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Orthopädische OPs simulieren und testen

ZHAW-Forschende haben die Basis für eine virtuelle Operationsumgebung entwickelt. Ärzte könnten damit künftig ihre Eingriffe am Computer planen, simulieren und so Risiken abschätzen.

ZHAW-Impact Nr. 35 vom Dezember 2016

Die Digitalisierung hat den Weg in den Operationssaal schon seit längerem gefunden: Bildgebende Verfahren wie Computer- und Magnetresonanztomografie sind im klinischen Alltag routinemässig im Einsatz, um Bilder des Körperinneren zu erzeugen, bevor ein konkreter Eingriff erfolgt. Geometrische Formen von Körperteilen wie Knochen, Muskeln oder Gewebe sind problemlos digital zu erzeugen. Damit können Körperteile als 3D-Objekte dargestellt und für Untersuchungen räumlich vermessen werden. Den virtuellen Körper möglichst realistisch in seinem Verhalten und seinen Bewegungen simulieren zu können, ist hingegen Gegenstand laufender Entwicklungen in der Medizinforschung. Dabei gilt es, die funktionalen Eigenschaften der dreidimensionalen Körperteile, wie Festigkeit und Elastizität, in Computermodellen physikalisch nachzubilden sowie interaktiv in 3D darzustellen. Diesem Ziel sind Forschende der ZHAW School of Engineering in den letzten Monaten deutlich nähergekommen.

Patientenspezifische Operation

Dank der modernen Bildgebung ist es bereits problemlos möglich, dreidimensionale, geometrische Darstellungen von biologischen Strukturen am Computer zu berechnen. «Mechanische Eigenschaften hingegen sind weitaus schwieriger numerisch abzubilden», so Dominic Müller, wissenschaftlicher Assistent der Arbeitsgruppe Biomechanical Engineering am ZHAW-Institut für Mechanische Systeme (IMES). «Eine virtuelle Operationsplanung, die die mechanisch-funktionellen Randbedingungen einbezieht, wird im klinischen Umfeld bis heute nicht praktiziert.» Genau hier setzt das Projekt Numerical Based Medical Intervention (NBMI) an, um die Präzision in der orthopädischen Chirurgie massgeblich zu verbessern. Das Ziel: In einem medizinischen Software-Paket sollen behandelnde Ärzte, basierend auf den Bilddaten einer Magnetresonanztomografie, ein patientenspezifisches, funktionales Modell des zu operierenden Gelenks erhalten, an welchem sie die Operationsplanung durchführen können.

Die strukturmechanische Finite-Elemente-Simulation, eine Methode, mit der physikalische Vorgänge (beispielsweise Kraftwirkungen auf deformierbare Festkörper) simuliert werden, ermittelt dann den Einfluss auf die Bewegungsmöglichkeiten und das biomechanische Verhalten dieses Gelenks. Auf diese Weise kann der Operateur verschiedene Operationstechniken miteinander vergleichen und auch neue Konzepte erproben. Dominic Müller peilt jetzt die nächsten Schritte an: «Gegenwärtig entwickeln wir die Simulationssoftware für Knieoperationen, welche nun von Ärztinnen und Ärzten klinisch getestet werden soll.»

Kooperation mit Kliniken

Die technische Seite steht zwar, die ZHAW-Ingenieure unter Leitung von Professor Bernd Heinlein sind nun aber auf das Feedback von medizinischer Seite angewiesen. «Wir wollen wissen: Welche Infos braucht der Chirurg oder die Chirurgin bei welcher Operation? Welche konkreten Schritte wollen die Anwender virtuell simulieren können?», so Dominic Müller. Unter Berücksichtigung der entsprechenden Feedbacks soll das Tool schliesslich für die jeweilige Anwendung realisiert werden. Für jede Art von Eingriff wird es dann eine spezifische Softwareausführung geben – idealerweise als App. Interesse besteht seitens des Universitätsspitals Zürich, wo man eine Anwendung des NBMI bei der Operation von Kreuzbandrissen sieht, die durchschnittlich zwei Mal pro Tag durchgeführt wird. Auch das Kantonsspital Winterthur hat eine Kooperation zugesagt. Bei beiden Kliniken ist auch das Einsetzen künstlicher Kniegelenke Alltag – eine weitere Anwendungsmöglichkeit für das NBMI. Dabei arbeiten Ärzte mit standardisierten Implantatgrössen, weshalb Dominic Müller auch in Kontakt mit den Implantatherstellern steht: «Für die Berechnungen unseres Tools sind die exakten Geometrien der Prothesen notwendig, damit Chirurgen beispielsweise die Positionierung am Knochen vor der Operation testen können.»

Startup in der Gründungsphase

Im Rahmen dieser Kooperationen mit den Spitälern soll das Tool erstmals klinisch eingesetzt und validiert werden. Konkret heisst das, dass vor dem Eingriff eine Simulation vorgenommen wird und die Daten nach der Operation mit den realen Messungen verglichen werden, um die Genauigkeit zu prüfen. «Die entwickelte Lösung ist nicht ausschliesslich für Knieoperationen gedacht, sondern soll künftig auch für andere operative Eingriffe – beispielsweise an Ellenbogen, Schultern oder Wirbelsäule – weiterentwickelt werden», so Dominic Müller. Um das Tool dereinst vermarkten zu können, ist er gemeinsam mit zwei weiteren ZHAW-Absolventen derzeit mitten in der Gründungsphase eines Startup-Unternehmens. Dabei schätzt er die Unterstützung der ZHAW: «An der Hochschule sind die Bedingungen für ein Startup-Unternehmen besonders gut. Also wieso sollen wir diesen Schritt nicht wagen?»

Autor: Matthias Kleefoot

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