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Regulierungsfolgenabschätzung "Internationales Schiedswesen in der Schweiz"

Auf einen Blick

  • Projektleiter/in : Dr. Achim Lang, Dr. Fabiana Theus Simoni
  • Projektteam : Prof. Dr. Nicole Conrad, Sandro Fuchs
  • Projektvolumen : CHF 40'000
  • Projektstatus : abgeschlossen
  • Drittmittelgeber : Bund
  • Projektpartner : Bundesamt für Justiz BJ
  • Kontaktperson : Fabiana Theus Simoni

Beschreibung

Im Auftrag des Bundesamtes für Justiz hat die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

  • eine Marktanalyse zum Umfang des internationalen Schiedsplatzes Schweiz sowie
  • eine Regulierungsfolgenabschätzung auf Grundlage der beabsichtigten Teilrevision (Motion 12.3012)
erstellt.

Zusätzlich zu den oben genannten Punkten sollten auch die fünf zentralen Prüfpunkte einer Regulierungsfolgenabschätzung, wie sie in den vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) herausgegebenen Hilfsmitteln dargelegt sind, berücksichtigt werden:

  • Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns;
  • Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen;
  • Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft;
  • Alternative Regelungen;
  • Zweckmässigkeit im Vollzug.

Aufgrund von Befragungen von Experten (Parteivertreterinnen und –vertreter, Schiedsrichte-rinnen und -richter),  Vertretern von Schiedsinstitutionen in der Schweiz, Exponenten des schweizerischen Bundesgerichts und von kantonalen Gerichten sowie gestützt auf eigene Recherchen ist die ZHAW zu folgendem Resultat gekommen:Bezüglich der Marktanalyse zum Umfang des internationalen Schiedsplatzes Schweiz ergab die Schätzung ein Gesamtkostenvolumen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit nach IPRG in der Schweiz von CHF 240'116'702.-, wovon CHF 132'321'589.- direkt in der Schweiz anfallen (bei in der Schweiz domizilierten Anwälten und Hotels etc.).Bezüglich der Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) auf Grundlage der beabsichtigten Teilrevision (Motion 12.3012) wurden zwei unterschiedliche Methoden verwendet, die ein hohes Mass an Übereinstimmung zeigten. Die RFA basiert einerseits auf direkten Schätzungen durch die Experten, andererseits auf einem Wirkungsmodell, das die geplanten Änderungen der Teilrevision mit Standortfaktoren des internationalen Schiedswesens verknüpft (z.B. Rechtssicherheit, Schiedsfreundlichkeit oder Verfahrensdauer). Die Standortfaktoren haben wiederum einen Einfluss auf den Schiedsmarkt und bestimmen damit das Marktvolumen. Nach beiden Methoden wird ein geringer Zuwachs des gesamten Marktvolumens prognostiziert, der sich im Bereich von rund CHF 3,5 Mio. bewegt, was ungefähr zwei zusätzlichen durchschnittlichen Schiedsverfahren im Bereich ICC oder rund 10 Medianverfahren im Bereich Swiss-Rules entspricht.Einige geplante Änderungen des IPRG (Stand Vorentwurf vom September 2016) werden als besonders relevant eingeschätzt: die Lockerung des Formerfordernisses bei Schiedsvereinbarungen (halbe Schriftlichkeit), die Garantie der Gleichbehandlung der Parteien bei der Konstituierung des Schiedsgerichts, die Kompetenz des Schiedsgerichts, selbst über das Schiedsrichterhonorar zu entscheiden und der Ansatz, alle Rechtsvorschriften – ohne Verweise auf die ZPO - ins IPRG aufzunehmen. Es wird auch deutlich, dass diskutierte, aber nicht umgesetzte Vorschriften, wie z.B. ein Code Unique oder der Verzicht auf jegliche Formvorschriften für Schiedsvereinbarungen, nur geringe Auswirkungen auf die Standortfak-toren hätten. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass keine Änderung von den Experten als ausserordentlich wichtig und relevant angesehen wird. Vielmehr betonen die Experten, dass sich durch die Revision das IPRG in vielen Punkten graduell verbessert.

