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Sozialmanagement von unten

Auch nach 25 Jahren Bestehen sind Sinn, Zweck und Ziele von Sozialmanagement bei Mitarbeitenden in der Sozialen Arbeit nicht vollständig angekommen.

von Petra Gregusch und Miriam Wolf
Im Gegenteil: In vielen Organisationen des Sozialbereichs herrscht das Gefühl vor, dass Management und sozialarbeiterische Fachkräfte nicht an einem Strang ziehen. Woher kommt das? Und wie könnte Sozialmanagement zu einer stärkeren Stütze für eine professionelle Soziale Arbeit werden? Angesichts zunehmender prekärer Arbeitsbedingungen in Organisationen, in denen die Soziale Arbeit tätig ist, ist es an der Zeit, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter selbst das Zepter in die Hand nehmen und an deren Gestaltung mitdenken und mitwirken.

Sinn, Zweck und Ziele von Sozialmanagement – Besinnung auf die Wurzeln

Sozialmanagement in der Sozialen Arbeit gibt es nicht erst seit der Erfindung dieses Begriffs in den 1970er Jahren. Ein Blick auf die internationale und nationale Geschichte der Sozialen Arbeit zeigt, dass Sozialmanagement – sowohl im Verständnis der Ausgestaltung sozialer Einrichtungen als auch der Mitgestaltung des Sozialen bzw. sozialer Systeme – seit Beginn der Professionalisierung Sozialer Arbeit ein Thema war. Management wurde in der Sozialen Arbeit nach innen und nach aussen gedacht: als politisch und ökonomisch angelegte Organisation von Unterstützung und Förderung, verfolgte sie den Zweck, soziale Reformen voranzutreiben mit dem Ziel, zur Verbesserung der Lebenslagen Hilfe bedürftiger Menschen sowie des gesellschaftlichen Zusammenlebens beizutragen. 

Ablehnung und unkritische Übernahme des Sozialmanagements in der Sozialen Arbeit …

Zur strikten Ablehnung des Sozialmanagements kam es erst mit der politisch induzierten Liberalisierung des Sozialen, in dessen Folge sich Führungskräfte markt- und betriebswirtschaftliches Denken einverleibten, das den organisationalen Steuerungsprozess zu dominieren begann. Wird dieser Prozess so weit getrieben, dass er paradigmatisch auf die Soziale Arbeit übergreift, bewirkt er, dass Fachkräfte ihren professionellen Auftrag nicht mehr im Sinne der zielspezifischen, ethischen und methodischen Maxime Sozialer Arbeit erfüllen können. Ein ausschliesslich ökonomischen Gesetzmässigkeiten verpflichtetes Management pflegt eine auf Effizienz und Konkurrenz ausgerichtete Fachkultur, während Effektivität und Kooperation immer weiter in den Hintergrund rücken. 

… und Gefahren davon

Die unkritische Übernahme, aber auch die Nichteinmischung bergen die Gefahr, dass sich ein reduktionistisches Menschen- und Gesellschaftsbild durchsetzt, das professionelles Arbeiten im Verständnis Sozialer Arbeit obsolet machen kann. Anzeichen dafür, dass in einer sozialen Organisation paradigmatische Übergriffe stattgefunden haben, sind etwa: Dominanz des Kontrollmandats; auf Ressourcenaktivierung reduziertes Hilfemandat; Uminterpretation professionellen Handelns als Managementhandeln; aussenorientiertes vor fachlich inhaltlichem Qualitätsmanagement. Parallel zur fachlichen Entfremdung vergrössert sich die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz, sei es durch Arbeitsverdichtung, verkürzte Zeitvorgaben, Entwertung durch Vorgesetzte oder gar Androhungen zur Auflösung einer Trägerorganisation.

