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Gesundheit

Risikofaktor Hitze – So geht der Körper damit um

Hitze kann uns zusetzen, insbesondere bei der Arbeit, wenn es wenig Möglichkeiten für Abkühlung und Pausen gibt. Welche gesundheitlichen Risiken bringen hohe Temperaturen mit sich? Isabel Baumann, Professorin für Public Health am ZHAW-Departement Gesundheit, und Doktorand Remo Fortunato erklären, welche Rolle Arbeitgebende beim Schutz vor Hitze und Sonne spielen und welche Massnahmen helfen können.

«Hitze ist ein Stressor», sagt Isabel Baumann, Professorin für Public Health am ZHAW-Departement Gesundheit. «Wir fühlen uns am wohlsten bei tiefen Zwanzigertemperaturen.» Bewegen sich die Temperaturen weg von diesem Idealbereich, können Menschen sich wohl daran gewöhnen, aber nur bis zu einem gewissen Grad – das darf man ruhig wörtlich nehmen. «Die Risiken nehmen zu, wenn das Barometer auf über 30 Grad steigt», sagt die Expertin für Arbeit und Gesundheit.

Von der Hitze am stärksten betroffen sind in der Regel ältere Menschen, Säuglinge und Kinder sowie Schwangere. Aber auch Arbeitnehmende können hohen gesundheitlichen Risiken durch Hitze ausgesetzt sein. «Dies liegt einerseits daran, dass man bei der Arbeit Verpflichtungen hat, denen man nachkommen muss», sagt Isabel Baumann. «Der Arbeitsort, der Arbeitsablauf und das Volumen sind häufig vorgegeben und lassen sich nicht so einfach anpassen.» 

Gesundheitsrisiken durch Hitzewellen

Andererseits bedeuten hohe Temperaturen für Arbeitnehmende häufig rascher ein Gesundheitsrisiko, wenn die Arbeit mit hoher Intensität einhergeht. «Körperliche Aktivität erhöht die metabolische Rate (Stoffwechselaktivität) und somit die Köpertemperatur», erklärt Remo Fortunato, der seine Doktorarbeit zum Thema am Institut für Public Health der ZHAW sowie dem Schweizerischen Tropenforschungs- und Public Health-Institut in Basel schreibt. «Dies fordert unseren Körper bei Hitze besonders heraus, da er versucht unsere Temperatur bei ca. 37°C stabil zu halten.» 

Der getaktete Arbeitsablauf und die hohe Intensität der Arbeit gehören zum Berufsalltag von Gesundheitsfachpersonen und Pflegenden. Zu deren Gesundheitsrisiken durch Hitzewellen führen Baumann und Fortunato zusammen mit weiteren Forschenden gerade eine Studie durch. In dieser untersuchen sie, wie sich Hitzeexposition während des Arbeitstags auf verschiedene Aspekte der Gesundheit wie Schlaf oder psychische Gesundheit auswirkt und welche Massnahmen den Arbeitnehmenden Entlastung bringen könnten. 

Entlastung zu finden, ist gar nicht so einfach, da die naheliegendsten Massnahmen wie die Reduktion der Arbeitsintensität häufig schwierig umzusetzen sind. Die Forschenden entwickeln daher mit Arbeitgebenden und ihren Mitarbeitenden zusammen Massnahmen, die Linderung schaffen sollen und gleichzeitig mit den Tätigkeiten der Gesundheitsfachpersonen vereinbar sind. 

Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden

Arbeitgebende haben eine Fürsorgepflicht bezüglich des Gesundheitsschutzes ihrer Mitarbeitenden – das gilt nicht nur im Zusammenhang mit Hitze. Wie dieser Gesundheitsschutz im Alltag umgesetzt werden soll, ist aber weniger klar vorgegeben. So gibt es zum Beispiel keine allgemeine Temperaturobergrenze, ab der nicht mehr gearbeitet werden darf – mit Ausnahme von gewissen Personengruppen wie Schwangeren oder Minderjährigen. «Gesetzlich geregelt ist aber, dass Massnahmen getroffen werden müssen, wenn gesundheitliche Risiken bestehen, und dass die Mitarbeitenden in die Erarbeitung der Massnahmen einbezogen werden sollten», sagt Baumann.

