Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Klinische Fachspezialisten erobern ambulanten Bereich

Ob Krankenwagen, Kardiologie-Ambulatorium oder Militär – sie alle haben den Wert von Gesundheitsfachpersonen mit erweiterten Kompetenzen erkannt. Mit dem neu gegründeten Berufsverband und der Weiterbildung an der ZHAW hat sich das Berufsbild der Physician Associates / Klinischen Fachspezialisten weiter etabliert, wie sich an einem Anlass an der ZHAW gezeigt hat.

Seit gut acht Jahren gibt es in der Schweiz sogenannte Klinische Fachspezialistinnen und –spezialisten. Die gelernten Gesundheitsfachpersonen, die nun auch bis anhin Ärztinnen und Ärzten vorbehaltene Aufgaben übernehmen, wurden erstmals am Kantonsspital Winterthur eingesetzt. Mittlerweile ist die neue Berufsgruppe in immer mehr Spitälern und vermehrt auch im ambulanten Bereich anzutreffen. Eine Übersicht über den Stand der Entwicklung ermöglichte letzte Woche ein gut besuchtes Symposium am Departement Gesundheit.

Weniger Fahrten mit dem Rettungswagen

So will zum Beispiel die Organisation Schutz & Rettung Zürich durch den Einsatz präklinischer Fachspezialisten die Anzahl unnötiger Ambulanz-Fahrten reduzieren. «Mit mehr Knowhow vor Ort könnten wir wohl ein Drittel der Hospitalisierungen vermeiden», führte Ausbildungsleiterin Flavia Bütler aus. Zwei Sanitäts-Mitarbeitende bilden sich zurzeit entsprechend weiter. Auch die Organisation Aprioris, die niederschwellige Erstanlaufstelle im Umfeld von Apotheken betreibt, hat das Potenzial erkannt, ebenso wie das Kantonsspital St. Gallen, wo die Klinische Fachspezialistin Jasmin Schaffer seit einem halben Jahr für Patientinnen und Patienten mit ambulanten Herzkatheter-Untersuchungen zuständig ist. «Wir hatten Angst, die Patientenzufriedenheit würde sinken», gestand Kardiologe Joannis Chronis. «Doch nach einem halben Jahr können wir sagen: Das Gegenteil ist der Fall. Wir sehen nur Vorteile.» Jasmin Schaffer sei auch präsent, wenn die Ärzte mit einem Notfall beschäftigt sind und sorge damit für Konstanz. Sie klärt die Patienten über den Eingriff auf und übernimmt Aufgaben wie das Erstellen der Anamnese, das Erheben des Körperstatus sowie das Anordnen und Auswerten von Laborwerten und EKG – bei Bedarf in Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin.

Pflegefachfrau ergriff Initiative

In den meisten Fällen kommt die Initiative für den Einsatz des neuartigen Fachpersonals von ärztlicher Seite, weil man sich davon Entlastung verspricht. Auf der Kardiologie des USZ hingegen war es eine Pflegefachfrau, welche die Idee ins Spiel brachte: «Ich bin auf den Oberarzt zugegangen, weil ich mich weiterbilden wollte, und habe offene Türen eingerannt», sagt Grace Keller. Doch damit sie die eigentlich ärztlichen Aufgaben wahrnehmen konnte, habe sie immer wieder kämpfen müssen. «Es braucht Durchhaltewillen», hat Keller erkannt. «Etwas Frust gehört dazu.»

Rekruten behandeln

Ein weiterer Bereich, der Bedarf für Physician Associates / Klinische Fachspezialisten angemeldet hat, ist das Militär. Sowohl beim Rekrutieren von Soldaten als auch in der medizinischen Grundversorgung könnten die Pflegefachpersonen mit erweiterten Kompetenzen Entlastung bringen, erklärte Militärarzt Peter Florek. «Die Konsultationen und Behandlungen von Armee-Angehörigen nehmen zu.» Bedingung für den Job sei, eine Affinität für junge Menschen sowie das militärische Umfeld.

Genf macht Studie

Während sich das neue Berufsbild in der Deutschschweiz kontinuierlich ausbreitet, ist es in der Romandie und im Tessin noch wenig angekommen. Erste Erfahrungen macht nun jedoch das Universitätsspital Genf, wo auf der Viszeralchirurgie ein zweijähriges Pilotprojekt lanciert wurde mit einstweilen drei Physician Assistants / Assistants Clinique – wie Klinische Fachspezialisten im internationalen Umfeld oft genannt werden. Heute wird eher von Physician Associates gesprochen, um die partnerschaftliche Rolle mit dem Arzt / der Ärztin zu betonen. Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet: Assistants Clinique und Assistenzärzte werden monatlich zu ihrer Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Vertrauen befragt. Gemäss Projektleiter François Vermeulen fielen die ersten Resultate mehrheitlich positiv aus.

Grosse Nachfrage bei Weiterbildung

Auch die Weiterbildung für Klinische Fachspezialisten, welche die ZHAW als einzige Hochschule anbietet, wird stetig ausgebaut. Nachdem 2017 das erste CAS eingeführt wurde, gibt es mittlerweile einen MAS mit zwei weiteren CAS. «Wir stellten einen grossen Bedarf nach mehr klinischen Skills fest, etwa im Bereich klinisches Assessment und Labordiagnostik», erklärt MAS-Leiterin Anita Manser. Mit jährlich 24 bis 48 Teilnehmenden haben die Weiterbildung insgesamt bereits rund 200 Personen abgeschlossen. Bezogen auf die nächsten 10 Jahre schätzt Departementsdirektor Andreas Gerber-Grote den Bedarf auf bis zu 1000 Personen ein.

Verband soll Position festigen

Ein Höhepunkt des Anlasses war die Gründung des neuen Berufsverbands Physician Associates Switzerland (PAS / physician-associates.ch). «Wir haben uns vor zwei Jahren im CAS kennengelernt», erzählte Präsidentin Kristina Pranjic strahlend. «Damals haben wir erkannt, dass wir für unsere Position kämpfen und eine gemeinsame Berufsidentität finden müssen.» Der Verband will sich für günstige Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen einsetzen und auch auf politischer Ebene einbringen. Pranjic dankte unter anderem dem ärztlichen Berufsverband FMH für die Unterstützung. Trotz anfänglicher Zurückhaltung hat die FMH unterdessen ein spezielles Büro für die Entwicklung des Berufsbildes eingerichtet und mit Sonia Barbosa besetzt. Philippe Eggimann vom FMH-Zentralvorstand sicherte dem neuen Verband weitere Unterstützung zu. Und Markus Wepf, Departementsmanager Chirurgie am KSW, gab dem Vorstand den Rat mit auf den Weg, sich nicht in standespolitischen Diskussionen zu verlieren. «Seit politisch, aber wenn nötig auch zurückhaltend. Das war von Anfang an das Rezept.»

Einfach machen statt reden

Im anschliessenden Podium wünschte sich Fabian Hauswirth, Chefarzt am Spital Thurgau, das Berufsbild möge bekannter werden. Es sei ein Problem, wenn Ärzte von anderen Kliniken anrufen und den Stationsarzt verlangen, weil sie nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Dass rundum immer noch viel Erklärungsbedarf besteht, bestätigte auch Stefan Breitenstein, Direktor des Departements Chirurgie am KSW und sozusagen Initiator der Funktion Klinische Fachspezialisten. Er empfahl: «Nicht zu viel reden und über juristische Unsicherheiten nachdenken, sondern einfach machen und weiterentwickeln.»