Modellgestützte Optimierung von Krebstherapien mittels Wärme und Strahlung (HT-RT)
Auf einen Blick
- Projektleiter/in : Prof. Dr. Stephan Scheidegger
- Projektteam : Prof. Dr. Rudolf Marcel Füchslin
- Projektvolumen : CHF 200'000
- Projektstatus : laufend
- Drittmittelgeber : Stiftung
- Projektpartner : Universität Zürich, Kantonsspital Aarau AG / Radio-Onkologie-Zentrum
- Kontaktperson : Stephan Scheidegger
Beschreibung
Klinische Erfahrung und Studien zeigen ein verbessertes
Ansprechen von Tumoren auf Strahlen-therapie, wenn diese vor oder
nach der Bestrahlung moderat erwärmt werden. Folgende Prozesse
können potentiell für den synergistischen Effekt von Wärme und
Strahlung ver-antwortlich sein: (1) Wirkung der Wärme auf Proteine,
welche für die Reparatur von DNS-Schäden verantwortlich sind; (2)
Steigerung der Blutperfusion und darauf basierend, bessere
Sauerstoff-Versorgung und (3) Einfluss auf die Immun-Antwort.
Bezüglich der Wirkung via Reparatur-Enzyme existieren Daten in
vitro, welche u.a. eine Abhängigkeit des Effektes von der
Zeitdifferenz zwischen Bestrahlung und Erwärmung von Tumorzellen
zeigen. Der Effekt ist beidseitig, d.h. sowohl bei der Bestrahlung
vor sowie nach dem Erwärmen lässt sich ein reduziertes
Zell-überleben im Vergleich zu Strahlung alleine beobachten. Die
etablierten und klinisch verwendeten Dosisgrössen berücksichtigen
diese dynamischen Zusammenhänge nicht. Ein Grundproblem der
Bewertung klinischer Hyperthermie-Behandlungen ist der dynamische
Aspekt, d.h. das Verständnis der zeitlichen Änderungen in einem
komplexen System. Anhand von Modellen, Verfahren und
Begriffsbildungen aus der Theorie komplexer dynamischer Systeme und
mit Computersimulationen lässt sich aber ein besseres Verständnis
der beobachteten Phänomene gewinnen. Diese kann zur Klärung
klinischer Fragestellungen (wie z.B. Bedeutung und Abhängigkeit des
Therapieerfolges von der Zeitdifferenz zwischen Erwärmen und
Bestrahlen, beobachtete unterschiedliche Temperaturverläufe während
der Hyperthermie, Fraktionierung und Dosierung) beitragen. Zu
diesem Zweck wurde das Multi-Hit-Repair-Modell (MHR-Modell)
entwickelt. Das Modell beschreibt die Wirkung der Wärme (und
ionisierender Strahlung) auf die Reparatur-Proteine und die
Interaktion mit der DNS (Reparatur-Prozess). Die Stärke dieses
Models liegt darin, dass eine einzige Modellstruktur eine grosse
Breite an strahlen-biologischen Phänomenen zwangslos durch die
Kopplung einer Reihe biologisch direkt interpretierbarer
Prozesskanäle erklärt.
Für einen Transfer in die Klinik muss eine grundsätzliche Hürden
bewältigt werden: Für die Modellierung eines, in ein komplexes
Umfeld eingebetteten biologischen Systems (Tumor in vivo) müssen
relevante Systemgrössen identifiziert und Konzepte entwickelt
werden, welche eine vereinfachte Beschreibung des Systems und
seiner Einbettung zulassen. Zentral dabei ist, dass diese
Vereinfachung sich an den klinisch erfassbaren und auswertbaren
Parametern orientieren. Für die Anwendung sind allgemeine
„Zellsimulatoren“, welche das Zellverhalten „bottom-up“ nachbilden
wenig geeignet. Das MHR-Modell zeigt Wege hin zu einer top-down
Simulation auf, berücksichtigt aber mögliche Effekte der Einbettung
in vivo nicht. Ziel des vorgeschlagenen Projektes ist es, ein
klinisch nutzbares Modell zur Planung und Optimierung der HT-RT zu
erarbeiten und auch die Prozesse in vivo (Perfusion, Immun-Antwort)
angemessen zu berück-sichtigen. Im Gegensatz zu etablierten
Ansätzen zur Therapie-Planung soll dabei ein system-dynamischer
Ansatz gewählt werden: Dies ermöglicht die adäquate Beschreibung
der dyna-mischen Prozesse und steht sinnbildlich in Analogie zum
Übergang von der „statischen“ Fotografie zum Film.