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«Die Teilnehmerinnen schätzen den Austausch mit anderen Schwangeren»

Die ZHAW bietet mit «zäme schwanger» ein neues Modell der Vorsorge für Schwangere an. Ramona Koch, die fachverantwortliche Hebamme, erklärt im Interview, wie dieses Angebot genau funktioniert.

Teilnehmende von "zäme schwanger" diskutieren.

Was genau ist «zäme schwanger»?
Ramona Koch: «zäme schwanger» ist ein Gruppenangebot für Schwangere, das Vorsorge, Geburtsvorbereitung und Austausch kombiniert. In der Schweiz sind für schwangere Frauen sieben Vorsorgeuntersuchungen vorgesehen. Die Schwangeren können auswählen, ob sie diese bei einer Gynäkologin beziehungsweise einem Gynäkologen oder bei einer Hebamme durchführen lassen, möglich ist auch ein Mix. Bei «zäme schwanger» findet ein Grossteil der Vorsorgeuntersuchungen bei Hebammen an der ZHAW statt. Zwei, oder je nach Schwangerschaftsverlauf auch mehr Ultraschalluntersuchungen führt eine Gynäkologin oder ein Gynäkologe durch. Das ist entweder die bereits bekannte Ärztin oder eine leitende Ärztin am Kantonsspital Winterthur. An den Gruppentreffen haben wir pro Termin ausserdem etwa eineinhalb Stunden Zeit, an denen wir uns den Themen widmen, die sich während einer Schwangerschaft ergeben.

Welche Themen sind das?
Es geht um all das Neue, das auf die Frauen zukommt. Wir thematisieren zum Beispiel die körperlichen Veränderungen während der Schwangerschaft. Auch Themen wie Ernährung während der Schwangerschaft, Bewegung, Reisen, Impfen, vorgeburtliche Untersuchungen beim Kind, Vorbereitung auf die Geburt und sogar administrative Dinge, die zu erledigen sind, werden besprochen. Die Frauen können sich an den Treffen zu diesen Themen austauschen und Tipps weitergeben. Zwei Hebammen sind ebenfalls anwesend und teilen ihr Wissen. Je nach Thema sind weitere Fachleute dabei, Gynäkologinnen oder andere Hebammen. Ziel ist, dass die Frauen am Ende ein möglichst umfangreiches Wissen dazu haben, wie sie ihre Schwangerschaft gesund leben können und was sie zu einem guten Verlauf beitragen können. Einen Teil der Untersuchungen machen sie selbst, nämlich die Gewichts-, Urin- und Blutdruckkontrollen. Die Frauen sollen verstehen, welche Parameter kontrolliert werden und woran die Hebammen oder Ärztinnen sehen, ob das Kind gut wächst und ob die Mutter wohlauf ist. Und was normal ist und was nicht. So können die Teilnehmerinnen auch zwischen den Terminen ihren Zustand besser einschätzen.

Bleibt bei einem Gruppenangebot nicht die individuelle Betreuung auf der Strecke? Es geht ja zum Teil um sehr intime Themen.
Es gibt für beides Raum. Die Treffen finden in einer Gruppe von fünf bis acht Schwangeren statt. Zu Beginn hat jede Frau ein paar Minuten einzeln mit der Hebamme Zeit. Dann kann sie Dinge besprechen, über die sie in der Gruppe nicht reden möchte. Aber ein grosser Teil der Fragen betrifft alle genau gleich. Es tut sehr gut zu merken, dass die anderen die gleichen Fragen und Themen haben. So findet auch eine Enttabuisierung statt. Genau das ist das Ziel der Gruppe: Erfahrungen teilen. Aber jede Schwangere entscheidet selbst, wie viel sie teilen will.

Was ist der Unterschied zu einem Geburtsvorbereitungskurs?
Bei Geburtsvorbereitungskursen geht es vor allem um das Thema Geburt. «zäme schwanger» setzt schon viel früher an. Denn sobald eine Frau weiss, dass sie schwanger ist, tauchen ja Fragen auf: Was darf sie essen, was muss sie beachten, und so weiter. Wir nehmen diese Themen auf, die ein Paar am Anfang und in der Mitte der Schwangerschaft beschäftigen. Aber wir machen natürlich auch Geburtsvorbereitung. Es ist ein All-inclusive-Angebot.

Die Schwangeren sollten etwa in der achten Woche mit «zäme schwanger» starten. Zu diesem Zeitpunkt sagen viele Frauen noch nicht einmal dem engsten Umfeld, dass sie schwanger sind.
Ja, aber um eine medizinische Betreuung kümmern sie sich ja trotzdem. Sie möchten sofort Beratung, und einige medizinischen Untersuchungen sind bereits sinnvoll. Am besten melden sich interessierte Frauen direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest bei uns. Zuerst führen wir ein Eins-zu-eins-Gespräch, damit wir herausfinden können, wo die Frau steht, was ihr wichtig ist und wie die medizinische Lage ist. Anschliessend können wir sie in eine Gruppe aufnehmen, und daneben plant sie mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin die Ultraschalluntersuchungen. Falls ein Paar eine Schwangerschaft plant und sich im Voraus über «zäme schwanger» informieren möchte, darf es sich ebenfalls gern melden.

