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Schulische Integration managen

Die Integrationskraft der Regelschule stärken – wer will das nicht? Die Stadt Winterthur zeigt, dass dafür ein ganzes System von Akteuren zusammenarbeiten muss.

von Christian Liesen
Als die Stadt Winterthur 2013 das Konzept SIRMa in Kraft setzte – Stärkung der Integrationskraft der Regelschule durch Ressourcenmanagement –, erhoffte sie sich Grosses. Ressourcen sollten aus der Sonderschulung in die Verantwortung der Regelschulen umgelagert werden und dort ein Umdenken fördern. Die Schulen sollten dazulernen, tragfähiger werden, nicht mehr so viele Sonderschülerinnen und -schüler produzieren.
Es kam anders. Die Sonderschulkosten stiegen jährlich um 10 Prozent. Umgehend ergriffene Gegenmassnahmen blieben ohne erkennbare Wirkung. Schlüsselpersonen wechselten den Job. Was vor sich ging, war für die Akteure in Winterthur bald kaum noch nachzuvollziehen.

Evaluation schafft Klarheit

Eine Evaluation durch das Institut für Sozialmanagement der ZHAW stellte, gemeinsam mit den Akteuren, das Systemverständnis wieder her. Massgeblich an den Arbeiten beteiligt war zudem das Zentrum Dienstleistungen der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich. Mit der Evaluation gelang es, die Steuerungsproblematik zu durchschauen.
Die erkannten Schlüsselstellen betreffen keineswegs nur Winterthur:

  • Die Zuweisung zur Sonderschulung ist komplex. Viele Akteure sind beteiligt, Unsicherheit über das Problem, seine Ausgangsbedingungen, seinen Verlauf und die richtigen Ziel- und Sinnkriterien sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
  • Also bekommen Abläufe, Prozesse und Rollenzuweisungen schnell die Oberhand. Sie geben Sicherheit, verbrauchen aber praktisch die gesamte Energie und Aufmerksamkeit, statt dass um Lern- und Bildungsziele und gute Settings für die Schülerinnen und Schüler gerungen wird.
  • In der Folge wird, bildlich gesprochen, das Fieberthermometer gekühlt statt das Fieber bekämpft. Die verschiedenen Akteure übernehmen Verantwortung im Rahmen dessen, was sie am Problem überblicken – aber es fehlt die Gesamtorientierung.
  • In eine langfristige Entwicklung zu kommen, ist so praktisch ausgeschlossen. Fall um Fall wird bearbeitet, doch der innere Zusammenhang der Fälle bleibt für die Steuerung verschlossen.                            

Strukturen vor individuellen Entscheidungen

In einer solchen Situation können Einzelpersonen nicht mehr viel ausrichten. In Winterthur gibt es, wie andernorts auch, natürlich sehr fähige Leute, aber: Die Strukturen haben den Vorrang vor individuellem Entscheidungsverhalten. Man passt sich an die Arbeitsbedingungen an, interpretiert sie, umgeht sie wo man es nötig findet und erzeugt so, bewusst oder unbewusst, erwünschte ebenso wie gänzlich unerwünschte Abweichungen und Nebeneffekte.
Um in diesen strukturell komplexen Situationen voranzukommen, gibt es nur eine Lösung: Die verschiedenen Akteursebenen müssen zusammenarbeiten. Das ist besonders zentral in einer Stadt wie Winterthur, die finanziell nicht auf Rosen gebettet ist und darum vergleichsweise wenige Fehler in der Systemkalibrierung verzeiht. Sie ist auf eine höhere Umsetzungsintelligenz angewiesen.

Auf SIRMa folgt Wega

Der Evaluationsbericht hat dafür ausführliche Vorschläge erarbeitet. Deren Lektüre ist sicherlich auch für andere Gemeinden interessant, denn im Fokus stehen die konzeptuellen Grundlagen, mit denen die Ressourcen in der Sonderschulung gesteuert werden können: Der Kerngedanke ist, vielleicht überraschend, dass Schulentwicklung eine gemeinsame Leistung der verschiedenen Akteursebenen ist – mit den Schulleitungen als gern übersehener Gruppe im Zentrum. Nur so ist die Komplexität in den Griff zu bekommen.
Winterthur hat sich in einem eigens ins Leben gerufenen Folgeprojekt «Auf SIRMa folgt Wega» auf den Weg gemacht. Sofern die Schulentwicklung greift, wird dies innert weniger Jahre die bisherige negative Entwicklung stoppen.