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Tagung «Wer A plant, muss B denken» - ein Tagungsrückblick

Die Tagung der ZHAW Soziale Arbeit und des Amtes für Jugend und Berufsberatung (AJB) vom 2. Februar 2017 im Campus Toni-Areal setzte sich mit Themen zum neuen Kinder- und Jugendheimgesetz des Kantons Zürich auseinander.

Eine Hand hält ein Haus aus Karton was symbolisch für ein Kinderheim steht.

2015 wurde das neue Kinder- und Jugendheimgesetz (KJG) des Kantons Zürich vom Regierungsrat zuhanden des Kantonsrats verabschiedet, der sich seither intensiv damit beschäftigt. Geplant ist, dass das KJG am 1. Januar 2019 in Kraft tritt. Es löst das seit 1962 geltende Gesetz über die Jugendheime und Pflegekinderfürsorge ab und soll den Bedürfnissen einer modernen und zeitgemässen Kinder- und Jugendhilfe gerecht werden. Im Zentrum stehen die Sicherstellung eines bedarfsgerechten Angebots sowie die Flexibilisierung in Bereich der ergänzenden Hilfen zur Erziehung (Heimpflege, Familienpflege, Dienstleistungsangebote in der Familienpflege und sozialpädagogische Familienhilfen). Zudem soll die Finanzierung der Leistungen neu geregelt werden.

Tagung mit hoher Aktualität und grossem Anklang

Mit der Gesetzgebung und der damit verbundenen politischen Diskussionen kommen neue Sichtweisen und unterschiedliche Lösungsverständnisse zum Vorschein. An der Tagung der ZHAW Soziale Arbeit und des Amtes für Jugend und Berufsberatung (AJB) wurde deshalb die Möglichkeit genutzt, um Geplantes gemeinsam zu bedenken – oder wie ein Referent treffend formulierte: «Wie lebt man ein neues Gesetz ohne bürokratische Übersteuerung?» Dass die Tagung bis auf den letzten Platz ausgebucht war, zeigt, dass die Fachwelt bereit ist, sich auf diese inhaltlich komplexen und fachlich hoch relevanten Diskussionen einzulassen.

Drei Referate mit drei Perspektiven auf das Thema

Nach der einleitenden Heranführung durch André Woodtli (Amtschef AJB) und Thomas Gabriel (Leiter des Instituts für Kindheit, Jugend und Familie der ZHAW) warfen die Referierenden Doris Bühler-Niederberger, Andreas Bernard und Rüdiger Kühn grundsätzliche Fragen zum Kindswohl, zum Familienbild und zum Institutionenverständnis in der Kinder- und Jugendhilfe auf. Die Soziologin Bühler-Niederberger problematisierte die auffällige Mütterzentrierung im Kindesschutz und das damit einhergehende Verschwinden des Kindes. Der Kulturwissenschaftler Bernard schlug einen Bogen über die neuzeitliche Entwicklung des Familienbildes und konfrontierte die Teilnehmenden mit überraschenden Effekten der Reproduktionsmedizin, die paradoxerweise ein idealisierendes und idealisiertes Bild von Familie zu verteidigen scheinen. Schliesslich zeigte Kühn anhand seiner Institution in Hamburg Möglichkeiten auf, die sich der Kinder- und Jugendhilfe bieten, wenn sie konsequent im gegebenen «Milieu» der Kinder und Jugendlichen stattfindet und dabei enge Kooperationen mit den Regelsystemen der Schule und der vorschulischen Einrichtungen sowie einer Vielzahl weiterer Akteure im unmittelbaren Sozialraum eingeht.

Workshops für eine vertiefte Auseinandersetzung

Im Anschluss an die Referate hatten die Tagungsteilnehmenden in sechs «file rouge»-Workshops die Gelegenheit, das Gehörte kritisch einzuordnen, zu vertiefen, zu hinterfragen und mit der eigenen Praxis in Verbindung zu bringen. Dabei wurden ideologische Muster, das professionelle Selbstverständnis und die Innovationsbereitschaft im Praxisalltag entlang der Themen «Wirkung», «Kontinuität und Diskontinuität» sowie «Denkmuster» angeregt diskutiert. Schliesslich hatten die Workshop-Gruppen in einem abschliessenden Podium die Möglichkeit, ihre zuvor erarbeiteten Kernthesen und -fragen den Referierenden zur Stellungnahme und erneuten Vertiefung vorzulegen.

Im Podiumsgespräch unter souveräner Leitung des Moderators Patrick Rohr wurde dann auch nochmals deutlich, dass das neue Kinder- und Jugendheimgesetz nicht «nur» eine Frage formaler Neuregulierungen ist, sondern Anlass bieten kann und soll, die fachlich-inhaltliche Auseinandersetzung über grundlegende Themen der Kinder- und Jugendhilfe zu führen. So verwies auch André Woodtli einleitend darauf, dass ein Gesetz dann gut komme, «wenn es die aktuelle Praxis ermöglicht und die nächste Praxis erlaubt. Dazu muss es dynamikrobust sein – ein dynamikrobustes Gesetz favorisiert Intentionen und Prinzipien und regelt die Zuständigkeit für das Festlegen von Regeln, statt diese Regeln bereits im Detail festzulegen».