Frauen werden oft über Jahre von der gleichen Gynäkologin oder dem gleichen Gynäkologen behandelt. Warum sollten sie ausgerechnet während der wichtigen Phase der Schwangerschaft die Betreuung wechseln?
Sie müssen die Betreuung nicht wechseln. Die Gynäkologin ist weiterhin involviert für die Ultraschalluntersuchungen. Wir von «zäme schwanger» sind zusätzlich für den Rest der Schwangerenvorsorge da. Wir haben viel Zeit, nämlich zwei Stunden pro Termin. Sollten Komplikationen auftauchen während der Schwangerschaft, die mehr Ultraschalluntersuchungen oder eine engmaschigere medizinische Betreuung erfordern, dann finden diese Kontrollen bei der Gynäkologin statt. Und auch bei komplikationslosen Verläufen sind wir von «zäme schwanger» in Kontakt mit der Ärztin und tauschen Untersuchungsergebnisse aus, damit nichts vergessen geht und nichts doppelt läuft.

Wer übernimmt die Kosten?
Die Kosten der Gruppentreffen werden im Rahmen der Leistungen für Mutterschaft von den Krankenkassen übernommen. Es fallen keine Franchise und kein Selbstbehalt an. Neben den Kosten für die Schwangerenvorsorge wird der Beitrag an einen Geburtsvorbereitungskurs, der aus der Grundversicherung bezahlt wird, ebenfalls der Krankenkasse in Rechnung gestellt. Den Teilnehmenden wird lediglich ein Selbstbehalt von 100 Franken verrechnet. Die Krankenkasse übernimmt ausserdem die Kosten für zwei Ultraschalluntersuchungen bei der Gynäkologin oder dem Gynäkologen.

Sind bei «zäme schwanger» auch die Partner oder Partnerinnen der Schwangeren willkommen?
Ja, bei zwei der sieben Termine sind die Partner und Partnerinnen auch dabei, etwa dann, wenn es um die Schlussphase der Schwangerschaft, die Geburt und die erste Zeit mit dem Baby geht.

Eignet sich «zäme schwanger» auch für Familien, die schon ein Kind haben?
Ja, unbedingt. Die zweite oder dritte Schwangerschaft verläuft nochmals anders, es kommen andere Fragen auf. Diese Familien können genauso viel profitieren.

Wie sieht das Schutzkonzept in der Pandemie aus?
Stand heute, also im Dezember 2021, gilt die 3G-Regel und zusätzlich Maskenpflicht. Wir haben Vorgaben des Bundesamts für Gesundheit zur Raumgrösse oder der Anzahl Personen. Wir halten uns selbstverständlich an die Hygienemassnahmen. Und die Praxisräume sind sehr grosszügig, bieten genug Platz. Es ist für alle klar, dass die Frauen sich und ihr ungeborenes Kind  gut schützen wollen. Doch ich glaube, gerade in der Pandemie schätzen die Familien die Möglichkeit, sich zu treffen. Soziale Kontakte bleiben sonst oft auf der Strecke. Bei «zäme schwanger» haben wir einen sicheren, gut organsierten Rahmen für diesen Austausch.

2021 fand die erste Ausgabe von «zäme schwanger» statt. Welche Rückmeldungen haben Sie von den Teilnehmerinnen bekommen?
Sie fanden «zäme schwanger» sehr positiv. Sie schätzten vor allem den Austausch mit anderen Schwangeren oder werdenden Eltern, die etwas zur gleichen Zeit ein Baby erwarteten. Es war sehr beeindruckend, wie sie sich untereinander unterstützten und weiterhelfen konnten. Sie sind weiterhin in Kontakt, haben einen Chat gegründet und erzählen einander, wie die Babys auf die Welt gekommen sind. Ausserdem haben sie gemäss unserer Auswertung auch die Kombination der ärztlichen Vorsorge und der Inputs der Gynäkologinnen und Hebammen geschätzt. Die haben ja zum Teil eine andere Herangehensweise an Themen. So kommt mehr Wissen zusammen. Auch die werdenden Väter haben die zwei Anlässe, an denen sie teilgenommen haben, sehr geschätzt. Der Rückmeldung zufolge haben ihnen die Informationen und der Austausch geholfen, eine konkretere Vorstellung davon zu bekommen, wie sich eine Geburt abspielt und was ihre Rolle dabei ist, respektive wie sie ihre Partnerinnen während der Geburt unterstützen können. Und auch wie der Alltag mit einem Neugeborenen aussehen kann, was die Herausforderungen sind und was sie während dieser intensiven Anfangszeit für einen gelungenen Start ins Familienleben tun können. Manchmal beschäftigen werdende Mütter und Väter nicht dieselben Fragen und die entspannte, vertraute Atmosphäre ermöglichte Raum für verschiedene Anliegen. Auch hier profitierte die Gruppe sehr vom Austausch.

Ramona Koch

Ramona Koch

Fachverantwortliche Hebamme bei «zäme schwanger» und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Hebammen.

Mehr Informationen

«zäme schwanger» ist ein Angebot des Therapie-, Trainings- und Beratungszentrums Thetriz im Campus des ZHAW-Departements Gesundheit, der sich auf dem Winterthurer Sulzerareal befindet.