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Potenten Wirkstoff gegen Masern entwickelt

Trotz verfügbarer Impfstoffe fordert die Masern-Infektion weltweit über hunderttausend Tote pro Jahr. Um das Virus einzudämmen, braucht es zusätzlich antivirale Medikamente. Ein Forschungsteam um Medizinalchemiker Rainer Riedl hat einen neuen antiviralen Wirkstoff gegen das Masernvirus entwickelt. Das Aussergewöhnliche daran: Der Wirkstoff bekämpft nicht direkt das Masernvirus, sondern zielt auf etwas in der menschlichen Wirtszelle, das das Virus für seine Vermehrung benötigt. Dadurch bleibt er wirksam, auch wenn das Virus mutiert.

Die Fachgruppe Medizinalchemie um Rainer Riedl ist spezialisiert auf die organische Synthese von sogenannten niedermolekularen Wirkstoffen (Small Molecules). Mit Hilfe von mehrstufiger organischer Synthese stellen die Forschenden aus mehreren Bausteinen neue Wirkstoffmoleküle her, die sie anschliessend auf ihre Wirksamkeit testen. So entwickeln sie neue Wirkstoffe gegen Bakterien, Parasiten oder Viren wie das Masernvirus.

Vor zwei Jahren startete unsere Fachgruppe Medizinalchemie am Institut für Chemie und Biotechnologie gemeinsam mit zwei Forschungsgruppen der Universität Bern um Dimitrios Fotiadis und Philippe Plattet ein ambitioniertes Forschungsvorhaben(PDF 104,1 KB). Im Rahmen eines Nationalfondsprojekts im Umfang von CHF 2‘100‘000 planten die Forschenden, Wirkstoffe gegen das Masernvirus zu entwickeln – und nebenbei auch die Mechanismen hinter Virenmutationen besser zu verstehen. Denn eine zentrale Herausforderung bei der Herstellung von antiviralen Wirkstoffen ist, dass Viren rasch Mutanten bilden, die resistent sind gegen die Wirkstoffe. Für die globale Gesundheitsversorgung stellen diese Mutanten ein grosses Problem dar, was uns die Covid-19-Pandemie derzeit eindrücklich vor Augen führt.

Potenten Wirkstoff gegen mehrere Virenarten gefunden

Nun haben die Forschenden einen potenten antiviralen Wirkstoff gegen das Masernvirus entwickelt und die Ergebnisse dazu in einer Publikation im Wissenschaftsmagazin ASM mBIO vorgestellt. Erfreulicherweise wirkt der Wirkstoff gegen mehrere Virenarten, für die es bisher noch keinen zugelassenen Wirkstoff gibt. Dazu zählen nebst dem Masernvirus auch das vor allem bei Kleinkindern verbreitete RS-Virus, das Nipahvirus und das Hundestaupevirus.

Wirkstoff zeigte sich robust gegen Resistenzbildung

Der neue Wirkstoff zeigte sich äusserst robust gegen Resistenzbildungen. Auch nach einer Behandlung von 80 Tagen konnte keine virale Resistenzbildung nachgewiesen werden. Offensichtlich unterdrückt die auf den Wirt ausgerichtete antivirale Strategie die Entstehung sogenannter viraler Escape-Varianten. Die Ausrichtung auf den Wirt erklärt auch, warum der Wirkstoff diese breite Wirksamkeit gegen mehrere Virenarten aufweist. Die Virenarten gehören zur selben Viren-Familie und nutzen daher ähnliche Wirtspfade.

Labors weltweit tüftelten bereits an antiviralen Wirkstoffen gegen Masern. Bisher konnte allerdings noch kein Medikament für die klinische Anwendung entwickelt werden. Dies könnte sich in Zukunft ändern: Generell gelten Wirtsfaktoren als vielversprechendes Feld für antivirale Wirkstoffentwicklungen. «Besonders interessant ist für uns das, was wir noch nicht wissen: Was auf molekularer Ebene mit unserem Wirkstoff innerhalb der Wirtszelle abläuft und dafür sorgt, dass sich die Viren nicht mehr vermehren können», so Rainer Riedl. Das versuchen die Forschenden derzeit im Rahmen des Nationalfondsprojektes, das noch bis 2024 weiterläuft, herauszufinden.