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Studium der Zukunft: Bildung für die digitale und nachhaltige Gesellschaft

Angesichts des raschen Wandels sollen Hochschulen Studierende dazu befähigen, sich selbstständig weiterzuentwickeln. Interview mit Jean-Marc Piveteau, Rektor der ZHAW, und Christoph Steinebach, Leiter Ressort Lehre aus der Dezember-Ausgabe des Hochschulmagazin ZHAW-Impact.

Sehen Hochschulen in der Rolle als Weiterentwicklungshelfer: Jean-Marc Piveteau, Rektor der ZHAW (links.) und Christoph Steinebach, Leiter des ZHAW-Ressorts Lehre und des Departements Angewandte Psychologie.

Vorabdruck aus Impact 43

Laut WEF-Prognosen werden 65 Prozent aller heutigen Grundschüler einen Beruf ausüben, den es heute noch nicht gibt. Wie bereiten wir sie darauf vor?

Christoph Steinebach: Diese Formulierung impliziert, dass diese 65 Prozent alle einen Job haben werden. Das ist schon mal positiv, auch wenn sie in Berufsfeldern arbeiten, die wir heute anscheinend noch nicht kennen. Ich bin aber sicher, dass das für die heutigen Grundschüler wie selbstverständlich sein wird, weil sie da einfach hineinwachsen.

Inwiefern?

Steinebach: Sie werden zum Beispiel im Studium daran mitarbeiten, diese Berufsfelder zu entwickeln. Das war bisher nicht anders. Anfangs hat man vielleicht Physik studiert. Heute gibt es Fächer wie Elektronik oder Mechatronik. Es entwickeln sich neue Forschungsfelder, die zu Schwerpunkten im Studium, vielleicht auch zu neuen Studiengängen führen. Aus denen leiten sich schliesslich neue Berufsbilder ab. Das finde ich nicht bedrohlich. Wir müssen uns aber angesichts des raschen gesellschaftlichen Wandels fragen, welche Kompetenzen es braucht, um sich auf Veränderungen im Beruf einzustellen.

Welche sind das?

Steinebach: Das sind Kompetenzen, die viel mit Flexibilität und Offenheit zu tun haben. Man muss Probleme selbstorganisiert und kreativ lösen können.

Jean-Marc Piveteau: Das Studium an Fachhochschulen soll berufsbefähigend sein. So lautet der Auftrag. Berufsbefähigend heisst meines Erachtens nicht zwingend, dass wir nur für einen konkreten Beruf ausbilden. Vielmehr müssen wir Kompetenzen vermitteln, mit denen sich Absolventen im Beruf weiterentwickeln können. In der digitalen Gesellschaft sind Unsicherheit und Komplexität Hauptmerkmale.

Das klingt etwas bedrohlich.

Piveteau: Unsicherheit und Komplexität sind nicht per se eine Bedrohung. Wir müssen nicht dagegen ankämpfen, sondern wir müssen resiliente Organisations- und Handlungsformen entwickeln. In Zukunft werden hybride Lebensläufe zunehmen. Deshalb müssen wir Wege finden, non-formal oder informell erworbenes Wissen anzuerkennen. Das neue Umfeld fordert uns als Hochschule, es zwingt uns, die Abgrenzung zwischen der Erstausbildung und der klassischen Weiterbildung neu zu überdenken. Denn Bildung ist Entwicklung.

Welche Skills brauchen Absolventinnen und Absolventen angesichts der digitalisierten Berufswelt von morgen?

Piveteau: Das sind zum einen die transversalen Skills, die Christoph Steinebach erwähnt hat. Davon abgesehen muss man aber die Fähigkeit besitzen, mit Daten umgehen zu können, muss neue Arten der Kommunikation und Kollaboration beherrschen. Auch das, was man als Literacy bezeichnet, ist wichtig – also Lese- und Schreibkompetenzen, die ein Textverständnis, Sinnverstehen, sprachliche Abstraktionsfähigkeit oder Medienkompetenz umfassen.

Braucht das jede und jeder?

Piveteau: Diese Kompetenzen sind wichtig, egal ob man später als Ingenieurin, Architektin oder als Psychologin arbeitet. Absolventinnen und Absolventen jeden Fachbereichs müssen digitale Informationen auch selbst erstellen können. Nicht zuletzt braucht es eine digitale Allgemeinbildung, das heisst ein Grundwissen, wie diese neuen Technologien funktionieren und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Denn um zu verstehen, wie Daten gesammelt werden, um ein Profil über mein Verhalten zu erstellen, muss ich zuerst verstehen, wie die Algorithmen funktionieren. Dazu gehört auch Basiswissen über Datensicherheit und Datenschutz.