Zudem kann zu den zusätzlich im Auftrag des Bundesamtes für Justiz aufgeführten Prüf-punkten, die in den Hilfsmitteln des SECO zur RFA dargelegt werden, Folgendes festgestellt werden:

  • Notwendigkeit und Möglichkeit staatlichen Handelns
Das 12. Kapitel des IPRG wird auch nach über 25 Jahren noch als sehr positiv be-wertet, da es klar strukturiert und von geringem Umfang ist. Es gewährt somit den Parteien die grösstmögliche Autonomie und Flexibilität in der Verfahrensgestaltung. Diese Flexibilität und Schiedsfreundlichkeit wird als eines der grössten Vorteile in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angesehen und unterschied das Schweizer IPRG lange von der entsprechenden Gesetzgebung anderer Länder. Die Gesetzes-revision ist aber besonders auch im internationalen Kontext angezeigt. Im Bestreben zur Harmonisierung und Vereinheitlichung des internationalen Handels- und Schieds-rechts verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 11. De-zember 1985 das UNCITRAL-Modellgesetz. Auf dieser Basis wurde das Schiedsrecht seither in zahlreichen Staaten weltweit reformiert und modernisiert. Mittlerweile wurde es von mehr als 70 Staaten ganz oder in Teilen übernommen, nicht aber von der Schweiz, die mit der Schaffung des 12. Kapitels des IPRG bewusst einen anderen Weg gewählt hat. Nunmehr ist es jedoch erforderlich, das IPRG (sowie ZPO und BGG an den einschlägigen Stellen) in den relevanten Punkten den internationalen Standards anzupassen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, aber ohne die schweizerischen Alleinstellungsmerkmale des bewährten IPRG aufgeben zu müssen.Es besteht somit eine Notwendigkeit des Handelns, um den Anschluss an die interna-tionalen Wettbewerber nicht zu verlieren.
  • Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen
Zu den betroffenen Gruppen der Revision gehören unmittelbar die Schiedsinstitutionen, Anwaltskanzleien und Gerichte bei Bund und Kantonen. Mittelbar sind die Hotellerie, die Betriebe der Personenbeförderung [Taxi-, Luft- und Schienenverkehr] und die Gastronomie betroffen. Die Marktanalyse zeigte, dass vor allem im Bereich der unmittelbar betroffenen Gruppen erhebliche Kosten generiert werden. Die RFA ergibt, dass sich durch die Revision das Marktvolumen voraussichtlich nur geringfügig erhö-hen wird. Während diese Erhöhung im Bereich der internationalen Schiedsgerichts-barkeit zu rund zwei durchschnittlichen ICC- oder Swiss-Rules-Verfahren mehr im Jahr führen kann, so bleiben die Effekte auf andere Branchen (Gastronomie, Hotellerie, Personenbeförderung) begrenzt. Dies muss vor allem in Relation zu der Anzahl der an den Schiedsverhandlungen beteiligten Personen gesehen werden, die insgesamt sehr überschaubar ist und keine erheblichen zusätzlichen Beiträge für die Gastronomie, Hotellerie sowie die Personenbeförderung in der Schweiz ergeben wird.
  • Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft
Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen werden als sehr gering eingeschätzt. Das Gesamtvolumen des internationalen Schiedsmarktes befindet sich noch unterhalb von 0.05% des BIP.
  • Alternative Regelungen
Angedachte, jedoch im Entwurf zur Gesetzesrevision nicht umgesetzte Vorschläge, wurden in ihrer fiktiven Auswirkung in die RFA miteinbezogen. Es konnte gezeigt werden, dass die Auswirkungen der alternativen Vorschläge nicht markant positiver auf die Standortfaktoren bewertet wurden als die umgesetzten Vorschläge.
  • Zweckmässigkeit und Vollzug
Aus den Anmerkungen in den Interviews mit den Experten geht hervor, dass viele vorgesehene Änderungen bereits in der Rechtspraxis Anwendung finden und somit durch diese Änderungen kaum Auswirkungen auf den Schiedsmarkt erwartet werden. Weitergehende Änderungen wie die Schaffung eines Code Unique oder eines einzigen nationalen Juge d’Appui werden im ersten Beispiel als kontraproduktiv angesehen, da sich sonst die Einfachheit und Schiedsfreundlichkeit des IPRG nicht mehr durchhalten lässt und werden im zweiten Beispiel als prinzipiell positiv bewertet, jedoch als im föderalen System der Schweiz schwer durchsetzbar und aufgrund der geringen Fallzahlen als nicht dringlich erachtet.