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Medienpsychologie: Was ist mit Papi los?

Wie kann man mit Kindern psychisch kranker Eltern über deren Krankheit sprechen? Bilderbücher bieten eine gute Grundlage dafür.

ZHAW-Impact Nr. 34 vom September 2016

Es ist eine Krankheit, die vom Gehirn kommt. Es ist nicht die Schuld des anderen. Es ist eine Krankheit, die man wie einen Schnupfen bekommen kann, aber es ist nicht ansteckend. Die Behandlung kann lange oder weniger lange dauern, es kommt darauf an, wie schlimm es ist.» So fasst ein 10-jähriges Mädchen die Krankheit ihres Vaters in Worte. Dass Kinder die Belastungen ihrer Eltern mitbekommen, steht fest. Ebenso, dass Kinder mit einem psychisch erkrankten Elternteil selbst ein erhöhtes Risiko für psychische Krankheiten haben. Ein Ansatz aus der Medienpsychologie, um mit betroffenen Kindern über ihre Situation zu sprechen, sind Bilderbücher. Über die Wahrnehmung und Verarbeitung von Inhalten aus Bilderbüchern ist in der klinischen Psychologie aber noch wenig bekannt. Eine Studie am ZHAW-Departement Angewandte Psychologie ist darum dabei, zu ermitteln, was ein kinder- und zielgruppengerechtes Bilderbuch ausmacht. Dabei werden inhaltliche, sprachliche und illustrative Aspekte untersucht. Befragt wurden dazu Therapeutinnen und Therapeuten von psychisch kranken Erwachsenen und direkt betroffene Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Erste Zwischenergebnisse liegen vor. Die vollständigen Ergebnisse werden 2017 publiziert.

«Es ist nicht deine Schuld»

In einigen Büchern sind die Protagonisten Menschen, in anderen Tiere. «Tiere sind von Vorteil, weil sich sowohl Mädchen als auch Jungen damit identifizieren können», erklärt Isabel Willemse, Medienpsychologin und Leiterin der Studie. Für einige Kinder sei dadurch aber der Unterschied zur eigenen Person zu gross und sie erkennen keine Parallelen zu sich selbst. Es gibt Bücher, in denen die jeweilige Krankheit explizit genannt wird. In anderen ist sie eher metaphorisch dargestellt, wodurch diese Bücher bei unterschiedlichen Krankheiten eingesetzt werden können.

Ziel der Studie sei nicht, die besten Bücher zu küren. «Es gibt nicht das ideale Bilderbuch für alle Kinder. Wir möchten Empfehlungen abgeben, welche Bücher etwa in einer Therapeuten-Praxis vorhanden sein könnten und worauf man aus Perspektive der Kinder achten sollte. Es ist wichtig, dass ein Kind wählen kann, was es am meisten anspricht.»

Bei den Interviews mit den Kindern zeigte sich, dass ein Bilderbuch eine gute Grundlage für ein persönliches Gespräch ist. «Wir fragten jeweils: Wie geht es dem Kind im Buch? Und die meisten vermischten die Charaktere mit sich selbst», erzählt Willemse. Inhaltlich sei die Klärung der Schuldfrage zentral. «Viele Kinder glauben, sie tragen die Schuld daran, dass es der Mutter oder dem Vater schlecht geht. Diese Angst muss man ihnen nehmen und ihnen zeigen, dass sie Fragen stellen und sich Hilfe holen dürfen.» Wichtig sei den Kindern auch, dass die Freunde des betroffenen Kindes im Buch vorkommen und dass diese zu ihnen halten trotz der Erkrankung des Elternteils. Die bisher ausgewerteten Kinderinterviews deuten ausserdem darauf hin, dass sich die Kinder klare Informationen über Krankheitsursache, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten wünschen. Den Kindern soll Hoffnung gemacht, aber es sollen keine falschen Versprechen abgegeben werden – denn viele seien bereits sehr differenziert. «Nach der Klinik ist es vielleicht nicht mehr wie früher, aber Hauptsache, es ist besser als jetzt», sagte eines der Kinder. 

Kinder in der Therapie tabu

Wie Willemse berichtet, gibt es nur wenige Therapeutinnen und Therapeuten für Erwachsene, die Erfahrung mit Bilderbüchern haben. «Das Thema Kinder ist in der Therapie noch weitgehend tabu. Einige laden die Kinder ihrer Klienten ungern ein, weil sie sich im Umgang mit ihnen nicht kompetent fühlen, und Eltern sprechen es nicht an aus Angst, dass man ihnen die Kinder wegnimmt – dabei ist das meist unbegründet.» Die Projektleiterin hofft, dass als Nebenwirkung dieser Studie in der Therapie öfter aktiv über und vor allem mit Kindern gesprochen wird.

Autorin: Sara Blaser