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«Selbstmanagement ist ein Prozess»

Nachhaltigkeit in der Pflege bedeutet auch, Patient:innen zu schulen, mit ihrer Krankheit umzugehen und Symptome frühzeitig zu erkennen. Die Advanced Practice Nurse Gabriela Schmid-Mohler hat ein Programm für Menschen mit der Lungenkrankheit COPD entwickelt. Im Interview erzählt sie, wie Selbstmanagement helfen kann.

Frau Schmid-Mohler, Sie bieten am Universitätsspital Zürich eine Sprechstunde an für Menschen mit der Lungenkrankheit COPD. Was ist der Unterschied zwischen einer pflegegeleiteten Sprechstunde und einer Sprechstunde bei der Ärztin?

Ärzt:innen legen ihren Fokus auf Diagnostik und Therapie. Ihre Zeit pro Patient:in ist begrenzt. In der pflegegeleiteten Sprechstunde hingegen steht im Zentrum, wie Betroffene die ärztlichen Empfehlungen in ihrem Alltag umsetzen können. Wie müssen sie zum Beispiel mit der Atemnot beim Treppensteigen umgehen? Bei welchen Symptomen ist ein Eintritt ins Spital angezeigt?

Was heisst Selbstmanagement konkret?

Bei mir lernen Betroffene, die Symptome ihrer Krankheit zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Exazerbationen, die auch als Lungenattacken bezeichnet werden, sind akute Schübe, bei denen sich die Symptome wie Atemnot, Husten oder Auswurf des Patienten rasch verschlimmern. Das kann für die Erkrankten sehr bedrohlich sein. Selbstmanagement zielt darauf ab, dass die Betroffenen frühzeitig reagieren und so eine Eskalation verhindern können. Denn durch eine gute Schulung kann in vielen Fällen eine Lungenattacke verhindert und so auch ein Spitaleintritt vermieden werden.

Wie läuft ein typisches Beratungsgespräch ab?

Chronische COPD-Patient:innen haben gute und schlechte Tage, solche an denen die Atemnot stärker oder weniger stark ausgeprägt ist. Ich fordere sie deshalb auf, gut zu beobachten. Ist die Atemnot schlimmer als anderen schlechten Tagen? Wann ist es angezeigt, zum Hausarzt zu gehen? Denn genaues Beobachten ist sehr wichtig. COPD-Patient:innen haben meistens mehrere Erkrankungen, viele leiden auch an einer Herzschwäche. Diese kann auch Ursache für Atemnot sein. Falls Betroffene das falsch einschätzen und behandeln, kann es kritisch werden.

Wie kann die Lebensqualität von Menschen mit COPD verbessert werden?

Die wissenschaftliche Evidenz zeigt, dass sich eine Lebensstilveränderung positiv auf die Krankheit auswirkt. Das heisst, viel Bewegung und ein Rauchstopp. Viele COPD-Betroffene rauchen oder haben geraucht. Aber nicht alle. An COPD können auch Menschen erkranken, die bei ihrer Arbeit in der Landwirtschaft oder in der Industrie über längere Zeit ungeschützt Staub ausgesetzt sind oder Schadstoffe einatmen.

Verhaltensänderungen sind aber sehr schwierig umzusetzen.

Darum ist es mir wichtig, dass ich eine gute Beziehung zu den Betroffenen aufbaue. Ich möchte ihnen Mut machen, sie motivieren und ihnen Zuversicht geben. Eine vertrauensvolle Beziehung macht es möglich, dass ich auch herausfordernde Themen wie Rauchstopp ansprechen kann.

«Mit dem Rauchen aufzuhören, ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft», soll der Autor Mark Twain gesagt haben. Wie gelingt es Ihnen, die Patient:innen trotzdem dazu zu motivieren?

Rauchen ist eine Sucht, die eine Bedeutung für den Patienten hat. Als Advanced Practice Nurse ist es für mich wichtig, die Hintergründe zu verstehen, damit ich die Betroffenen möglichst gut unterstützen kann. Denn viele Patient:innen müssen eine schwierige Entscheidung treffen: Sie rauchen gerne und gleichzeitig leiden sie unter Atemnot, die sehr belastend ist. Da unterstützte ich sie dabei, sich zu entscheiden. Mit dem Rauchen aufzuhören, ist eine grosse Aufgabe - dies über längere Zeit durchzuziehen, ist noch viel schwieriger. Selbstmanagement ist also keine einmalige Sache, sondern ein Prozess. Und nicht immer gelingt es. Ich habe auch schon Patient:innen begleitet, die weiterrauchten oder rauchend gestorben sind. 

Wie lange begleiten Sie die Patient:innen?

Wir haben Erkrankte, die nach zwei oder drei Sitzungen das nötige Rüstzeug haben. Andere begleiten wir zum Teil über Monate. Wie gesagt: Verhaltensänderungen brauchen eben Zeit.

Was sind Schwierigkeiten von pflegegeleiteten Sprechstunden?

Selbstmanagementprogramme stellen hohe Anforderungen an die Ausbildung von Advanced Practice Nurses. Bis jetzt ist dieses Modell in der Schweiz noch wenig bekannt, die Strukturen dazu sind noch nicht gefestigt. Darum ist die Finanzierung oft schwierig. Zudem hat in einem Akutspital die Versorgung von chronisch kranken Menschen oft weniger Priorität.