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Soziale Arbeit

Corona-Krise: Jugendliche haben mehr Angst vor ungewisser Zukunft

Wie geht es Teenagern nach einem Jahr in der Pandemie? Eine ZHAW-Befragung zeigt, dass die psychische Belastung zunahm. Es gab aber auch positive Entwicklungen.

Emotionale Probleme unter Jugendlichen nahmen seit Beginn der Corona-Pandemie signifikant zu. (Bild: Pexels)

von Regula Freuler

Wachsende Zukunftsängste, mehr Cybermobbing, weniger gestresste Eltern: So lauten die Ergebnisse einer zweiten Befragung von Jugendlichen im Kanton Zürich durch das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention. Sie fand zwischen dem 18. Januar und dem 4. Februar 2021 statt. Insgesamt nahmen 422 Schülerinnen und Schüler daran teil.

Erstmals vor neun Monaten wollte das ZHAW-Forschungsteam von 12- bis 18-jährigen Sekundar- und Kantonsschülerinnen und -schüler wissen, wie es ihnen geht. Damals machten die Jugendlichen erste Erfahrungen mit Schulschliessung und Online-Unterricht, und die verordneten bundesrätlichen Massnahmen schränkten ihren Kontakt zu Freunden und ihre Freizeitgestaltung stark ein.

Fragestellung

Bei der zweiten Befragung nun blicken die Jugendlichen auf fast ein Jahr Leben mit Corona zurück. Wie steht es heute um ihr psychisches Wohlbefinden? Wie haben sich die Beziehungen zu Familie und Freunden unter Pandemie-Bedingungen seit der ersten Befragung entwickelt? Wie erleben Jugendliche mittlerweile den Online-Unterricht, der sich – je nach Schule – mit Präsenzunterricht abwechselt?

Es wurden dieselben Schulen kontaktiert wie vor einem Jahr (eine Sekundarschule und zwei Kantonsschulen). Die Beteiligung an der Befragung fiel diesmal geringer aus, jedoch liegt der Anteil an Sekundarschülerinnen und -schülern mit 37,4 Prozent höher als in der ersten Befragung (9,0 Prozent). Die leitenden Fragestellungen sind weitgehend die gleichen wie bei der Frühjahrsbefragung 2020, wobei der Fokus nicht mehr auf den Lockdown gelegt wurde, sondern auf die aktuelle Situation.

Weibliche Jugendliche besonders betroffen

Die stärkste Veränderung im Vergleich zur ersten Befragung zeigt sich im Bereich des allgemeinen Wohlbefindens. Über 65 Prozent der Jugendlichen äussern heute mittlere oder hohe Zukunftsangst, das sind 15 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Ebenso sank die hohe Lebenszufriedenheit von rund 35 auf rund 25 Prozent, und emotionale Probleme nahmen signifikant zu.

«Unterstützungsangebote sollten jetzt auf Familien fokussieren, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind.»

Dirk Baier, Leiter Institut für Delinquenz und Kriminalprävention

Betroffen sind vor allem weibliche Jugendliche: Doppelt so viele wie im Vorjahr geben nun eine hohe Zukunftsangst an. Ebenso sank die Zufriedenheit mit ihrer Gesundheit, sportliche Aktivitäten nahmen ab. Studienleiter Dirk Baier vermutet hierzu: «Langfristige negative Folgen fehlender Bewegung sind bekannt. Daher sollte der körperlichen Aktivierung junger Menschen im sozialen Umfeld mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden.»

Cybermobbing: Mehr jüngere Opfer

Eine weitere negative Entwicklung zeigt sich beim Cybermobbing. So hat sich der Anteil jener Befragten, die Beleidigungen und Beschimpfungen via Internet und soziale Medien erlebt haben, im Vergleich zum Vorjahr von 7,6 Prozent auf 16,6 Prozent mehr als verdoppelt. Gerade bei jüngeren Jugendlichen sowie bei Sekundarschülerinnen und -schülern stiegen die Opferraten. Das müsse jedoch nicht zwingend oder nicht nur allein an der Pandemiesituation liegen, meint Dirk Baier. Denn bereits vor Corona nahmen die Cybermobbingraten zu. «Klar ist aber, dass man noch mehr Präventionsarbeit insbesondere in den Schulen leisten sollte», so der Soziologe.

Andere Bereiche entwickelten sich hingegen zum Positiven, zum Beispiel die Freundschaftsbeziehungen junger Menschen, die während des Lockdowns gelitten hatten. Die Zuwendung durch die Eltern, die während des Lockdowns stark anstieg, ist immer noch signifikant höher als vor Corona, hat allerdings wieder leicht abgenommen. «Dies erscheint nachvollziehbar, da Eltern allein schon berufshalber nicht dauerhaft häufiger für gemeinsame Aktivitäten zur Verfügung stehen können», begründet Dirk Baier diesen Befund.

Jugendliche sind verschwörungskritisch

Offenbar ist ein Teil der Eltern inzwischen auch weniger gestresst: Laut den Befragten werden Väter und Mütter seltener verbal aggressiv. Allerdings berichten Jugendliche aus Familien, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, deutlich mehr von elterlicher Gewaltanwendung als Jugendliche aus anderen Familien. «Auf sie sollten sich Unterstützungsangebote jetzt fokussieren», sagt der Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention.

Als positiv wertet Baier auch, dass die Jugendlichen verschwörungskritisch sind. Nur etwa jeder zwanzigste Jugendliche stimmt Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu wie «Bill und Melinda Gates haben das Coronavirus erschaffen». Interessant, so Baier, wären in diesem Zusammenhang Vergleichsdaten zur Erwachsenenbevölkerung. Diese liegen bisher nicht vor; die letzte Untersuchung zu Verschwörungsmentalität in der Schweiz führte das Institut für Delinquenz und Kriminalprävention noch vor der Corona-Krise durch.

Online-Unterricht wird geschätzt

Auffällig ist, wie sich die Haltung der Jugendlichen gegenüber dem Online-Unterricht geändert hat. Im Vorjahr wurde dieser von nur etwas mehr als der Hälfte der befragten Jugendlichen geschätzt, heute bereits von über drei Vierteln.

Männliche Befragte sowie Schülerinnen und Schüler der Sek bewerten den Online-Unterricht besser als weibliche Befragte und Jugendliche aus Gymnasien. «Diese Selbsteinschätzung sagt natürlich noch nichts über den Lerneffekt des Online-Unterrichts», betont Dirk Baier. «Diese Urteile bestätigen aber, dass Jugendliche allgemein recht positiv gegenüber der digitalen Unterrichtsgestaltung eingestellt sind.»