Hitze stellt eine Belastung für den Körper dar. Sobald der Körper aus der Komfortzone kommt, setzt die Thermoregulation ein. Bei grosser Hitze schwitzen wir und die Blutgefässe erweitern sich – insbesondere in der Peripherie bei Händen und Füssen –, um möglichst viel Wärme abzuführen. Dabei ist zu beachten, dass die Reaktionen des Körpers immer sehr individuell ausfallen. 

Bei Temperaturen über ca. 35 Grad bleibt nur noch das Schwitzen als Kühlungsoption, denn die maximale Hauttemperatur liegt bei rund 35 Grad. Das Schwitzen ermöglicht die Verdunstungskühlung. Doch auch dieser sind Grenzen gesetzt. Ab 35 Grad steigt das Risiko eines Hitzestaus oder gar Hitzschlags stark an. 

Kalte Getränke kühlen

Bei grosser Hitze beobachtet man auch eine Zunahme an Notfalleinweisungen wegen akuten Nierenschäden sowie psychischen, neurologischen und Infektionserkrankungen inklusive Lungenentzündungen, was vielleicht überraschend erscheinen mag, da man diese sonst eher mit Kälte assoziiert. Weiter beobachtet man eine erhöhte Sterblichkeit bei Demenzerkrankungen, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Viele dieser Effekte sind auf Dehydrierung und allenfalls auch Störung des Elektrolythaushalts zurückzuführen. Es ist deshalb wichtig, genügend zu trinken. Auch verliert der Körper bei starkem Schwitzen Salze, dies sollte berücksichtigt werden.

Bei der Temperaturregulation spielt auch die Luftfeuchtigkeit eine wichtige Rolle: Je höher sie ist, desto weniger «nützt» schwitzen. Immer wieder liest man Empfehlungen, dass feuchte Tücher, die in der Wohnung aufgehängt werden, zur Kühlung beitragen sollen. «Das Gegenteil ist der Fall», sagt Isabel Baumann. «Die Tücher sorgen für eine höhere Luftfeuchtigkeit und behindern so das Schwitzen.» 

Und Remo Fortunato räumt gleich mit einem weiteren Mythos auf. Viele Menschen sind davon überzeugt, dass man warme Getränke trinken sollte, wenn es heiss ist, weil diese oft in südlichen Ländern serviert werden.  «Warme Getränke kühlen nicht. Kalte Getränke kühlen», sagt Fortunato. Warum in warmen Regionen und Wüstengebieten heisser Tee serviert wird, dürfte weniger mit Wärmeregulation zu tun haben als mit Hygiene: «Wärme begünstigt – wie bereits erwähnt – das Wachstum von Erregern, durch das Kochen werden diese im Wasser abgetötet», erklärt Fortunato. «Das Letzte, was man in der Wüste will, ist Durchfall.» Zu kalt sollten die Getränke aber auch nicht sein, denn: «Ist es unangenehm zu trinken, weil beispielsweise die Zähne empfindlich reagieren, dann trinkt man weniger.»

Thermisches Neuland

«Das Thema ‹Hitze› ist in der Nordschweiz eher neu», hält Isabel Baumann fest. «Bei Arbeitgebenden und auch auf der Ebene der Gesetzgeber wachsen aber das Bewusstsein und die Verantwortung in Anbetracht der klimatischen Entwicklungen.» Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO und die Suva unterstützen Arbeitgebende bei der Entwicklung und Umsetzung von Massnahmen anhand von Checklisten, Vorlagen für Massnahmenpläne und Beratung. 

Der Schutz der Gesundheit der Mitarbeitenden ist nicht nur aus ethischer Sicht notwendig, sondern auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht. «Gerade im Gesundheitsbereich – aber nicht nur dort – haben wir als Gesellschaft ein Interesse, dass die Versorgung während Hitzewellen sichergestellt ist», sagt Baumann. So können die von Hitze am stärksten betroffenen Personen unterstützt und im Notfall pflegerisch und medizinisch behandelt werden.