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Ein digitalisiertes Gesundheitswesen braucht Vertrauen

Der dritte Digital Health Lab Day der ZHAW vom 16. September 2021 zeigte eindrücklich die Vielfalt digitaler Lösungen für das Gesundheitswesen auf. Der Anlass machte aber auch klar: Um Innovationen erfolgreich zu implementieren, ist mehr als bloss technisches Know-how nötig.

Werden im Gesundheitswesen bald Roboter, Chatbots und künstliche Intelligenz die Aufgaben von Gesundheitsfachpersonen übernehmen? Und führt die Digitalisierung dazu, dass es im Gesundheitswesen bald keine menschlichen Interaktionen mehr gibt? Diese Fragen stellte Andreas Gerber-Grote, Direktor des ZHAW-Departements Gesundheit, in den Raum, als er die Teilnehmenden des 3. Digital Health Lab Day im Haus Adeline Favre begrüsste. Er beantwortete sie gleich selbst: Wir wissen es nicht. «Die digitale Kristallkugel wurde noch nicht erfunden. Bleiben wir also bei der Digital Health bei dem, was wir in naher Zukunft umsetzen können», sagte er. Mit Blick auf das Thema des ganztägigen Anlasses – Implementing Digital Health Innovations – unterstrich Gerber-Grote, wie wichtig der Einbezug sämtlicher Beteiligter, insbesondere der Nutzerinnen und Nutzer, bei der Implementierung digitaler Lösungen ist. «Jede Technologie muss von Anfang an mit allen Akteurinnen und Akteuren geplant und umgesetzt werden. Vergessen wir deshalb nicht die Patientinnen und Klienten sowie die Gesundheitsfachpersonen.»

Nutzen muss aufgezeigt werden

Welche Innovationen es im Bereich Digital Health gibt und wie diese in die im Gesundheitswesen implementiert werden können, wurde am Digital Health Lab Day in Keynotes, Workshops, Start-up-Pitches, in einer Sponsorenausstellung sowie weiteren Formaten auf abwechslungsreiche Art aufgezeigt. Über 300 Personen aus Bildung, Wirtschaft und Gesundheitswesen nahmen am hybriden Anlass teil – rund 170 vor Ort, weitere 150 per Livestream. Sven Hirsch, Leiter des ZHAW Digital Health Labs, legte in einem einführenden Referat dar, wie die Digitalisierung mittels Standardisierung von Abläufen und der Erhebung grosser Datenmengen die Gesundheitsversorgung verbessern kann. Für die Implementierung von Innovationen müssten jedoch verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Eine der wichtigsten: Vertrauen. «Vertrauen ist die Basis. Ohne sie können Innovationen im Gesundheitswesen nicht erfolgreich umgesetzt werden», so Hirsch. Um dieses Vertrauen zu schaffen, müssten die Patienten und Stakeholder miteinbezogen sowie der Nutzen und die Wirksamkeit gemessen und aufgezeigt werden. Weiter brauche es den Schutz von Daten und Privatsphäre und enge Beziehungen zu Praxis und Grundlagenforschung.

Der digitale Frühling beginnt

Dass das Vertrauen in digitale Lösungen ebenso rasch verloren gehen kann, wie es gewonnen wurde, illustrierte Alfred Angerer vom Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) in seinem Referat zum Digital Health Report 2021 am Beispiel des Datenschutz-Skandals um meineimpfungen.ch. Die Plattform, die das Impfbüchlein digitalisieren wollte, wurde im Frühsommer 2021 wegen Sicherheitslücken eingestellt, rund 450’000 Personen hatten seither keinen Zugriff mehr auf ihre Daten und konnten diese auch nicht löschen lassen. «Derzeit traut zwar ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung den Behörden und Unternehmen einen sicheren Umgang mit elektronischen Patientendaten zu. Ein weiterer Datenschutz-Skandal wie meineimpfungen.ch könnte dieses Vertrauen allerdings nachhaltig zerstören.» 

