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Mut zum Experiment

Wie studiert, lehrt und forscht man, wenn man sich nur noch online treffen darf? Wir haben mit Dozierenden und Studierenden über ihre Erfahrungen gesprochen.

von Regula Freuler

Seit die ZHAW den Präsenzunterricht vor etwas mehr als drei Wochen eingestellt hat, läuft der Unterricht in digitalen Hörsälen ab. Statt also am Morgen mit dem Tram ins Toni-Areal zu fahren, klappen die Studentinnen Marion Caspar und Sara Steiner zu Hause ihre Laptops auf und loggen sich in ihre jeweiligen Vorlesungen ein. «Es war gewöhnungsbedürftig, aber die Dozierenden haben viel in die Umstellung ihres Unterrichts investiert und uns in jeder Hinsicht sehr unterstützt», sagt die 27-jährige Sara Steiner. Natürlich habe es zu Beginn ab und zu geholpert. Einmal wurde Marion Caspars Klasse aus Versehen in zwei Gruppen unterteilt, und alle mussten sich wieder neu einloggen. Ein andermal schaltete sich eine Person mehr zu als angemeldet waren für den Unterricht. «Wir haben nicht herausgefunden, wer das war», erzählt die Studentin lachend.

Die Nutzung der technischen Tools fällt ihnen nicht schwer. Als Studiengangsvertreterinnen hören sich die beiden jungen Frauen aber auch um, wie es anderen ergeht. Da sie beide im Hauptstudium sind, betrifft sie die Umstellung auf den Fernunterricht weniger stark als manche anderen Kommilitoninnen und Kommilitonen. «Wer sich noch im Basisstudium befindet oder viele Module besucht, bekundet teilweise Mühe, dem digitalen Unterricht folgen zu können», sagt Caspar. Grundsätzlich ist aber viel Geduld und Verständnis vorhanden, wenn jemand ein bisschen länger braucht, um den richtigen Knopf zu finden. Umso wichtiger sei es, dass die Studierenden unterstützt und ihre Bedürfnisse aufgenommen werden. «Das wird enorm geschätzt», weiss Caspar.

«Die Dozierenden haben viel in die Umstellung ihres Unterrichts investiert und uns in jeder Hinsicht sehr unterstützt.»

Sara Steiner, Studiengangsvertreterin

Nicht alle Studierenden schaffen es, die Mehrfachbelastung von Studium, Erwerbstätigkeit und in manchen Fällen noch familiäre Aufgaben während des Corona-Ausnahmezustands zu bewältigen. Einige wenige nutzten die Möglichkeit, nachträglich ein Urlaubssemester einzureichen. Bei anderen, die ihr Studium nicht verlängern wollen, werden individuelle Lösungen gesucht, damit sie zu einem geordneten, regulären Studienabschluss kommen. Vergleichbare Möglichkeiten haben auch Teilnehmende von Weiterbildungsstudiengängen.

Offene Fragen zum Datenschutz

In der ersten Woche des Lockdowns setzte der Lehrbetrieb an der ZHAW zunächst ganz aus. In dieser Zeit gestalteten die Dozierenden den Kontaktunterricht neu. Von den im Frühlingssemester 2020 stattfindenden Modulen mussten insgesamt 4000 Kontaktlektionen im Bachelorstudium und über 200 Kontaktlektionen im Masterstudium auf Online-Unterricht umgestellt werden. Wie die Dozierenden das tun wollten, konnten sie grösstenteils selber entscheiden, je nach Zeit und Fähigkeiten. «Der individuelle Mehraufwand hing letztlich auch davon ab, wie online-affin jemand ist», sagt Miriam Fischer. Sie ist Verantwortliche beim E-Didaktik-Team, das die Mitarbeitenden berät und coacht – offenbar mit Erfolg.

