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Partizipative Innovationsentwicklung in Schweizer und ungarischen Heimen

Wie kann die Selbstbefähigung junger Menschen im Heim gefördert werden? Im Projekt «Creating Futures» entwickeln sie zusammen mit Mitarbeitenden und Leitenden von Jugendheimen aus der Schweiz und aus Ungarn Innovationen.


Besondere Herausforderungen für junge Menschen

von Anna Schmid
Einer beträchtlichen Anzahl junger Menschen mit Heimerfahrung gelingt es nicht, eine nachhaltige Zukunft für sich aufzubauen. Die Forschung zeigt u.a. ein häufigeres Vorkommen von Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Delinquenz und selbstschädigendem Verhalten verglichen mit der Allgemeinbevölkerung. Gleichzeitig haben die jungen Menschen aufgrund der Anlässe, die zum Heimaufenthalt führten, auf ihrem Weg besondere Herausforderungen zu meistern.

Binationaler Innovationsbedarf

Heime können junge Menschen nicht «zu etwas machen». Es sind die jungen Menschen selbst, die sich entwickeln und ihr Leben gestalten. Darum ist es notwendig, dass sie ihr Leben in die eigenen Hände nehmen und eigene Vorstellungen von der Zukunft entwickeln und diese nachhaltig verwirklichen können – und zwar bereits während des Heimaufenthalts. Je stärker sie diese Selbstbefähigung leben können, desto besser stehen die Chancen, dass den jungen Menschen der Aufbau einer nachhaltigen Zukunft gelingt.
Mehrere Jugendheime aus der Schweiz und aus Ungarn orten hier Innovationsbedarf. Sie wollen in ihren Organisationen Innovationen entwickeln und konkret erproben, dank derer sie diese Selbstbefähigung der jungen Menschen künftig noch effektiver fördern können als heute. Das Institut für Sozialmanagement (ISM) hat eine «Community of Practice» initiiert und gemeinsam mit den Heimen das Projekt «Creating Futures» entworfen. 

Nicht ohne die jungen Menschen

Heime sind während des Aufenthalts Lebens- und Sozialisierungsraum der jungen Menschen. Alltag, Aktivitäten und Ergebnisse entstehen in der Zusammenarbeit von Mitarbeitenden und jungen Menschen. Die Mitwirkung junger Menschen als «Young Experts» – auch bei organisationalen Vorhaben wie «Creating Futures» – ist für die Heime deshalb sowohl aus sozialpädagogischer als auch aus Sozialmanagementsicht ein zentrales Anliegen und folgerichtiges Vorgehen.
Die Befähigung junger Menschen ist das «Kerngeschäft» von Jugendheimen. Sie tun bereits viel und vieles davon erfolgreich. Welche organisationalen Innovationen sind darüber hinaus denkbar, damit die Selbstbefähigung junger Menschen noch effektiver gefördert werden kann? Um neue, innovative Ideen zu gewinnen, muss ein Heim den Blick über die heutige Praxis hinaus öffnen können. Damit es diese Ideen umsetzen kann, muss es seine Kräfte mobilisieren. Wie ist dies möglich?

Vielfalt und Zusammenarbeit fördern Innovation

Der Einbezug verschiedener Perspektiven fördert die Entstehung von Innovationen (Garud et al. 2016). «Creating Futures» ermöglicht diesen vierfach: Durch den binationalen Zugang, die Teilnahme verschiedener Heime, die Mitwirkung junger Menschen und den fachwissenschaftlichen Beitrag der ZHAW. Ein weiterer aktiver Austausch findet mit Fachleuten der über 30 Mitgliedsländer von FICE (Fédération Internationale des Communautés Educatives) statt.
Mitglieder der wichtigsten Akteursgruppen der Heime – Leitende, Mitarbeitende, junge Menschen –  pflegen so die kritische Reflexion des Eigenen im Spiegel des Anderen und ein kollaboratives «Voneinander-und-miteinander-Lernen» als «kritische Freunde». Gemeinsam gestalten sie das Projekt mit, interpretieren Erkenntnisse, geben einander Feedback, erarbeiten Empfehlungen und tragen mit kritischem Blick zur Qualität des Projekts bei.

