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Strategieüberprüfung einer sozialen Institution: Rosige Zukunft in grüner Landschaft?

Die Nachfrage entwickelt sich stetig. Die Rahmenbedingungen verändern sich. Wie ist mit dieser Ausgangslage umzugehen, wenn eine Zukunftsprognose mehr sein soll als ein Blick in die Kristallkugel?

Gebäude der Wohn- und Werkstätte Hasenberg. Im Vordergrund eine blühende grüne Wiese.

von Michael Herzig und Fiona Gisler

Die Wohn- und Werkstätten Hasenberg sind in einer grosszügigen Anlage in malerischer Landschaft untergebracht: eine heimelige, ruhige Insel für die ausschliesslich männlichen Bewohner und die Klientel des Arbeits- und Beschäftigungsangebots. Idyllisch zwar, aber auch weit weg vom öffentlichen Leben, vom nächsten Bahnhof.

Die Institution Hasenberg liegt nicht, wie zu vermuten wäre, auf einem Hügel, sondern in einer Talsenke. Es ist eine geschichtsträchtige Einrichtung, die seit 1934 von der Heilsarmee betrieben wird. Ihre Geschäftsleitung blickt in eine spannende Zukunft: Wie wird sich die Nachfrage entwickeln? Wie werden sich die finanziellen, rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen verändern? Ist das Betriebs- und Betreuungskonzept zukunftstauglich? Könnte der Standort zu einem Problem werden oder vielmehr eine Chance darstellen? Welche Risiken liegen in der Kosten- und Ertragsstruktur? Fragen, auf die es eine Antwort zu finden gilt.

Strategische Herausforderung

Markt, Umfeld und Trends zu analysieren, die zukünftige Nachfrage einzuschätzen sowie Strategie, Angebot, Fachkonzept und Marketing anzupassen, ist nicht nur für gewinnorientierte Unternehmen überlebensnotwendig, sondern auch für Non-Profit-Organisationen. Sich diesen Herausforderungen zu stellen, ist daher nicht nur ratsam, sondern unerlässlich. Vor diesem Hintergrund beschliesst die Leitung der Wohn- und Werkstätten Hasenberg, die Entscheidungsgrundlagen für die zukünftige Ausrichtung zusammen mit dem Institut für Sozialmanagement der ZHAW zu erarbeiten. Basierend auf einer massgeschneiderten Offerte des ZHAW-Projektteams wird folgendes Vorgehen vereinbart: Zunächst untersucht das Projektteam systematisch relevante Planungsberichte und Statistiken und führt qualitative sowie quantitative Expertenbefragungen durch. Eine Organisationsanalyse ergänzt die gewonnenen Erkenntnisse. Gemeinsam mit der Auftraggeberin folgt eine Beurteilung der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Die daraus entwickelten strategischen Szenarien bewertet die Einrichtung auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen. Gestützt auf diese Expertise werden Empfehlungen für das weitere Vorgehen formuliert.

Umfeldanalyse

Die Planungsberichte der kantonalen Invalidenversicherungsstellen in Zürich, St. Gallen und im Thurgau sprechen eine deutliche Sprache: Aufgrund der demografischen Alterung wird eine steigende Nachfrage nach (teil-)stationären IV-Leistungen prognostiziert. Nicht alle Fachleute teilen diese Einschätzung und selbst wenn sie zutrifft, bedeutet das mitnichten, dass bestehende Institutionen von einer stetig wachsenden Belegung ausgehen können. Zudem ist eine volle Auslastung nicht mit einer ausreichenden Kostendeckung gleichzusetzen: Schliesslich wird der Betreuungsbedarf komplexer bei gleichzeitigem Anspruch auf möglichst individuell zugeschnittene Dienstleistungen. Dies erhöht den Anspruch an die Vielfalt des Angebots und an die Qualifikation des Personals. Die Standardisierung der Prozesse soll jedoch tiefgehalten werden – eine Quasi-Kumulierung von Kostentreibern. Wenn dazu der Spielraum für Tariferhöhungen abnimmt und die Auflagen steigen, das Selbstbestimmungsrecht der Klientel höher zu gewichten ist und ambulante wie stationäre Leistungen möglichst flexibel miteinander zu kombinieren sind, ist ein ausreichender Deckungsbeitrag nicht mit simplen Massnahmen zu erwirtschaften. Das Fach- und Betreuungskonzept ist ebenso zu hinterfragen wie Prozesse und Führungsstruktur. Eine weitere entscheidende Frage ist die kritische Grösse der Organisation: Ein Ausbau der Platzzahl könnte die Rentabilität der Betreuungsplätze erhöhen, falls die Zielauslastung erreicht wird. Dies ist wiederum von schwer zu beeinflussenden Kriterien abhängig wie der geografischen Lage und der Anbindung an den öffentlichen Verkehr. Mit zunehmender Heterogenität der Zielgruppe erhöht sich ferner die Zahl der zu berücksichtigenden Anspruchsgruppen sowie die Bedeutung einzelner Exponenten. Zuweisende Stellen haben nicht nur unterschiedliche gesetzliche Rahmenbedingungen, sondern auch eine andere Organisationslogik. Dies erfordert eine differenzierte Kommunikation und zielgruppenspezifisches Marketing. Werden all diese Faktoren berücksichtigt, so ergeben sich verschiedene mögliche Handlungsoptionen. Die zu treffenden Entscheidungen werden für die Kundin dadurch nicht einfacher, aber der Entscheidungsprozess wird strukturierter und transparenter.

