Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Vom Hörsaal ins Alterszentrum

Klinische Assessments helfen dabei, den Gesundheitszustand, die Mobilität und die kognitiven Fähigkeiten eines älteren Menschen einzuschätzen. Studierende des Studiengangs Master of Science in Pflege der ZHAW haben klinische Untersuchungen und Tests kürzlich an einem Praxistag im Alterszentrum Adlergarten in Winterthur und im Pflegezentrum Käferberg in Zürich geübt.

Rapport im Stationszimmer. «Frau Moser (Name geändert), Jahrgang 1931, ist nach einer Oberschenkelhalsfraktur ins Alterszentrum eingetreten ‒ sie hat Schmerzen im rechten Knie ‒ dass sie aktuell nicht mehr nach Hause kann, belastet sie stark.» Eine Studentin der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) beschreibt dem Pflegeteam detailliert, wie es der 88-jährigen Dame aus Zimmer 21 geht. Sie berichtet, dass Frau Moser seit dem Eintritt deutlich abgenommen hat, sie leicht sturzgefährdet ist und einige ihrer Zehen zyanotisch sind.

«Sie sind blau verfärbt», erklärt sie, als eine Assistentin Gesundheit und Soziales des Alterszentrums Adlergarten nachfragt. «Die Ursache dafür sollte man genauer abklären.» Sie empfiehlt zudem, den Blutdruck und das Gewicht regelmässiger zu messen und die Bewohnerin nach einer Patientenverfügung zu fragen. Dies, solange ihre kognitiven Fähigkeiten noch so gut seien, wie es der «Uhrentest» zur Einschätzung kognitiver Fähigkeiten gezeigt habe. «Sie hat ziemlich sicher eine Verfügung», sagt Wohngruppenleiterin Karin Lingg. Frau Moser sei häufig mit ihrem Laptop anzutreffen. Sie kenne sich mit solchen Sachen gut aus. «Frau Moser aktualisiert ihre Patientenverfügung jedes Jahr», trägt Rolf Hedinger später nach. Der Bildungsverantwortliche vom Team Aus- und Weiterbildung bei Alter und Pflege Stadt Winterthur begleitet den Praxistag mit der ZHAW, an dem der Bereich Alter und Pflege zum vierten Mal mitwirkt.

Auswertungen fliessen ein

«Die Beobachtungen und Empfehlungen der Studierenden sind für uns sehr wertvoll», sagt Hedinger. «Wir nehmen sie in unsere Pflege und Betreuung mit.» Von einem spannenden Austausch berichtet auch Astrid Fredericq, Leiterin Aus- und Weiterbildung Alter und Pflege Stadt Winterthur. Die Studierenden gingen äusserst akribisch und professionell vor. «Ihre Auswertungen regen uns an und fliessen in unsere Pflegepraxis ein.» Körperliche Untersuchungen zählten bislang nicht zu den Aufgaben der Langzeitpflege, sagt sie. An einem solchen Praxistag werde jedoch deutlich, wie hilfreich sie seien. «Wir tragen mit solchen Angeboten zur Pflegeentwicklung bei.»

Ein attraktiver Arbeitbereich

In der Langzeitpflege gebe es viele interessante Berufsfelder, sagt Fredericq weiter. Hier seien andere Kompetenzen gefragt als im Akutbereich, man arbeite selbstständiger und sei näher bei den Bewohnerinnen und Bewohnern. Veronika Waldboth, Leiterin Entwicklung und Pädagogik Master of Science in Pflege am ZHAW-Departement Gesundheit, pflichtet ihr bei und spricht von guten Karriereperspektiven. «Der Praxistag trägt unter anderem dazu bei, dies den Studierenden bewusst zu machen.»

Andreas Bolliger, Pflegeexperte am Pflegezentrum Käferberg, einem Pflegezentrum der Stadt Zürich, ist es ein zentrales Anliegen, dass die Langzeitpflege als attraktiver Arbeitsbereich wahrgenommen wird. «Die Studierenden haben unser Berufsfeld als herausfordernd und komplex erlebt», berichtet er erfreut. Das Pflegezentrum Käferberg hat sich zum ersten Mal an diesem Ausbildungstag engagiert. Bolliger spricht von einem Erfolg. Die Studierenden hätten einen praktischen Einblick erhalten, das Personal profitiere von ihrer Aussensicht. «Wir haben zugesagt, dass wir wieder teilnehmen möchten.» Das Ziel sei, dass beide Seiten profitierten, sagt Maria Schubert, Co-Leiterin Forschungsstelle Pflegewissenschaft und MSc Pflege. «Die Praxispartner investieren viel und sollen auch einen Nutzen von dem Praxistag haben.» Das Institut für Pflege arbeite mit verschiedenen Betrieben zusammen, mit denen teilweise bereits andere Kooperationen bestünden. «Es sind alles Zentren, welche sich für die Pflegeentwicklung einsetzen.»

Unter den ZHAW-Studierenden habe es einige, die bisher wenig bis nie mit älteren Menschen gearbeitet hätten, sagt Anita Keller-Senn, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Pflegewissenschaft. «Dennoch haben sie das Vertrauen der Bewohnerinnen und Bewohner schnell gewonnen.» Man merke, dass alle schon gut ausgebildet und berufserfahren seien. «Der Tag ist anspruchsvoll», sagt die ZHAW-Dozentin weiter. «Wir wollen die Studierenden dazu anregen, ganzheitlich und vernetzt zu denken. Was sie theoretisch gelernt haben, müssen sie in einer begrenzten Zeit in der Praxis anwenden.»

Jede Untersuchung verläuft anders

Die Studierenden schätzen diesen Praxisbezug. Sonst übten sie an gesunden Menschen, stellen sie am späteren Nachmittag in der Schlussrunde fest. Auf eine Frage erhielten sie eine passende Antwort. Im Berufsalltag müsse man sich hingegen dem Zustand des Patienten anpassen. «Ich habe die gleiche Frage drei Mal anders gestellt und doch nicht erfahren, was ich wissen wollte», berichtet eine Studentin. Die vorgesehenen Assessments bei Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohnern komplett durchzuführen sei eine Herausforderung, ergänzt eine Kollegin. «Eine Untersuchung verläuft mit jeder Person anders.»

Frau Moser sitzt inzwischen in der Cafeteria. Die Studierenden hätten ihr zu Beginn zu wenig genau erklärt, was sie machen müsse, erzählt sie. «Wir haben uns dann aber schnell und gut verstanden.»

Weitere Informationen zum Master of Science in Pflege

Bericht Praxistag(PDF 476,2 KB)