Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Sozialhilfe gibt es weltweit

Was viele nicht wissen: Wer im Ausland lebt und in finanzielle Not gerät, kann Sozialhilfe beziehen. Ganz uneigennützig ist diese Schweizer Besonderheit nicht.

Rund elf Prozent der Schweizer Bevölkerung leben im Ausland, das sind mehr als 800 000 Personen. (Bild: iStock)

von Mirko Plüss

Seit 15 Jahren wohnt der Schweizer IT-Fachmann in Sri Lanka. Anfangs lief sein Geschäft gut. Mit den Jahren wurden die Aufträge weniger und die finanzielle Lage des IT-Fachmanns wurde immer düsterer. Irgendwann stand er ohne Job und Geld da. In seiner Not wandte sich der Mann an die Schweizer Botschaft in Colombo und beantragte Sozialhilfe. Die Unterstützung aus dem Heimatland ermöglichte es ihm, sein Leben im Ausland weiterzuführen und eine neue Stelle zu suchen.

Rund elf Prozent der Schweizer Bevölkerung leben im Ausland. Letztes Jahr waren es erstmals über 800 000 Personen. Geraten sie in finanzielle Schwierigkeiten, müssen sie nicht gleich die Heimreise antreten. Denn Sozialhilfe steht auch Auslandschweizer:innen zu.

Tiefe Sozialhilfequote im Ausland

Das Beispiel mit dem IT-Fachmann in Sri Lanka ist zwar fiktiv, ähnliche Geschichten hört das kleine Team, das sich beim Bund eigens um die Sozialhilfe ausserhalb der Schweiz kümmert, aber regelmässig. «Wir leisten in unserem Fachbereich weder Touristenhilfe noch wirtschaftliche Aufbauhilfe», sagt Alessandro Monti. Er ist Senior Advisor des Fachbereichs Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS).

Die Kriterien für den Bezug von Sozialhilfe des Bundes seien klar geregelt: Es haben nur Personen Anspruch, die keinen Wohnsitz in der Schweiz haben und bei denen im Falle einer Doppelbürgerschaft die ausländische Staatsangehörigkeit nicht «vorherrscht». Das zu beurteilen, ist nicht immer einfach: «Wir schauen uns an, wo die Person ihre Kindheit und ihre Ausbildungsjahre verbracht hat, wie lange sie schon im Ausland lebt, welche Sprache sie spricht und wie oft sie die Schweiz besucht», sagt Monti.

Kontakt via Skype

Diese Kriterien wurden gemeinsam mit Migrationsexpert:innen entwickelt. Pro Jahr wird in rund sechs bis acht Dossiers beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen verfügte Entscheide eingereicht. «In über 90 Prozent der Fälle wird unsere Einschätzung bestätigt», sagt Monti. Letztes Jahr unterstützte der Bund weltweit in 342 Fällen mit Sozialhilfe. Die Bezugsquote ist damit deutlich tiefer als in den Kantonen.

Logisch, dass der Alltag des sechsköpfigen Teams, das auch vier Sozialarbei­ter:innen zählt, etwas anders aussieht als beim Sozialamt in Rorschach oder Liestal. Schliesslich leben die Auslandschweizer:innen in über 200 verschiedenen Ländern. Jede:r Mitarbeiter:in betreut daher mehrere Länder. Die Anmeldegesuche werden von den Schweizer Botschaften und Konsulaten der entsprechenden Länder eingereicht. Müssen Bankdaten oder andere Dokumente eingefordert werden, läuft der Kontakt ebenfalls über Botschaft oder Konsulat. «Je nach Fallkonstellation nehmen wir aber vermehrt auch persönlich Kontakt zu den Antragstellenden auf», sagt Alessandro Monti. Via Skype funktioniere das heutzutage ziemlich gut.

