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Anti-Geldwäscherei: «Unsaubere» Kunden einfach per Mausklick erkennen

Für Banken, Juweliere oder Immobilienhändler ist es schwierig festzustellen, ob ein Kunde auf einer Sanktionsliste steht. Eine neue Anwendung soll das radikal vereinfachen. Die ZHAW ist an der Entwicklung beteiligt.

ZHAW-Impact Nr. 37 vom Juni 2017

Der Cellist Сергей Ролдугин ein Schulfreund des russischen Präsidenten Putin, soll laut «Panama Papers» Millionen aus Steuerbetrügereien verschoben haben. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, seinen Namen aus dem kyrillischen Alphabet zu transkribieren, wie Dandolo Flumini von der ZHAW School of Engineering erklärt: Sergei Roldugin ist eine Schreibweise, aber auch Sergej, Sergey oder Sergueï Roldouguine ist korrekt.

Dandolo Flumini ist Mathematiker am Institut für angewandte  Mathematik und Physik (IAMP) und leitet das Forschungsprojekt «Libra», an dem drei Institute an zwei ZHAW-Departementen beteiligt sind. Das Ziel ist eine Lösung, die helfen soll «unsaubere Kunden» einfach zu erkennen. Denn angenommen, der russische Cellist kauft an der Zürcher Bahnhofstrasse eine Patek Philippe und zahlt bar. Wie überprüft nun der Bijoutier, ob Roldugins Name auf einer der rund 400 internationalen Sanktionslisten steht, die inklusive politisch exponierter Personen rund 2,5 Millionen Personen umfassen?

Ein zusätzliches «n» genügte, um Spuren zu verwischen

Solche Abfragen sind über spezialisierte Informationsdienstleister bereits heute möglich. Nur: Diese Lösungen sind notorisch unflexibel. So war es etwa einem wegen  Unterschlagung verurteilten Tessiner gelungen, in einem EU-Land heimlich ein neues Bankkonto zu eröffnen. Er hatte seinem Namen schlicht ein weiteres «n» beigefügt und überlistete so das System.

«Muammar al-Gaddafi kommt auf den Sanktionslisten in 160 verschiedenen Schreibweisen vor.»

Christian Fehrlin, Deep Impact

Der frühere libysche Diktator Muammar al-Gaddafi kommt auf den Sanktionslisten in 160 verschiedenen Schreibweisen vor, sagt Christian Fehrlin vom Winterthurer Unternehmen Deep Impact, dem Wirtschaftspartner beim KTI-Projekt «Libra». Je nach Liste und Status ist erhöhte Sorgfalt oder eine Verdachtsmeldung nötig, andere Geschäfte sind komplett unzulässig. Nicht nur Banken, Versicherungen, Rechtsanwälte, Immobilienhändler und Casinos sind davon betroffen, sondern auch jeder Unternehmer, der grössere Barzahlungen entgegennimmt. Verstösse können richtig teuer werden. Die neue Geldwäschereirichtlinie MLD4 der Europäischen Union zum Beispiel sieht Strafen bis zu 10 Prozent des Umsatzes des ganzen Unternehmens vor. MLD4 beeinflusst indirekt auch die Schweizer Geldwäschereigesetzgebung. «Libra» soll den Abgleich mit diesen schwarzen Listen erleichtern. «Gibt man einen Namen ein, so schlägt ‹Libra› automatisch alternative Schreibweisen vor, so wie man es von der Suchmaschine Google kennt, wenn man die falsche Schreibweise verwendet und gefragt wird: ‹Meinten Sie …›» So erklärt Fehrlin die Funktionsweise. Zudem werden die Namen mit Bildern verknüpft, die «Libra» auch in von Google nicht indexierten Bereichen des Internets wie dem Darknet aufstöbert und aus Videos extrahiert. Das erlaubt den Abgleich mit einem Ausweisfoto – oder mit einem Bild der Überwachungskamera im Schalterraum.

Training in Namens- und Gesichtserkennung

Zehn ZHAW-Forscher trainieren derzeit neuronale Netze in der Namens- und Gesichtserkennung und liefern Deep Impact intelligente Komponenten für einen Prototypen. Das soll nicht zuletzt auch verhindern, dass «Libra» übereifrig ist und unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern versehentlich einen Listeneintrag zuordnet. Denn im Zweifelsfall, so Fehrlin, verzichte ein Anwender lieber auf ein Geschäft, als eine hohe Busse wegen einer Geschäftsbeziehung mit einem Kunden, der auf einer Sanktionsliste steht, zu riskieren.

Bereits Ende 2017 soll «Libra» in einer ersten Version weltweit auf dem Markt erhältlich sein, sagen die Entwickler – für rund 200 Franken Lizenzgebühr pro Monat.

Autor: Thomas Müller

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