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«Am Anfang hatte ich Angst»

Jacqueline Walker studiert im vierten Semester Pflege am Departement Gesundheit der ZHAW. In ihrem zweiten Praktikum am Spital Männedorf pflegt die 21-Jährige seit Mitte März Patientinnen und Patienten mit Covid-19. Eine Erfahrung, die sie nicht missen möchte.

Jacqueline Walker, Sie arbeiten im Rahmen Ihres Praktikums seit Mitte März auf der Corona-Isolierstation am Spital Männedorf. Wie erleben Sie die Arbeit dort?

Ich hatte zunächst grossen Respekt, da niemand wusste, was auf uns zukommen wird. Wir haben mit einer grossen Anzahl an Covid-19-Fällen gerechnet, was in dem befürchteten Ausmass zum Glück nicht eingetreten ist. Speziell an der Station ist die absolute Isolation der Patienten in Kombination mit dem Besuchsverbot im Spital. Die Patientinnen und Patienten sind völlig von der Aussenwelt abgeschnitten, teilweise bis zu drei Wochen lang. Das hat bei mir ein besonders starkes Gefühl der Verpflichtung ausgelöst, mich um sie zu kümmern. Auch in sozialer Hinsicht: Wegen des Besuchsverbots haben die Patienten einen grösseren Redebedarf, den wir Pflegefachkräfte abdecken. Man wird für die Betroffenen zu einer wichtigen Bezugsperson.

Was sind denn die grössten Herausforderungen bei der Arbeit mit Covid-19-Patienten?

Die Ungewissheit im Umgang mit der Krankheit war zu Beginn eine der grössten Belastungen. Wir wussten wenig über Covid-19 und welche Massnahmen für die Behandlung ausreichend sind, vieles war in den ersten Tagen unklar. Ich musste zunächst auch ein Bewusstsein dafür entwickeln, beim Betreten der Isolierzimmer immer alles mitzunehmen, was ich für die Arbeit benötige. Man sollte diese Zimmer ja nicht ständig betreten und wieder verlassen. Ebenfalls schwierig ist das ständige Tragen der Schutzmasken. Nach einer achtstündigen Schicht habe ich häufig Kopfschmerzen.

Wurden Sie für die Arbeit auf der Covid-19-Station speziell geschult?

Ja, wir hatten vor Inbetriebnahme der Isolierstation eine Schulung zur korrekten Verwendung des Isolationsmaterials, also der Schutzkleidung wie Mundschutz, Mantel und Handschuhe. Ausserdem erhielten wir von einem Arzt eine kurze Weiterbildung über die Krankheit, ihren Verlauf und ihre Behandlung. Ansonsten unterscheidet sich die Pflegearbeit auf der Isolierstation nicht gross von jener auf einer gewöhnlichen Station. Zu Beginn mussten wir allerdings Aufgaben der Hotellerie und der Reinigung übernehmen, da das entsprechende Personal keinen Zutritt zu den Isolierzimmern hatte.

Welche Gefühle löste die Arbeit auf der Covid19-Station bei Ihnen aus?

Am Anfang hatte ich Angst, dass ich mich anstecken könnte. In den Medien wurde viel über die Zustände etwa in China oder Italien berichtet, wo sich auch viele Pflegefachkräfte mit dem Virus infiziert haben. Als ich das erste Mal ein Isolierzimmer betreten habe und die Patientin dort heftig gehustet hat, hatte ich deshalb ein mulmiges Gefühl. Mit der Zeit hat sich die Angst aber gelegt. Geblieben ist das Mitgefühl mit den Betroffenen, die die Krankheit durchmachen müssen. Positive Gefühle sind bei der Arbeit auf der Isolierstation aber auch dabei. Dann etwa, wenn Patienten von der Krankheit genesen und wieder nach Hause gehen können.

Und wie haben die Menschen in ihrem Umfeld reagiert, als sie erfahren haben, dass Sie Covid-19-Patienten pflegen?

Meine Eltern und meine Geschwister, mit denen ich zusammenwohne, waren sehr neugierig und wollten immer genau wissen, was ich arbeite. Allerdings haben sie auch Abstand zu mir gehalten. Auch Bekannte, denen ich auf der Strasse begegnet bin, gingen sehr schnell auf Distanz, wenn ich ihnen von meiner Arbeit auf der Isolierstation erzählt habe. Ich habe aber Verständnis für dieses Verhalten, ich bin ja auch vorsichtig um Umgang mit anderen Menschen.

Sie haben für eine Fallbesprechung im Rahmen des Praktikums eine Covid-19-Patientin präsentiert. Was ist für Sie die wichtigste Erkenntnis aus der Arbeit mit dieser Patientengruppe?

Dass es keine gewöhnliche Grippe ist, wie manche Menschen behaupten. Klar, ich habe auf der Isolierstation mit den schweren Fällen zu tun – es gibt deutlich mildere Verläufe. Aber was ich auf der Isolierstation gesehen habe und was mir die Patienten geschildert haben, spricht klar dagegen, dass Covid-19 bloss eine Grippe ist. Betroffene erzählten mir von den Schmerzen im ganzen Körper, vom Kraftakt, der nur schon das Abreissen von WC-Papier erfordere.

Ende Mai schliessen Sie Ihr Praktikum am Spital Männedorf ab. Was können Sie aus dieser Erfahrung für Ihr weiteres Studium mitnehmen?

Im Umgang mit isolierten Patienten und bezüglich Anwendung von Hygienemassnahmen bin ich nun sattelfest. Zudem erweitert die Arbeit mit den Covid-19-Patienten mein Einfühlungsvermögen und die Fähigkeit, als Bezugsperson auch unter erschwerten Bedingungen für die Patienten da zu sein. Das kann ich für das restliche Studium und die berufliche Praxis mitnehmen. Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass ich diese Erfahrung machen durfte.

Über 400 Studierende melden sich für Spitaleinsatz

Als sich im März aufgrund der Corona-Pandemie ein Personalmangel in den Gesundheitseinrichtungen des Kantons Zürich abzeichnete, wurde kurzerhand eine Plattform für den Einsatz von Studierendender Gesundheitsberufe ins Leben gerufen. Vertreterinnen des Departements Gesundheit der ZHAW, des Careum Bildungszentrums in Zürich, des Zentrums für Ausbildung im Gesundheitswesen (ZAG) sowie der Organisation der Arbeitswelt Gesundheit Zürich erarbeiteten im Koordinationsstab Einsatz Zürcher Gesundheitsschulen (KEZG)ein Konzept, mit dem angehende Health Professionals bei Bedarf unbürokratisch in Spitälern und anderen Betrieben des kantonalen Gesundheitswesens eingesetzt werden können. Am Departement Gesundheit stellten sich über 400 Studierende im Theoriesemester für einen freiwilligen Einsatz zur Verfügung.