Die Schritte zu konkreten Innovationen

Das innovative Entwicklungsprojekt «Creating Futures» umfasst vier Module. Young Expert Exchanges, der Austausch in der Community of Practice sowie durch Young Experts und Mitarbeitende gestaltete Reflexionsveranstaltungen in jedem Heim sind wichtige Elemente jedes Moduls. Das ISM führt den Gesamtprozess, unterstützt mit wissenschaftlichen Methoden und empirischem Wissen sowie mit Analysen und der Aufarbeitung von Erkenntnissen.
Basierend auf Literatur und auf Wissen der Akteure werden in jedem Heim gute Praxis und Entwicklungsbedarf identifiziert. Daraufhin werden konkrete Innovationen zur Befähigung junger Menschen entwickelt und erprobt. Diese können die verschiedensten Aspekte betreffen, so z.B. Veränderungen in der Raum- und Prozessgestaltung oder neue oder andere Interaktionsformen im Alltag.
Die Zusammenarbeits- und Entwicklungsprozesse, die erprobten Innovationen und die daraus entstandenen Erkenntnisse und Empfehlungen der einzelnen Heime und ihrer Community of Practice werden dokumentiert, in einem Rahmenmodell dargestellt und den Heimen sowie der weiteren Fachgemeinschaft als Anregung zur Verfügung gestellt.

Was es den Heimen bringt

Die erprobten Innovationen und erworbenen Wissensbestände und Fähigkeiten aus dem Entwicklungsprozess können die Kapazität und Leistung der Heime bezüglich der Förderung der Selbstbefähigung junger Menschen stärken. Praxis und Wissenschaft können erweiterte Erkenntnisse dazu gewinnen, wie Organisationen durch die Involvierung von Akteursgruppen Innovationen entwickeln können.
Stimmen von Heimleitenden beider Länder: «Die Unterschiedlichkeit [zwischen der Schweiz und Ungarn] bietet die Chance für neue Perspektiven in der pädagogischen Arbeit. Ich hoffe, Neues zu erfahren und zu lernen.» «Über unsere Alltagsaufgaben und -erfahrungen hinaus zu denken und unsere Komfortzonen zu verlassen, ist gleichzeitig sehr positiv und sehr herausfordernd.»

Was es den jungen Menschen bringt

Die jungen Menschen haben durch die Innovationen selbst, aber auch durch ihre Mitwirkung im Projekt Gelegenheit, erweiterte Möglichkeiten und Fähigkeiten zu gewinnen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, eigene Vorstellungen von der Zukunft zu entwickeln und diese nachhaltig zu verwirklichen.
Stimmen von jungen Menschen beider Länder: «Das Thema ist für mich wirklich interessant, weil ich selbst in diesem Bereich arbeite. Für mich war [der Young Expert Exchange] eine grossartige und interessante Erfahrung.» «Mir hat am besten gefallen, dass wir über Themen geredet haben, die wirklich wichtig sind, in einer Art, die Freude machte und entspannend war.» «Die Heime sollten unsere Empfehlungen beachten und einige davon umsetzen.»

Erreichtes und nächste Schritte

Im Rahmen eines Vorprojektes hat die Community of Practice die Zusammenarbeit erprobt und das Projekt entworfen. Ein international publizierter Artikel berichtet davon. Das Interesse junger Menschen aus den Heimen am Projekt und die partizipative Methodik wurden in einem ersten Young Expert Exchange mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen überprüft. Ein Video gibt Einblick. Positives Echo erhielt das Vorhaben auch von Fachleuten aus 20 FICE-Mitgliedsländern.
«Creating Futures» wird von der Stiftung Mercator Schweiz gefördert und wird von Januar 2019 bis August 2021 umgesetzt. Die Heime der Community of Practice sind motiviert, das Projekt bald umzusetzen, und bereit, eigene Ressourcen in der Form von Arbeitskraft einzubringen. Sie freuen sich, wenn sich in der Schweiz noch ein weiteres Heim ihrer Community of Practice und dem Projekt anschliesst.