Mission: Ukraine
Eine Initiative zur Rehabilitation von Kriegstraumatisierten in der Ukraine wurde von Dozentinnen der Institute Physiotherapie und Ergotherapie unterstützt.
Die Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze zwischen Polen und der Ukraine sind rigoros. Minutiös werden die Dokumente der Einreisenden überprüft. «Darum empfiehlt es sich in der Nacht zu fahren. Dann hat es weniger Leute auf der Strasse», sagt Florence Messerli, Dozentin am Institut für Physiotherapie. Sie reiste zusammen mit Ellard van der Molen von der Kinder-Reha Schweiz Ende August in die Ukraine. Eine Woche später machten sich die Ergotherapeutinnen Beate Krieger, Dozentin am Institut für Ergotherapie der ZHAW und Renate Pfann (ehemals Kinderspital Zürich) auf den Weg in das Kriegsgebiet: «Wir standen beim Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine in einer Menschenschlange von rund einem Kilometer.»
Florence Messerli und Beate Krieger waren im Rahmen der Initiative zur Rehabilitation von Kriegstraumatisierten in der Ukraine unterwegs. Am 1. Juni 2022 wurde das Projekt der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und der Schweizer Botschaft in der Ukraine lanciert. Die NGO Patients of Ukraine, die von der WHO unterstützt wird, suchten Lehrpersonen in der Schweiz, die helfen würden, die Ausbildung von Physiotherapie- und Ergotherapie-Fachkräften in der Ukraine zu verbessern.
Die Reise ins Kriegsgebiet stellte erst die dritte Phase des Projekts dar. Die beiden vorhergehenden Ausbildungsphasen fanden online statt. In Phase 1 wurden in acht wöchentlichen Sitzungen gemeinsam mit einem ukrainischen Expert:innenteam Lehrmaterialien zur pädiatrischen Ergo- und Physiotherapie für ein Curriculum entwickelt und in Phase 2 getestet und umgesetzt. Dafür kam eine erweiterte Gruppe von zehn ausgewählten Dozierenden beider Studiengänge hinzu. Über einen Zeitraum von sechs Wochen fanden jeweils zwei berufsspezifische Vorträge pro Woche statt, die abwechselnd von Expertinnen aus der Ukraine und der Schweiz gehalten wurden.
Therapie mit traumatisierten Kindern
Das Ziel der beiden ZHAW-Delegationen war das Eurohotel in Lwiw. Die siebtgrösste Stadt der Ukraine gilt als die sicherste, aber dennoch heulten die Sirenen regelmässig während der Nacht: «Es ist ein Land im Krieg. Wir haben gewusst, worauf wir uns einliessen», sagt Beate Krieger. Die Wahrscheinlichkeit, im Eurohotel in Lwiw von einem Raketenangriff getroffen zu werden, sei doch recht gering, schätzt Florence Messerli.
Während des zweitägigen Präsenztrainings vertieften die Teilnehmenden die in den Online-Sitzungen erarbeiteten Inhalte und setzten sie direkt in praxisnahen Übungen um. «Das Ziel des Trainings war es, den Stoff nicht nur zu verstehen, sondern so auszuprobieren, dass die Teilnehmenden ihn später auch in ihrer eigenen Lehrpraxis anwenden und an Studierende weitergeben können», sagt Florence Messerli.
Die ukrainischen Lehrpersonen wünschten sich für die ergotherapeutische Vertiefung zwei Schwerpunkte: Einblick in motivierende Lehrarrangements in der Pädiatrie und den Beitrag der Ergotherapie mit traumatisierten Kindern. Der Ausbildung griff beides praktisch auf. Anhand pädiatrischer Beispiele erfuhren die Teilnehmenden, wie lebendig konstruktiv-partizipative Lehrmethoden wirken können. Anschliessend erlebten sie, wie Kinder nach einem Trauma durch selbstbestimmtes Handeln Stärke gewinnen. Gestalterische Techniken wie Malen oder das Nähen von «Power-Puppen» eröffneten dabei Entscheidungsfreiheit und Momente erlebter Selbstwirksamkeit, die in den entstandenen Werken nachwirkt.
Der Einsatz der Schweizer Delegation von Dozentinnen der ZHAW und den Therapeut:innen aus dem Umfeld des Kinderspitals Zürich wird nun durch die WHO evaluiert. «Dann wird entschieden, wie es weitergeht», sagt Florence Messerli. « Mich hat das grosse Engagement der Teilnehmenden schwer beeindruckt – ihr Einsatz, ihre Offenheit und der Wille, die Ausbildung weiterzubringen. Inmitten eines Krieges, nach vorne zu schauen, finde ich zutiefst bewundernswert und unglaublich stark.»

Florence Messerli
Dozentin am Institut für Physiotherapie

Beate Krieger
Dozentin am Institut für Ergotherapie