liegt im Kernbereich der Finanzaufgaben und wir haben uns dabei einem best-practice Standard verpflichtet. Als global agierendes Unternehmen ist dies ein Eckpfeiler des Risikomanagements und trägt dadurch zum nachhaltigen Unternehmenserfolg bei. Im Bereich Soziales ist es mir ein Anliegen im Finanzbereich global eine inklusive Firmenkultur zu schaffen, die alle Mitarbeitenden anspricht und allen gleiche Chancen bietet. Oftmals werden im internationalen Vergleich dabei kulturelle Unterschiede sichtbar, um deren Integration in unsere globale Kultur ich mich dann auch persönlich kümmere. Im Bereich Umwelt sind es eher offensichtliche Themen, die wir vorantreiben, wie z.B. die Digitalisierung der Rechnungen innerhalb des Konzerns, gegenüber der Kundschaft und von den Lieferant:innen. Die Verwendung zentraler Leistungserbringer:innen, sog. Shared Service Centres und weitreichende Automatisierungen von Arbeitsprozessen erhöhen die Effizienz.

Was erhoffen Sie sich von der Forschung, die wir als Hochschule betreiben, für Ihre Funktion als CFO?

Die Themen ‘Welthandel’ und ‘Konsumverhalten’ sind zentral für unser Geschäft. Demgemäss interessieren wir uns für Einflussfaktoren, wie z.B. Regulierungsdichte oder Produktionsverlagerung und deren Auswirkungen. Als Beispiel: Es steht ausser Frage, dass die Globalisierung zu einem guten Teil der Wohlstandsentwicklung der letzten Jahrzehnte beigetragen hat. Gleichzeitig ist sie aber auch ein relevanter Faktor bei der globalen Wohlstandsverteilung, dem Konsumverhalten und der extensiven Nutzung von Ressourcen. Entwicklungen zur De-Globalisierung verändern derzeit dieses System. Die Wirkungszusammenhänge sind hochkomplex und jenseits der analytischen Möglichkeiten eines Unternehmens, obwohl die Auswirkungen auf die Lieferketten – global oder lokal – für jeden sehr rasch spürbar sind. Vieles scheint mir persönlich dabei verhaltensgesteuert vom Konsumierenden und damit den Einwirkungen des sozialen Umfelds und der Medien resp. sozialen Netzwerke unterworfen. Ungeachtet, ob man die jeweiligen Veränderungen nun als gut oder schlecht beurteilt, beeinflussen diese das Konsumverhalten und damit die Lieferketten und damit unsere Leistungserbringung. In diesem Bereich schuldet uns die Wissenschaft anwendbare Theorien und Modelle, jenseits der bekannten Erkenntnisse der Spieltheorie zu den Vorteilen des freien (Welt)Handels und dem menschlichen Konsumverhalten. In diesem Bereich wünsche ich mir neue Erkenntnisse auch unter Berücksichtigung der (De-)Regulierungsabsichten und dem politischen Trend der Lokalisierung resp. Nationalisierung von Produktionen. Als CFO ist man im Unternehmen ja primäre Anlaufstelle für Fragen der Makro- und Mikroökonomie, daher wünschte ich mir in diesem Bereich mehr Forschungsinitiativen.

Welches Fachwissen für Tätigkeiten im Finanzwesen müssen sich die Studierenden von heute für den Arbeitsalltag von morgen aneignen?

Die Grundlagen des Finanz- und Rechnungswesens bleiben ein unverzichtbarer Bestandteil des Basiswissens, auch wenn mir bewusst ist, dass ein Grossteil dieser Funktionen bereits heute und sicher in der Zukunft automatisiert sein werden. Hier sehe ich z.B. auf dem letzten Teil der Strecke zum vollautonomen Berichtswesen valide Anwendungen von künstlicher Intelligenz (KI). In den Spezialbereichen werden Expert:innen weiterhin ihre wichtigen Funktionen ausüben, wobei ich eine Einengung der Bereiche sehe, in denen Personen ihre Expertise einbringen können. Neben den standardisierten Aufgaben wird dieses Fachwissen von den CFOs in Zukunft bedarfsgerecht eingekauft werden. Jetzt stellt sich also tatsächlich die Frage: Was soll der Mitarbeitende des Finanzwesens lernen? Die Antwort ist so ambivalent wie einfach: Geschäftsmodelle und Vorgänge verstehen, in Finanztransaktionen überleiten und mit permanenter Veränderung der Rahmenbedingungen umgehen können. Zusätzlich muss er ein adäquates Arbeitsumfeld schaffen und Personen identifizieren und weiterentwickeln, die diese Qualitäten mitbringen.

Wie werden sich die Aufgaben eines CFOs aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren verändern?

Lassen Sie mich mit einer Metapher antworten: Der CFO der nächsten Jahre und Jahrzehnte wird mit Daten- und Informationsmengen zu arbeiten haben, die die Grösse der Rinderherde des Helios noch übersteigen. Zu einer Lösung (eine Zahl mit über zweihunderttausend Stellen) des Problems, welches dem Archimedes zugeschrieben wird, brauchte die Menschheit hunderte Jahre. Der CFO der Zukunft wird sich eine andere Frage stellen müssen: Wenn der Gott Helios schon so viele Rinder hatte, war es dann wirklich die richtige Entscheidung, die Gefährten des Odysseus zu töten, nur weil sie ein paar wenige geschlachtet haben?

Bereits nach seinem Studium an der Wirtschaftsuniversität in Wien beginnt Markus Blanka-Graff 1996 seine berufliche Laufbahn bei der Kühne + Nagel Landesgesellschaft in Wien. Seit 2014 ist er Chief Financial Officer und Mitglied der Geschäftsleitung der Kühne + Nagel Gruppe. Zuvor hatte er verschiedene Positionen im Finanzbereich in Asien, Europa und Nordamerika, u.a. als Director Corporate Finance and Investor Relations und als Regional CFO North West Europe in dem Logistikkonzern inne. Markus Blanka-Graff ist zudem im Fachbeirat des Instituts für Financial Management der ZHAW School of Management and Law.