Ansprüche an ein professionelles Sozialmanagement

Im neueren Sozialmanagementdiskurs besteht Einigkeit darüber, dass ein professionelles Sozialmanagement die Vorstellung einer guten Organisation Sozialer Arbeit impliziert. Dies zieht wiederum nach sich, dass Führungskräfte Kenntnis von Konzeptionen professioneller Sozialer Arbeit haben, so dass sie generalisiertes Managementwissen «reflektiert im Hinblick auf die spezifischen Aufgabestrukturen und Bedingungen in der Sozialen Arbeit vollziehen» (Merchel 2016:293). Ebenso zieht es nach sich, dass Sozialmanagement – als Subdisziplin Sozialer Arbeit verstanden – dazu verhilft, dass Professionelle im Kontext fachlicher, organisatorischer und gesellschaftlicher Bedingungen auf ihren Gegenstand bezogene Veränderungen effektiv, effizient und ethisch verantwortlich erreichen.

Auftrag eines professionellen Sozialmanagements

Sozialmanagerinnen und -manager haben damit den Auftrag, zur Professionalisierung Sozialer Arbeit beizutragen. In diesem Kontext entsteht – vergleichbar der Sozialen Arbeit – ein Doppelmandat, bei dem ihnen die Aufgabe zukommt, im Spannungsfeld professioneller Sozialer Arbeit – Sozialwesen, Politik und Wirtschaft – zu agieren. Wie in der Sozialen Arbeit auch, sind dabei Zielkonflikte zwischen den Akteuren unvermeidlich. Zu deren Bearbeitung steht es einem professionellen Sozialmanagement an, über die Grundlagen ihres Tripelmandats nachzudenken. Hieran können Beiträge von Fachkräften ansetzen.

Sozialmanagement von der Basis – Lernen von Sozialer Arbeit …

Soziale Arbeit bewegt sich seit jeher im Spannungsfeld zwischen Aufträgen ihrer Adressaten und der Trägerorganisationen im Sozialwesen bzw. in der Gesellschaft. Relative Autonomie im Zusammenhang mit Entscheidungs- und Handlungsspielräumen gelten dabei heute als konstitutives Merkmal von Professionen. Relative Autonomie bedeutet, in Relation zum Mandat der Adressaten und Trägerorganisation selbstbestimmt zu handeln. Staub-Bernasconi hat hierfür den Begriff des Tripelmandats geprägt und postuliert zwei Kompetenzdimensionen: (1) die Fähigkeit, wissenschaftliches Wissen in Arbeitshypothesen und Handlungsregeln für die Praxis zu transformieren zur adäquaten Problembearbeitung und (2) die Etablierung eines Ethikkodexes, um die Problemlösungen auch ethisch-moralisch beurteilen zu können und sich gegen Interessen und Zumutungen von aussen distanzieren zu können.

… zur Entwicklung eines Selbstverständnisses des Sozialmanagements

Bezogen auf das Sozialmanagement stellen sich damit die Fragen nach ihrer disziplinären Wissensbasis und nach dem Menschen- und Gesellschaftsbild, dem Wandelverständnis, den Wertmassstäben und damit verbundenen ethisch-moralischen Maximen, die sozialen Organisationen zugrunde gelegt werden. Anknüpfungsmöglichkeiten bildet die Soziale Arbeit als transdisziplinäre Handlungswissenschaft. 

Was können Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter beitragen?

Der Beitrag von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern an ein professionelles Sozialmanagement besteht letztlich darin, den bestehenden Positionen nachzugehen, Kongruenzen und Diskrepanzen zu identifizieren und zu kommunizieren und die Entwicklung von Sozialmanagement damit proaktiv mitzugestalten. Wehklagen nützt nichts. Nur wenn die Soziale Arbeit aus sich heraus Ansätze zu guter Organisation Sozialer Arbeit und Konzepte zur Gewährleistung relativer Autonomie beim Handeln in Organisationen entwickelt, können auch Effektivität, Effizienz und Wünschbarkeit gewährleistet werden. Ein Beitrag an ein professionelles Sozialmanagement bedingt somit eine dezidierte Position über professionelle Soziale Arbeit. Vergessen werden darf dabei nicht: Wirkung lässt sich nur über den Zusammenschluss der Fachkräfte erzeugen.