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Gesundheit

Hebammen und Ergotherapeutinnen arbeiteten im Lockdown auf Distanz – und oft gratis

Während des Lockdowns hielt ein Grossteil der Schweizer Hebammen sowie Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten die Versorgung über digitale Kanäle aufrecht, wie eine Studie der ZHAW zeigt. Die Mehrheit der Befragten beurteilt die Erfahrung als positiv, bemängelt aber Hürden wie fehlende Krankenkassen-Entschädigungen.

Als die Schweiz zur Bekämpfung der Corona-Pandemie im Frühling 2020 in den Lockdown ging, wirkte sich das auch auf die Arbeit von Hebammen und Ergotherapeutinnen und -therapeuten aus: Aufgrund des Infektionsrisikos und des Besuchsverbots verliessen Wöchnerinnen viel rascher das Spital und ambulante Ergotherapien wurden ausgesetzt. Eine vor Kurzem abgeschlossene interprofessionelle Studie der ZHAW zeigt nun, dass während dieser Phase ein Grossteil der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten sowie Hebammen ihre Klientinnen und Klienten auf Distanz beraten und betreut hat. 80 Prozent der Hebammen sowie rund 68 Prozent der Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten arbeiteten im Lockdown über digitale Kanäle weiter, so das Ergebnis der Studie «Resources and barriers of health care at a distance» der ZHAW-Institute für Ergotherapie und für Hebammen, an der 1269 Fachpersonen aus beiden Professionen teilgenommen haben.

Für Vorbereitungen und Schulungen fehlte die Zeit

Für das Projektteam ist dieser hohe Anteil an Beratung und Betreuung auf Distanz nicht erstaunlich. So seien in beiden Berufen digitale Kanäle wie Mail, Chats und Videotelefonie schon vor der Pandemie zum Einsatz gekommen, sagt Brigitte Gantschnig. Für die Co-Projektleiterin der Studie und Leiterin der Forschungsstelle Ergotherapie an der ZHAW ist es jedoch überraschend, «dass viele Ergotherapeutinnen die Arbeit auf Distanz so positiv beurteilt haben.» Angesichts der fehlenden Vorbereitungszeit und Schulungen für den professionellen Umgang mit digitalen Kanälen habe sie mit einem negativeren Urteil gerechnet. So bewerteten 67 Prozent der Ergotherapeutinnen und -therapeuten die Versorgung auf Distanz als positiv oder mehrheitlich positiv. Bei den Hebammen fiel das Urteil deutlich negativer aus: Knapp 40 Prozent bewerteten die Arbeit über digitale Kanäle als positiv/eher positiv, über 57 Prozent dagegen als negativ oder mehrheitlich negativ. «Die ständige Verfügbarkeit, etwa über WhatsApp, könnte ein Grund für die negativere Beurteilung der Healthcare at Distance durch die Hebammen sein», vermutet Susanne Grylka, Forschungsprojektmitglied und stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Hebammenwissenschaft. Auch die im Vergleich zur Ergotherapie eher kürzeren Beziehungen zu den Klientinnen könnten erklären, weshalb Hebammen digitale Kanäle als weniger geeignet für ihre Arbeit beurteilten, so Grylka.

Auf Distanz ist nicht alles möglich

Für beide Berufsgruppen bot die Versorgung auf Distanz den Vorteil, dass die Beziehungen zu den Klientinnen und Klienten während des Lockdowns aufrechterhalten werden und Konsultationen durchgeführt werden konnten. Auch die Reduktion der unbezahlten Reisezeit und der Arbeitsbelastung – letztere durch die unkompliziertere Bearbeitung einfacher Klientinnenanfragen – wurden als positiv bewertet. Dagegen sahen sich die Gesundheitsfachpersonen nur bedingt in der Lage, komplexe Sachverhalte auf Distanz zu erkennen und zu beurteilen. Ausserdem können, so das Urteil der Studienteilnehmenden, zahlreiche Interventionen und Untersuchungen gar nicht über die digitalen Kanäle durchgeführt werden. Auch die eingeschränkte Kommunikation und damit der beschränkte Beziehungsaufbau wurde bemängelt.

«Viele haben gratis gearbeitet»

Die Studienteilnehmenden äusserten sich auch zur Frage der Rückerstattung durch die Krankenkassen: Lediglich 17 Prozent gaben an, die Kosten vollumfänglich vergütet bekommen zu haben, 56 Prozent erhielten eine Teilvergütung und 12 gaben an, keine Rückerstattung erhalten zu haben. 15 Prozent machten keine Angaben zur Vergütung. «Viele haben gratis gearbeitet, weil sie die Arbeit nicht oder nur teilweise verrechnen konnten», sagt Brigitte Gantschnig. Während des Lockdowns hätten die Krankenkassen die Kosten für gewisse Versorgungsdienstleistungen auf Distanz zwar übernommen – aber nur, wenn diese über bestimmte Kanäle erfolgten. «So wurden in der Ergotherapie zwar Video-Telefonate vergütet, nicht aber normale Telefongespräche.»

Hoher Bedarf an Unterstützung

Die fehlende Vergütung durch die Krankenkassen ist denn auch jener Aspekt der Versorgung über digitale Kanäle, zu dem sich die meisten der befragten Hebammen und Ergotherapeutinnen mehr Informationen und Unterstützung wünschen (rund 71 %). Aber auch zu den gesetzlichen Grundlagen und zum Datenschutz (60,4 %), geeigneten Methoden (34,4 %) und Anwendungen (32,5 %) für die digitale Versorgung oder bezüglich kantonaler und nationaler Verordnungen (32,4 %) äusserten viele Fachpersonen Unterstützungsbedarf. «Soll sich die Versorgung auf Distanz in der Geburtshilfe und der Ergotherapie etablieren, braucht es entsprechende Weiterbildungen», sagt Susanne Grylka. Daneben müsse vor allem die Vergütung durch die Krankenkassen geklärt werden. Klar ist für die Forscherinnen aber auch: «Healthcare at Distance kann die herkömmliche Versorgung durch Ergotherapeutinnen und Hebammen nicht ersetzen. Aber sie kann eine sinnvolle Ergänzung sein.»

Kontakt

Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska, stv. Leiterin Forschungsstelle Ergotherapie, ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 43 84, E-Mail verena.klamroth@zhaw.ch

Dr. Susanne Grylka, stv. Leiterin Forschungsstelle Hebammen, ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 43 77, E-Mail susanne.grylka@zhaw.ch

José Santos, Leiter Kommunikation ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 63 84, E-Mail jose.santos@zhaw.ch