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Gleichberechtigte Mobilität dank ÖV-ergänzender Fahrdienste?

ÖV-ergänzende Fahrdienste sind für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wichtig. Dennoch ist das Angebot für die Betroffenen oft begrenzt und teuer. Dieses Projekt erfasst die Erfahrungen von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen mit dem Zweck, Grundlagen für die Verbesserung ÖV-ergänzender Angebote zu schaffen.

Ausgangslage

Viele Menschen in der Schweiz können den öffentlichen Verkehr (ÖV) nicht oder nur beschränkt nutzen, zum Beispiel weil sie eine Geh- oder Sehbehinderung haben. Um dennoch am öffentlichen Leben teilzuhaben, sind die Betroffenen auf ÖV-ergänzende Fahrdienste angewiesen. Verschiedene Versicherungen zum Beispiel die Krankenkassen, Invalidenversicherung (IV) und Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) beteiligen sich teilweise an den Fahrkosten. Ebenso finanzieren Stiftungen im Auftrag einzelner Kantone Fahrdienste mit. Allerdings sind die Zuständigkeiten dieser Kostenträger oft nicht geklärt und die Leistungen zweckgebunden sowie begrenzt, so etwa auf eine bestimmte Anzahl Fahrten pro Monat. 
 
Wie die Betroffenen diese Einschränkungen erleben und wie sich diese auf ihre Möglichkeiten zu arbeiten oder sozialen Aktivitäten nachzugehen auswirkt, ist bisher wenig bekannt. Die Betroffenensicht ist jedoch relevant, unter anderem auch, da die Schweiz im Rahmen der UNO-Behindertenrechtskonvention sowie des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) verpflichtet ist, die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen zu erleichtern. 

Zielsetzung

Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, die Sicht von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu erheben, hinsichtlich 

  • ihres Bedarfs und der Nutzung ÖV-ergänzender Fahrdienste, 
  • der Auswirkungen der Transportmöglichkeiten auf ihren Alltag.

Die Erkenntnisse sollen dabei helfen, Angebote für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu verbessern und ihre Partizipation zu vereinfachen.

Methode und Vorgehen

Das Projektteam erfasst die Sicht von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aus verschiedenen Perspektiven und mit mehreren Methoden. Als erstes wurden Erfahrungen der Betroffenen in Gruppendiskussionen qualitativ erhoben. Die Erkenntnisse dienen als Grundlage für eine gross angelegte quantitative Befragung in der deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Gleichzeitig erstellt das Forschungsteam eine Übersicht über die gesetzlichen Grundlagen der ÖV-ergänzenden Mobilität in der Schweiz. Basierend auf dieser Übersicht sowie den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen Erhebung entwickeln die Forschenden Handlungsempfehlungen und beziehen dabei relevante Stakeholder mit ein.  

Projektstand

Im Sommer 2021 nahmen 31 Personen an 5 Gruppendiskussionen teil. Die Resultate zeigten zum einen, dass die Teilnehmenden die Fahrdienste zu unterschiedlichen Zwecken nutzen. So etwa für Arzt- und Therapiebesuche, um einzukaufen, für Freizeitaktivitäten und, um zu arbeiten. Auch beanspruchen die Teilnehmenden die Fahrdienste unterschiedlich häufig. Während einige Teilnehmende auf alternative Transportdienste etwa durch Angehörige zurückgreifen können, sind ÖV-ergänzende Fahrdienste für andere die einzige Transportmöglichkeit. Folglich wirken sich gerade für diese Personen die hohen Preise, fehlende Verfügbarkeiten und ungenügende überkantonale Koordination der Fahrdienste einschränkend auf ihren Alltag aus. Nichtsdestotrotz schätzen alle Fokusgruppen-Teilnehmenden den Service der Fahrdienste. Dabei erwähnten sie speziell die persönliche Betreuung von Fahrer/-innen und die Verlässlichkeit der Fahrdienste. 

Basierend auf den Erkenntnissen erfolgte im Frühling und Sommer 2022 eine schweizweite Umfrage, an der 536 Menschen mit Mobilitätseinschränkungen teilnahmen. Die Resultate werden aktuell ausgewertet. 

Im Herbst 2022 finalisierte das Forschungsteam zudem eine Übersicht über gesetzliche Voraussetzungen für die  Mobilität von Menschen, die den ÖV nicht oder nur mit Einschränkungen nutzen können. Dabei zeigte sich, dass es Klärungsbedarf bezüglich der rechtlichen Verortung der Fahrdienste gibt und die heutige Zuständigkeit der Kantone nicht zu einem befriedigenden und Behindertenrechtskonventions-konformen Ergebnis führt. So ist etwa die Finanzierungszuständigkeit unklar: Teilweise erfolgt diese über die Sozialversicherungen, teilweise über die Kantone und ist in der Folge lückenhaft und unübersichtlich. Zudem werden die Fahrdienste im Behindertengesetz nicht erwähnt. In der Folge kommt es zu Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen im Verhältnis zu Personen ohne Behinderungen, aber auch im Verhältnis von Menschen mit Behinderungen untereinander. 

Aufbauend auf den Ergebnissen entwickelte das Forschungsteam Handlungsempfehlungen. Diese wurden Anfang 2023 in Workshops verschiedenen Anspruchsgruppen – wie etwa Betroffenen und Politiker:innen – zur Diskussion vorgelegt und anschliessend überarbeitet. Die Workshops fanden an zwei ausgewählten Regionen der Schweiz statt. Ziel ist, das Projekt im Sommer 2023 abzuschliessen und die Ergebnisse in einem Abschlussbericht zu präsentieren.

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