Klärung falscher Annahmen

Etwas aufwendiger wird es bei komplexen und undurchsichtigen Gesuchen. In solchen Fällen reicht Skype nicht, um sich ein Bild zu machen. Braucht es umfangreichere Abklärungen, kann die SAS eine:n Mitarbeiter:in der entsprechenden Botschaft beauftragen, einen Hausbesuch zu machen. Dabei wird beurteilt, ob die Sozialhilfe angemessen ist und zweckbestimmt verwendet wird. Zudem wird geprüft, ob die Bedürftigkeit gegeben ist, und man achtet allenfalls in Absprache mit dem Vertrauensanwalt der Botschaft darauf, ob bei Verdachtsmomenten ein Ausschlussgrund nach dem Auslandschweizergesetz vorliegt.   

Regelmässig müssen die Mitarbeitenden der SAS falsche Erwartungen aus der Welt schaffen. Denn wer im Ausland Sozialhilfe bezieht, bekommt weniger Geld, als wenn er in der Schweiz Unterstützung beziehen würde. Die SAS richtet sich nach den Unterstützungsansätzen der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe SKOS, rechnet diese aber länderspezifisch um.

Subsidiaritätsprinzip

Für den IT-Fachmann aus Sri Lanka heisst das: 700 Franken bekäme er, wenn er in der Schweiz leben würde. Es ist der von der SKOS vorgegebene Teil des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt. Die 700 Franken werden nun aber in die entsprechende Landeswährung umgerechnet und um die Kaufkraft bereinigt. Was bedeutet, dass der IT-Fachmann in Sri Lanka pro Monat 200 Franken bekommt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Weitere Ausgaben wie Miete oder Verkehrskosten werden nach effektiver Höhe übernommen, wenn sie verhältnismässig sind. 

Der Grundsatz der Subsidiarität gilt auch bei der Sozialhilfe im Ausland: Hilfe wird nur gesprochen, falls im Land selbst keine Unterstützung gewährt wird oder die Leistungen nicht ausreichen. Neben monatlichen Geldern bezahlt die SAS auch einmalig für medizinische Auslagen, wie folgendes Beispiel zeigt: Eine in Neuseeland wohnhafte Auslandschweizerin wurde kürzlich bei einem Aufenthalt auf den Fidschi-Inseln überfallen und verletzt. Da die medizinische Behandlung auf den Fidschi-Inseln ungenügend ist, organisierte die SAS einen Ambulanz-Jet, mit dem die Frau in ein Spital nach Neuseeland zurückgeflogen werden konnte.

Teil der humanitären Tradition

Und falls am anderen Ende der Welt dann doch einmal alle Stricke reissen, ist die SAS ebenfalls zur Stelle: Wer kein Geld mehr hat, die Voraussetzungen für die Unterstützung vor Ort nicht erfüllt und definitiv in die Schweiz zurückkehren will, kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Es ist eine Schweizer Besonderheit, dass die soziale Sicherung in dieser Breite weltweit greift. Viele Länder unterstützen ihre Bürger:innen im Ausland gar nicht, andere haben strenge Regeln. Auslandsdeutsche beispielsweise erhalten grundsätzlich keine Sozialhilfe. Ausnahmen macht Deutschland einzig bei Notlagen und nur dann, wenn die Person nicht zurückkehren kann.

Bei der Schweiz spielt auch der finanzielle Aspekt eine Rolle: «Wenn wir jemanden in einem Pflegeheim in Südafrika unterstützen, kostet uns dies monatlich etwa 1000 Franken.» Während derselbe Fall in der Schweiz bis zu 10 000 Franken kosten könne, so Monti. Hauptsächlich habe es aber mit dem gesellschaftlichen Selbstverständnis zu tun, dass die Schweiz ihre Bürger:innen auch im Ausland unterstützt, sagt Monti: «Es entspricht unserer humanitären Tradition.»

Sind Sie interessiert an einer Weiterbildung in Sozialrecht?

Wir vermitteln die wesentlichen rechtlichen Grundlagen des Sozialwesens und ermöglichen eine vertiefte Expertise in den Bereichen Sozialversicherungsrecht, Sozialhilferecht sowie Kindes- und Erwachsenenschutzrecht.

Weiterbildungsangebote in Sozialrecht