Mit Blick auf den Grad der Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen zeigte sich Angerer vorsichtig zuversichtlich: «Wir verlassen den analogen Winter, der digitale Frühling beginnt – allerdings etwas langsamer als in anderen Ländern.» Die Schweiz müsse deshalb aufpassen, dass sie von anderen Ländern nicht abgehängt werde – beispielsweise von Deutschland, das in den letzten Monaten mit neuen Gesetzen und der Bereitstellung von Geldern ein Momentum geschaffen hat, um die Digitalisierung seines Gesundheitswesens voranzutreiben.

Workshops zu künstlicher Intelligenz und Assistenzrobotern

Dass es trotz des teils schleppenden Tempos, beispielsweise bei der Einführung eines elektronischen Patientendossiers, in der Schweiz zahlreiche Visionen, Forschungsprojekte, Geschäftsmodelle und Produkte für ein digitales Gesundheitswesen gibt, wurde den Teilnehmenden des Digital Health Lab Days in Workshops und mit einem Start-up-Pitch anschaulich vor Augen geführt. Die 14 Workshops für die Teilnehmenden vor Ort befassten sich mit einer breiten Palette von digitalen Lösungen und deren konkreten Anwendungsbereichen im Gesundheitswesen. So wurde beispielsweise aufgezeigt, wie mit künstlicher Intelligenz Logistik- und Planungsprozesse im Gesundheitswesen effizienter und effektiver gemacht werden können, wie Virtual Reality in der Therapie eingesetzt werden kann oder wo heute bereits Assistenzroboter und soziale Roboter zum Einsatz kommen. Die Teilnehmenden der einzelnen Workshops diskutierten danach im Plenum oder in Kleingruppen mögliche Einsatzmöglichkeiten, Chancen und Risiken sowie weitere Aspekte der verschiedenen Technologien und digitalen Lösungen.

Start-ups stellen ihre Produkte vor

In den Start-up-Pitches stellten acht Jungunternehmen in aller Kürze dem Publikum ihre Geschäftsidee vor. Dabei zeigte sich auch hier das weite Feld an Anwendungsmöglichkeiten für digitale Produkte: Vom Geo-Tracking und smarten Management medizinischer Geräte in Spitälern mithilfe von Beacons (Sendern), über spezielle Ohrstöpsel, mit denen Gehirnaktivitäten gemessen werden können, bis zur Softwarelösung, welche die Daten von Wearables und Smartphones validiert und für weitere digitale Anwendungen in der Gesundheitsversorgung nutzbar macht. Die besten Pitches wurden von einer Jury des Digital Health Lab Day sowie vom Publikum prämiert. Den Jury-Preis erhielt Resmonics, ein Start-up, das Smartphones in «Schutzengel» für Menschen mit einer Atemwegserkrankung verwandelt: Ihre erste Anwendung analysiert während des Schlafs den Husten von Menschen mit Asthma und schlägt Alarm, falls sich eine schwerer Asthma-Anfall ankündigt. Das Publikumsvoting gewann die Innovation 6 AG mit ihrer App TOM. Diese unterstützt beim Medikamenten- und Therapie-Management, etwa mit einem Pillenalarm oder der Möglichkeit, Messwerte und Aktivitäten einzutragen.

Technologie, Gesundheit und Wirtschaft vereint

Der Digital Health Lab Day der ZHAW wurde 2019 zum ersten Mal durchgeführt, dieses Jahr fand er zum ersten Mal am Departement Gesundheit in Winterthur statt. Der Anlass wird vom ZHAW Digital Health Lab organisiert, einer virtuellen interdepartementalen Organisation der Hochschule. An dieser sind mehrere Departemente und Institute der ZHAW beteiligt. Dadurch bündelt das Lab eine Vielzahl von Aktivitäten im Bereich Digital Health und vereint die Kompetenzfelder Technologie, Gesundheit und Wirtschaft innerhalb der ZHAW. Für den Digital Health Lab Day arbeitet die Organisation eng mit Partnern und Sponsoren zusammen, die den Anlass ideell und finanziell unterstützen.