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Alltag bewältigen trotz Hör- und Sehbeeinträchtigung

Was hilft Menschen mit gleichzeitiger Hör- und Sehbeeinträchtigung, sich im Alltag zurechtzufinden? Wichtig ist laut einer ZHAW-Studie, dass Betroffene den Mut aufbringen, sich bemerkbar zu machen und über ein Umfeld verfügen, das sich Zeit nimmt.

Älterte Menschen spielen zusammen Karten. Symbolbild, für alte Menschen mit Hör- und Sehbeeinträchtigungen, die trotzdem an gesellschaftlichen Anlässen dabei sein wollen.

Rund eine Million Menschen in der Schweiz hören schlecht. Bei über 70-Jährigen kommt oft auch eine abnehmende Sehkraft hinzu. Dies wirkt sich auf die Alltagsbewältigung, die soziale Einbindung und die Sicherheit der Betroffenen aus. Wenn ältere Menschen zum Beispiel das Fleisch in der Pfanne nicht mehr brutzeln hören, die roten Lichter auf dem Induktionsherd nicht mehr sehen oder aufgrund moderner Technik keine Regulierungsknöpfe mehr ertasten können, ändert sich ihr Koch-, Ess- und Einladungsverhalten.

«In der Pflege werden gerade Hörbeeinträchtigungen zu wenig thematisiert und oft unterschätzt», weiss ZHAW-Pflegewissenschaftlerin Daniela Händler-Schuster. Dabei seien Pflegefachpersonen häufig die erste Ansprechperson für zu Hause lebende Seniorinnen und Senioren. In einer ZHAW-Studie hat sie deshalb untersucht, wie ältere Menschen ihre Hör- und Sehbeeinträchtigung in den Alltag integrieren, um daraus Empfehlungen für die Pflege abzuleiten. Für die von Stiftungen und Pro-Audito-Vereinen finanzierte ZHAW-Studie wurden 46 betroffene Frauen und Männer über 70 Jahre befragt.

Hören bedeutet dazugehören

Eine zentrale Erkenntnis der ZHAW-Studie: Kommunizieren können ist für die Betroffenen entscheidend und beeinflusst, wie gut sie neue Hilfsmittel in ihr Leben integrieren. Die Kommunikation braucht jedoch genügend Zeit. Denn während Hören und Verstehen bei Normalhörenden oft halbbewusst nebenherläuft, erfordert es bei Menschen mit Hörbeeinträchtigung Konzentration und ermüdet. Mühe bei der Verständigung haben die Befragten besonders in Gruppen. Um peinliche Situationen zu vermeiden, verzichten sie auf gesellige Anlässe oder Aktivitäten. «In Gesellschaft fühlen sie sich durch ihr mangelndes Hörvermögen abgekapselt», erläutert Händler-Schuster. «Von einer angeregten Diskussion bleiben oft nur Wortfetzen übrig.»

Problem erkennen und benennen

Meistens sind es Personen aus dem Umfeld, welche die Hörproblematik ansprechen und damit einen Abklärungsprozess ins Rollen bringen. Die Betroffenen selbst merken von der schleichenden Hörverminderung häufig nichts oder wollen sie nicht wahrhaben. Pflegende können hier laut Händler-Schuster eine wichtige Rolle spielen, indem sie Beeinträchtigungen erkennen, erste Hörscreenings durchführen und weitere Abklärungen veranlassen. Gleichzeitig können sie Betroffene und Angehörige sensibilisieren, ihnen Informationen bereitstellen und sie im Veränderungsprozess begleiten. 

Wie weiter nach der Diagnose?

Nach der Diagnose setzten sich die Betroffenen typischerweise mit Folgen im Alltag, in der Beziehung und im Sozialleben auseinander. Abhängigkeitsgefühle und Angst vor einer weiteren Verschlechterung wechseln sich dabei ab mit der Hoffnung, das alte Hörvermögen wiederzuerlangen. Schliesslich integrieren die Betroffenen ihre neue Hörrealität in den Alltag. Dies gelingt, wenn sie den Herausforderungen mit neuen Strategien und Hilfsmitteln aktiv begegnen. «Vor dem Theaterbesuch lesen sie zum Beispiel das Stück, an einem Vortrag bitten sie den Redner, ein Mikrofon zu nutzen, und in einer Diskussion geben sie das Gesprächsthema auch mal selbst vor, um sich zu beteiligen», so die ZHAW-Pflegewissenschaftlerin.

Ressourcen stärken und Hemmnisse überwinden

Wesentlich ist im Veränderungsprozess die Unterstützung von Familienangehörigen und Gleichgesinnten. Vor allem aber braucht es Mut, sich zu exponieren und für seine Bedürfnisse einzustehen. Schwieriger fällt dies Personen, die Angst und wenig Selbstvertrauen haben, an Mehrfacherkrankungen leiden oder Krisen durchleben – ausgelöst etwa durch den Tod des Partners. Auch hier sieht Händler-Schuster Potenzial bei den Pflegefachpersonen: «Sie können die Betroffenen stärken, indem sie ihnen helfen, eine stabile Lebenssituation zu schaffen, soziale Netzwerke auszubauen oder an Aktivitäten teilzunehmen.»

Kontakt

Prof. Dr. Daniela Händler-Schuster, ZHAW-Departement Gesundheit, Institut für Pflege, Telefon +41 (0)58 934 65 34, E-Mail daniela.haendler-schuster@zhaw.ch  

Rita Ziegler, Stv. Leiterin Kommunikation ZHAW-Departement Gesundheit, Telefon +41 (0)58 934 65 28, E-Mail rita.ziegler@zhaw.ch