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Prävention von Radikalisierung im Internet

Mit Gegennarrativen und alternativen Narrativen soll im Internet der Entstehung von gewalttätigem Extremismus entgegengewirkt werden. Die ZHAW evaluierte Pilotprojekte.

von Dirk Baier
Extremistische Inhalte im Internet bieten Nährboden für politische Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus. Anfällig dafür sind insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene. Diesen Inhalten sollen darum valide Informationen – sogenannte Gegennarrative und alternative Narrative – entgegengehalten werden. Die Nationale Plattform «Jugend und Medien» des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) unterstützt vier ausgewählte Pilotprojekte, in deren Rahmen solche Gegennarrative und alternative Narrative erarbeitet wurden. Ausgewertet wurden sie von einem Forschungsteam der ZHAW, Institut für Delinquenz und Kriminalprävention, und der Hochschule für Soziale Arbeit in Fribourg.

Gegennarrative und alternative Narrative

Als Gegennarrative werden Botschaften verstanden, die sich explizit gegen radikale und extremistische Botschaften wenden, diese dekonstruieren, demystifizieren oder diskreditieren. Alternative Narrative wenden sich nicht gegen eine vorhandene Botschaft, sondern fokussieren auf die Vermittlung positiver Inhalte. Themen sind zum Beispiel Toleranz, Interkulturalität und Interreligiosität, soziale Integration sowie Werbung für Demokratie und Rechtsstaat.

Evaluation des Pilotprojekts

Die Evaluation sollte der Qualitätssicherung dienen und Wissen über die Umsetzung von Pilotprojekten zu Gegennarrativen und alternativen Narrativen gewinnen, Verbesserungspotenzial identifizieren und Anhaltspunkte für die Weiterentwicklung und Optimierung der Pilotprojekte erarbeiten. Um die Wirkung der Narrative beurteilen zu können, wurden Gruppendiskussionen mit Jugendlichen in Schulklassen und in Jugendtreffs geführt sowie verschiedene Expertinnen und Experten befragt. Weiter wurde eine standardisierte Online-Befragung durchgeführt, um die Einschätzungen Jugendlicher und junger Erwachsener zu diesen Narrativen sowie weitere Hinweise auf eine mögliche Wirkung zu erheben. Schliesslich wurde die Verbreitung der Narrative basierend auf Klickzahlen analysiert.

Ausgewählte Projekte

  • Winfluence: Dieses Projekt erarbeitete und verbreitete zusammen mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen fünf Motion-Comic-Videoclips, die sich Themen wie Gewalt in Paarbeziehungen und Fremdenfeindlichkeit widmeten.
  • KnowIslam: Dieses Pilotprojekt erstellte einerseits Bildtexte (Zitate aus dem Koran) und andererseits Informationsvideos über den Islam (z.B. zum Menschenbild, zum Thema Gewalt im Islam).
  • SwissMuslimStories: Dieses Projekt fertigte kurze Portraitvideos von muslimischen jungen Erwachsenen an und veröffentlichte diese über unterschiedliche Soziale Medien.
  • PositivIslam: Im Gegensatz zu den anderen Projekten handelt es sich bei diesem Projekt um ein französisch- bzw. italienischsprachiges Projekt, in dessen Rahmen keine Videoclips, sondern von jungen Bloggerinnen und Bloggern verfasste Posts erstellt und online verbreitet wurden.

Erfreuliche Erkenntnisse

Positiv ist festzuhalten, dass Narrative geschaffen wurden, die von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen überwiegend korrekt verstanden und positiv eingeschätzt wurden. Da das Internet und die sozialen Medien für diese Zielgruppe auch künftig von hoher sozialisatorischer Bedeutung sein werden, wären vergleichbare Pilotprojekte zu begrüssen. Wenn staatliche Akteure in den Prozess von Narrativen involviert sind, ist eine Form der Validierung der erstellten Produkte nicht zu umgehen, um deren Qualität zu sichern, deren Botschaften zu prüfen und damit möglichen Bumerang-Effekten vorzubeugen. Dies ist im Falle der Pilotprojekte gelungen.

Die Evaluation lässt darauf schliessen, dass die erarbeiteten Narrative präventiv wirksam sein können, insofern sie Vorurteile abbauen können, Vielfalt aufzeigen und für Toleranz werben. Anspruch der Narrative war es nicht, bereits radikalisierte Personen zu de-radikalisieren: Hierzu braucht es intensivere Massnahmen. Auch ersetzen die Narrative nicht anderweitige Präventionsmassnahmen, die sich der Verbesserung der gesellschaftlichen Teilhabe vulnerabler Gruppen widmen.

Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die für die Projekte gewonnen werden konnten, beurteilten sie positiv und schätzten die Möglichkeit zur Mitwirkung. Sie erlebten hierdurch einen Wissenszuwachs und eine Sensibilisierung bezüglich der Thematiken. Dank der Mitwirkung von Jugendlichen konnte zudem die Authentizität der Narrativen gesteigert werden.

Herausforderungen für künftige Projekte

Die Verbreitung der Narrative ist nur bedingt gelungen. Zwar wurden zum Teil hohe Aufrufzahlen erzielt – dies aber in der Regel nur durch Bewerbung der Narrative. Diskussionen wurden darüber eher nicht ausgelöst. Es gilt, eine optimale Strategie zur Verbreitung der Produkte zu finden. Weiter sind die Zukunft und die Nachhaltigkeit der Projekte bislang nicht sichergestellt. Es besteht die Gefahr, dass es sich um einmalige Aktionen handelt, die nicht weitergeführt werden. Um dem entgegenzuwirken, sind mehrere Strategien denkbar: So könnten zum Beispiel Materialien erarbeitet werden, die Lehrkräften und anderen mit Kindern und Jugendlichen arbeitenden Fachleuten dabei helfen, die Videos in die eigene Tätigkeit zu integrieren.