«Die Qualität der Vorlesungen hat zum Teil gewonnen», sagt Sara Steiner. Der Dozent ihrer Lehrveranstaltung arbeitet mit Powerpoint und Videos, gibt Aufgaben für Gruppenarbeiten und das Selbststudium, die später online gemeinsam diskutiert werden. «Das ist sehr abwechslungsreich», findet die Studentin. Was es auch sein muss, schliesslich kann man nicht drei oder vier Stunden lang in den Bildschirm starren und zuhören. Sie würde es begrüssen, wenn diese Vielfalt in der Zeit nach Corona erhalten bleibt: «Ich hoffe sehr, dass die Dozierenden den Mut beibehalten, Neues auszuprobieren.»

Zuvor müssen allerdings Fragen des Datenschutzes sorgfältig geklärt werden. Darüber ist man sich einig. «Wir haben gerade alle Türen geöffnet. Das war wichtig, damit wir so viele Studierende erreichen wie möglich. Aber bekommen wir die Türen hinterher auch wieder zu?», gibt Tim Tausendfreund zu bedenken. Der Dozent am Institut für Kindheit, Jugend und Familie hat sich hauptsächlich für zwei didaktische Methoden entschieden: Synchrone Online-Diskussionsrunden sowie Screencasts, das heisst Präsentationen als Videoaufzeichnungen, die er auf die Lernplattform Moodle zum asynchronen Lernen hochlädt. Tausendfreund hat seinen synchronen Unterricht um 40 Prozent reduziert. Sein Ziel: ihn noch mehr reduzieren, noch gezielter auswählen. Zum einen, um die selbstbestimmte Zeiteinteilung der Studierenden beim Lernen zu unterstützen. Zum anderen wegen Datenschutzfragen, die ins Didaktische hineinspielen: «Viele Studierende wollen sich nicht vor einer unbekannten Öffentlichkeit exponieren, wie es der Fall ist, wenn man eine gemeinsame Diskussion aufzeichnet und im Internet zugänglich macht.»

«Ich stelle eine Tool-Fixiertheit fest.»

Dr. Tim Tausendfreund, Dozent ZHAW Soziale Arbeit

Die Vorlesung hat sich zwar als klassischer Bestandteil des Hochschulstudiums etabliert, ist aber lange nicht immer die adäquate didaktische Methode. So entstehen oftmals Redundanzen, weil Dozierende zentrale Lerninhalte wiederholt hervorheben müssen, wenn die Aufmerksamkeit unter den Studierenden natürlicherweise schwankt. Tim Tausendfreund nimmt die aktuelle Situation zum Anlass, um nach weiteren, besseren Formaten in der Online-Lehre zu suchen, ohne dabei die Studierenden mit neuen technischen Details zu belasten. «Ich stelle eine gewisse Tool-Fixiertheit fest, dabei geht es im Kern doch darum, dass wir an unseren Fachfragen arbeiten und erfolgreich Lerngemeinschaften etablieren», sagt der Sozialpädagoge.

Vor allem aber dürfe man das Wichtigste nicht vergessen: Die Menschen ausserhalb des Lehrbetriebs. Menschen, die gerade in einer Krisenzeit wie dieser auf Unterstützung angewiesen sind. «Unser Ziel muss sein, die aktuell wichtigen sozialen Fragen aufzugreifen und Inhalte nachhaltig zu vermitteln, um mehr Leute da draussen zu erreichen und ihnen zukünftig bedeutungsvollere Angebote machen können.»

Letztlich betrifft das ausser Lehre und Weiterbildung auch die beiden anderen Leistungsbereiche des Departements Soziale Arbeit, nämlich die Forschung und die Beratung. So kommt es laut dem interimistischen Direktor Frank Wittmann in mehreren Projekten zu Verzögerungen. Unter anderem mussten einige Feldstudien und Umfragen verschoben werden. «Die Zeit ist dennoch nicht verloren, sondern kann von den Forschenden unter anderem dazu genutzt werden, bereits vorliegenden Daten zu analysieren», sagt Wittmann. Was die Beratungen angeht, so werden Online-Dienstleistungen ausgearbeitet. Auch hier wird der Aufwand nicht umsonst sein: «Wir suchen nach Lösungen, die wir langfristig und für alle Seiten gewinnbringend nutzen können.»