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«Die Physician Associates sind eine Win-Win-Situation»

Am 24. Juni wird der Berufsverband Physician Associate Switzerland PAS gegründet. Wo steht der neue Beruf Physician Associate heute, 5 Jahre nach der Einführung der ersten Weiterbildung in der Schweiz? Anita Manser, Leiterin der Weiterbildung am ZHAW-Institut für Public Health, gibt Auskunft.

Frau Manser, was beinhaltet der Beruf der Physician Associates?

Anita Manser: Es sind erfahrene Gesundheitsfachleute, darunter Pflegende, Physiotherapeutinnen, Fachpersonen Operationstechnik oder Rettungssanitäter, die dem Ärzteteam zugeordnet sind und dort medizinische Aufgaben in Delegation übernehmen. Angefangen hat diese Praxis in der Chirurgie, wo Physician Associates Tätigkeiten von Assistenzärzten übernommen haben, zum Beispiel Eintrittsuntersuchungen oder Visiten auf den Abteilungen. Sie notieren aber auch Verordnungen, schreiben Arztberichte und bereiten die Austrittspapiere vor. Heute tragen die Physician Associates insbesondere auch dazu bei, die Kontinuität der Versorgung von Patienten:innen zu gewährleisten.

Was heisst das konkret?

Assistenzärzte:innen wechseln oft die Abteilungen. Die Physician Associates hingegen bleiben meist über einen längeren Zeitraum auf derselben Abteilung beschäftigt, sie kennen also die dortige Situation, die üblichen Abläufe und Behandlungsstandards sehr gut. Deshalb sind sie wichtige Ansprechpartner, wenn es um die optimale Behandlung und den direkten Austausch mit den Patienten:innen geht. Sie sind aber auch für die Pflege und das weitere interprofessionelle Team ein Gewinn, weil diese immer eine Ansprechperson bei medizinischen Fragen haben.

Seit fünf Jahren bietet die ZHAW als einzige Schweizer Fachhochschule einen CAS für Klinische Fachspezialisten an, seit zwei Jahren sogar den MAS Physician Associates Skills. Wie kommt die Ausbildung an?

An der ZHAW haben wir in den letzten fünf Jahren rund 200 Klinische Fachspezialist:innen ausgebildet. Das ist schon eine beachtliche Zahl, und es freut uns, dass das Berufsbild immer weitere Kreise zieht. Am Anfang war es ein Pilotprojekt der Chirurgie des Kantonsspitals Winterthur, dort hat man die Rolle unter dem Namen «Klinische Fachspezialist:in» erstmals eingeführt. Heute sprechen wir eher von Physician Associates, da sie als Partner mit den Ärzten zusammenarbeiten. Von Winterthur aus hat sich das Modell inzwischen über Zürich, Luzern, die Kantone Aargau und Thurgau bis nach Bern und ins Wallis ausgebreitet. Schweizweit sind heute an rund 50 Standorten Physician Associates beschäftigt und neuerdings auch im ambulanten und präklinischen Bereich tätig. 

Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Es ist eine Bottom-up-Bewegung, die aus der Praxis kommt und von der Ärzteschaft unterstützt und gefördert wird. Das ist zentral, denn Ärzte:innen müssen bereit sein, einige ihrer angestammten Aufgaben partnerschaftlich an andere zu delegieren. Ist diese Einsicht vorhanden, sind die Physician Associates im Grunde eine Win-win-Situation: Ärzte:innen werden entlastet, und Gesundheitsfachpersonen können sich neue ärztliche Aufgabenbereiche erschliessen. In den Niederlanden oder England sind diese Rollen übrigens seit fast zehn Jahren etabliert, in den USA sogar schon seit den 1960ern. In der Schweiz sind die Physician Associates erst auf dem Weg zur breiteren Akzeptanz. 

Wo hapert es noch?

In Deutschland etwa ist Physician Associate eine Bachelorausbildung. Will man die Akzeptanz in der Schweiz erhöhen, wäre es sinnvoll, auch bei uns einen Bachelor einzuführen. Dafür braucht es aber noch Verständnis, was dieser Beruf wirklich leisten und dadurch in der Versorgung gewonnen werden kann. Bisher ist Physician Associate ja erst eine Weiterbildung aufbauend auf einer HF Ausbildung oder einem Bachelor in einem Gesundheitsberuf. Mit einem Bachelor könnte man zudem weitere Berufsgruppen wie medizinische Praxisassistent:innen abholen, die heute eine dreijährige Lehre absolvieren. Mit einer Berufsmatur und einem Bachelor hätten sie als Physician Associates eine tolle Karriereoption.

Lohnt sich die Physician-Associate-Ausbildung auch finanziell?

Im Kantonsspital Winterthur werden Physician Associates wie Bachelorabsolventen:innen eingestuft, schweizweit sind die Löhne jedoch nicht geregelt, dasselbe gilt für die Leistungsvergütungen im ambulanten Bereich. Rechtlich gibt es bei diesem neuen Beruf also noch einiges zu klären.

Am ZHAW-Symposium am 24. Juni wird der Berufsverband Physician Associates Switzerland PAS gegründet. Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Akzeptanz?

Auf jeden Fall. Wichtig auf diesem Weg ist auch die Unterstützung der Ärztegesellschaft FMH. Sie hat erst kürzlich sogar ein sogenanntes Büro für die Physician Associate gegründet, mit der Idee, Ausbildungsstandards zu formulieren und den Austausch zwischen Ärzten:innen und Physician Associates zu fördern. 

Worauf fokussiert das Physician-Associate-Symposium am 24. Juni?

Vor allem auf jene Bereiche, in denen Physician Associates neu eingesetzt werden, etwa im Wochenbett oder im präklinischen Bereich, also dort, wo zum Beispiel Rettungssanitäter:innen zum Zug kommen. In vielen Fällen braucht es nämlich nicht gleich eine Ambulanz. Es ist sinnvoller und auch kostensparender, wenn zuerst erfahrene Physician Associates zu den Patienten:innen nach Hause fahren, dort die Situation klären und erst bei Bedarf die Ambulanz aufbieten. Am Symposium geht es aber auch um rechtliche und versicherungstechnische Fragen. Und auf dem Podium dürfen wir sogar einen Vertreter der Schweizer Armee begrüssen, die sich für das Physician-Associate-Modell ebenfalls interessiert.