Soziale Arbeit, Betriebswirtschaft und Sozialwissenschaft kombiniert

Um die Veränderungen im Feld und deren Auswirkungen auf die Wohn- und Werkstätten Hasenberg gezielt zu untersuchen, wird im Projektteam fachliches Know-how der Sozialen Arbeit und der Betriebswirtschaftslehre mit sozialwissenschaftlichen Methoden kombiniert. Drei qualitative Experteninterviews erlauben erste Einschätzungen zur vermuteten Bedarfsentwicklung, zu adäquaten Angeboten und deren fachlicher Ausgestaltung sowie zur Reputation der Einrichtung. Eine Online-Umfrage bei Zuweisenden und weiteren ausgesuchten Akteurinnen und Akteuren der Region ergibt über 60 verwertbare Antwortbogen. Der Trend hin zu komplexeren und individuell flexibleren Unterstützungs- und Betreuungssettings unter grösstmöglichem Einbezug der Klientel bestätigt sich. Ein Handlungsbedarf bezüglich der quantitativen wie qualitativen Ausgestaltung des Angebots sowie hinsichtlich Vernetzung und Marketing zeichnet sich ab.

Organisationsanalyse schlägt neue Wege vor

Ergänzend wird die Einrichtung selbst in den Blick genommen. Strategische und operative Dokumente erläutern das Managementsystem und geben Einblick in Strategie, Kultur und Struktur. Ein Besuch vor Ort bietet die Gelegenheit, mit Personal und Klientel zu sprechen. Die so durchgeführte Organisationsanalyse zeigt bestehendes Potenzial auf sowie Entwicklungsmöglichkeiten hinsichtlich einer Ausweitung oder Veränderung der Zielgruppe.
Mittels der Befunde aus Umfeld- und Organisationsanalyse werden strategische Optionen entwickelt und Szenarien formuliert. Diese werden anhand einer Nutzwertanalyse nach verschiedenen Kriterien bewertet und in einem Workshop miteinander verglichen. Der vertrauliche, knapp 80 Seiten starke Schlussbericht enthält neben einer vollständigen Dokumentation der Untersuchung die Empfehlungen aus der Beraterperspektive. Angewandte Forschung verknüpft sich auf diese Weise mit einer massgeschneiderten Organisationsberatung und schafft so die Grundlage für eine nachhaltige Organisationsentwicklung.

Wissen und Prozessgestaltung aus einer Hand

In dem Prozess zur Überprüfung und Weiterentwicklung einer Unternehmensstrategie bietet es sich an, betriebswirtschaftliche und sozialwissenschaftliche Methoden zu kombinieren. Das Institut für Sozialmanagement unterstützt Non-Profit-Organisationen mit Bedarfserhebungen und Prognosen, mit Markt-, Umfeld- und Trendanalysen, mit Kommunikations- und Marketingkonzepten, mit der Überprüfung von Geschäftsmodell und Businessplan, mit der Ausarbeitung finanzieller Szenarien und mit prozessorientierter Moderation von Angebots- und Strategieentwicklung.

Institut für Sozialmanagement

Sozialwerk der Heilsarmee

Die Wohn- und Werkstätten Hasenberg der Heilsarmee in der Gemeinde Waldkirch SG bietet Menschen in besonderen Lebenssituationen vorübergehend oder dauerhaft eine Wohnung und Tagesstruktur respektive Arbeit in einem geschützten Rahmen.
Das Sozialwerk der Heilsarmee führt in der ganzen Schweiz soziale Institutionen. Die Angebote richten sich an den körperlichen, psychischen und sozialen Möglichkeiten von Menschen in Not aus und können sowohl ambulant als auch stationär – vermehrt auch mobil – ausgestaltet sein.