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«Das neue Kinder- und Jugendheimgesetz tut Not»

Aktuell ist das neue Kinder- und Jugendheimgesetz (KJG) des Kantons Zürich in der Beratung. Es soll das seit 1962 geltende Gesetz über die Jugendheime und Pflegekinderfürsorge ablösen. Thomas Gabriel, Leiter des Instituts für Kindheit, Jugend und Familie der ZHAW Soziale Arbeit, über Hintergründe und Herausforderungen.

Thomas Gabriel, worin lag die Notwendigkeit einer neuen Gesetzgebung begründet?
Das aktuell geltende Gesetz über die Jugendheime und die Pflegekinderfürsorge ist über fünfzig Jahre alt. Es ist weder den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen angemessen, noch lässt es sich mit den Ansprüchen an moderne und zeitgemässe Kinder- und Jugendhilfesysteme vereinbaren. In den vergangenen fünfzig Jahren hat sich zudem die Gesetzeslage auf der Ebene des Bundes und auf der kantonalen Ebene stark verändert (u.a. Pflegekinderverordnung PAVO, Volksschulgesetz, Sozialhilfegesetz, Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht). Dies hat eine Vielzahl an Schnittstellenfragen und unklaren Zuständigkeiten hervorgebracht, die das neue KJG regelt.

Was bedeutet das neue Gesetz für die betroffenen Kinder und Jugendlichen?
Für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihre Familien ist es ein grosser Fortschritt, dass ambulante und stationäre Hilfen im selben Gesetz und nach den gleichen finanziellen Prämissen geregelt werden. Die bisherige strenge formelle Unterscheidung zwischen ambulanter und stationärer Kinder- und Jugendhilfe wird zugunsten einer Flexibilisierung der Angebote aufgegeben. Die Angebote können dadurch besser auf die Bedürfnisse der Heranwachsenden und ihrer Familien abgestimmt werden.

Das neue KJG zielt auf die Sicherstellung eines bedarfsgerechten Jugendhilfeangebots im Kanton Zürich ab. Die Situation aller Kinder und Jugendlichen ‒ aber insbesondere der gefährdeten Heranwachsenden ‒ wird damit ein zentraler Bezugspunkt der zukünftigen Versorgungssteuerung. Damit wird das neue KJG auch der Empfehlung der UN Kinderrechtskonvention an die Schweiz gerecht, die Sammlung von Daten zur Situation der Kinder in allen Bereichen der Kinderrechtskonvention «unverzüglich zu verbessern».

Wo sehen Sie Chancen und Herausforderungen für Fachleute der Sozialen Arbeit?
Die Flexibilisierung traditioneller Jugendhilfemassnahmen und die Entwicklung neuer Angebote an ergänzenden Hilfen zur Erziehung sind eine Chance und eine fachliche Herausforderung für die Soziale Arbeit. Hier kann viel aus den Erfahrungen anderer europäischer Länder gelernt werden, falls sie sorgsam interpretiert werden. Der Anspruch einer fachlichen Steuerung der Jugendhilfe ist zudem immer auch gegen ökonomische und politische Interessen abzuwägen. Es braucht gute Argumente, um die Interessen und Bedürfnisse der Kindern und Jugendlichen sichtbar zu machen und auch die passenden Hilfsangebote zu entwickeln.

Wo sehen Sie die Rolle der Hochschule in diesem Diskurs?
Unsere Hochschule hat die Rolle eines «critical friend», der Entwicklungen begleitet und vorhandenes Wissen im Dialog mit der Praxis und den Entscheidungsträgern in Amt und Politik zur Verfügung stellt. Der heikle Aspekt besteht darin, den «friends» auch unbequeme Fragen zu stellen. Beispielsweise dazu, wie nachhaltig die Effekte der Jugendhilfe sind und ob die Perspektive der Kinder und Jugendlichen bei Platzierungen ausreichend einbezogen wird. Diese kritische Haltung ist jedoch nicht Selbstzweck: Ihr Ziel ist vielmehr eine gemeinsame Weiterentwicklung der Praxis und Theorie der Kinder- und Jugendhilfe.

Tagung

An der Tagung «Wer A sagt, muss B denken. Themen zum neuen Kinder- und Jugendheimgesetz im Disput» vom 2. Februar 2017 werden ausgewählte Aspekte zum neuen Gesetz kontrovers diskutiert. Angesprochen sind Fachleute des AJB, der sozialpädagogischen Einrichtungen, weitere vom neuen Gesetz Betroffene sowie Dozierende und Forschende.