Ein Aspekt der digitalen Gesellschaft ist das Teilen. Eine Rückbesinnung auf bewährte Werte?

Steinebach: Absolut. Das Teilen, die gegenseitige Unterstützung, indem man seine Kompetenzen in den Dienst anderer stellt – das sind wichtige Merkmale der digitalen Gesellschaft.

Piveteau: Die neuen digitalen Arbeits- und Handlungsmodelle und vor allem das neue Verständnis von Kooperation, von Wissensproduktion und -verbreitung können eine entscheidende Rolle spielen, ökologische Ziele zu erreichen, die unsere Gesellschaft dringend erreichen muss, wie man fast täglich in den Nachrichten erfährt. Ich bin überzeugt, dass die Konvergenz der zwei grossen gesellschaftlichen Transformationen – der digitalen sowie der ökologischen – ungeahnte innovative Kräfte freisetzen würde. Denn beide Transformationen stützen sich auf vier gemeinsame Grundsätze: Solidarität unter den Generationen, partizipative Wissensgenerierung, Förderung der individuellen und kollektiven Handlungskompetenzen und nicht zuletzt die Förderung eines umfassenden Verständnisses von Innovation.

Im Sommer verabschiedete die Hochschulleitung die Teilstrategie «Bildung und digitale Transformation». Was ist die Zielsetzung?

Piveteau: Diese Teilstrategie leitet sich aus unserer Hochschulstrategie ab, die drei Richtungen vorgibt: «transformativ», «wissensbasiert und kompetenzorientiert» sowie «europäisch». Die Hochschule bleibt in Bewegung, und deshalb muss auch die Hochschulstrategie weiterentwickelt werden. Nach den Teilstrategien «Internationales» und «EU-Forschung» ist jetzt die Teilstrategie «Bildung und digitale Transformation» entstanden. Der digitale Wandel steht im Mittelpunkt der zukünftigen Entwicklung der ZHAW. Wir brauchen einen offenen, differenzierten und kritischen Diskurs über die Konsequenzen der digitalen Transformation. Es gehört zu unserem Auftrag als Hochschule, uns an einem solchen Diskurs zu beteiligen. Das umfasst auch, dass wir Studierende optimal darauf vorbereiten, dass sie künftige gesellschaftliche Entwicklungen aktiv mitgestalten können.

Steinebach: Es geht auch darum, die vielen Initiativen und Prozesse, die an der ZHAW schon vorhanden sind, zusammenzuführen und ihnen eine Richtung zu geben.

Die digitale Welt verändert sich so schnell. Programmiersprachen kommen und gehen. Nach Facebook kamen längst wieder neue Plattformen. Wie wissen wir, dass wir keinem Hype aufsitzen?

Steinebach: Wenn es um die Auseinandersetzung mit etwas Neuem geht, ist es wichtig, dass wir gelernt haben, die richtigen Fragen zu stellen. Bei einem Wechsel von Facebook zu WhatsApp etwa müssen wir fragen: Wie ist es dort um die Sicherheit der Daten bestellt, was heisst in diesem Zusammenhang ethisch angemessenes Verhalten, wie sind meine Daten geschützt, wie jene der anderen? Solche Frage zu stellen und verlässliche Antworten einzufordern, das ist entscheidend.

Hochschulmagazin ZHAW-Impact

«Studium der Zukunft» lautet das Dossierthema der Dezember-Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact.

Eine Auswahl der Themen:
Individualisiertes und flexibles Lernen für die digitale Transformation – eine neue ZHAW-Teilstrategie begründet den Masterplan für die nächsten zehn Jahre. Kreativer, flexibler und aktueller, so stellt sich Leandro Huber, der Präsident der Studierendenorganisation VSZHAW, sein Studium der Zukunft vor. Die Lernfabrik an der School of Engineering erklärt das Prinzip Industrie 4.0. Im Biotech-Labor der Zukunft können Studierende ihre Experimente von unterwegs kontrollieren. Kreativ sein, ausprobieren, Fehler machen dürfen: Bei den Lernkonzepten «Service Design» und «Collaborative Online International Learning» steht Erfahrung im Fokus. Hybride Lebensläufe: Rafael Freuler – der einstige Internetunternehmer ist Quereinsteiger in die Soziale Arbeit. Halb real, halb online studieren mit Blended Learning. Mit Seamless Learning Brüche in der Lernbiografie verhindern. Lesen Sie weitere Beiträge über praxisorientiertes Studieren und Prüfungen der Zukunft.

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