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Gesundheit

Physician Associates – Die unbekannte Berufsgruppe mit dem grossen Potenzial

Am 5. ZHAW-Symposium zur Rolle von Physician Associates wurden die Chancen und Herausforderungen des wenig bekannten Berufsbilds thematisiert.

Die Begeisterung von Karin Steele und Magali Mettler ist ansteckend, wenn sie von ihrem Job sprechen. Sie arbeiten als Physician Associates (PA) in der Hausarztpraxis Hofwis in Elsau. Die «KLIFS», wie sich Mettler und Steele nennen, ergänzen das Team von drei Hausärztinnen und einem Hausarzt nebst den medizinischen Praxisassistentinnen. Das Kürzel steht für klinische Fachspezialist:innen, der deutschen Umschreibung der Berufsbezeichnung. 

Im Vergleich zu den Ärzt:innen, die jeweils eine Viertelstunde pro Patient:in geplant haben, können sich die «KLIFS» doppelt so viel Zeit nehmen. In der halben Stunde führen sie Anamnesen, körperliche Untersuchungen und Verlaufskontrollen durch. Sie arbeiten eng mit den Ärzt:innen zusammen und übernehmen von diesen delegierte medizinische Aufgaben. 

Am 5. Symposium «Physician Associates / Klinische Fachspezialist:innen», das Anfang Mai vom ZHAW Departement Gesundheit in Kooperation mit dem Kantonsspital Winterthur, der Schweizer Ärztegesellschaft FMH und dem Institut für Public Health der ZHAW organisiert wurde, zeigten verschiedene Referent:innen eindrücklich, wie sie zur Entlastung der Ärzt:innen und Verkürzung der Wartezeiten für die Patient:innen beitragen. Doch nicht allein darauf beschränken sich die Vorteile, die klinische Fachspezialist:innen in einen Betrieb bringen. Dank ihrem qualifizierten Know-how bereichern sie die Anamnese mit einem zusätzlichen Blickwinkel, der den Arztbefund mit wertvollen Informationen ergänzen kann.

Unterschiedliche Akzeptanz

Diese Erfahrungen decken sich mit den Schilderungen von Prof. Dr. Peter Heistermann vom Deutschen Hochschulverband Physician Assistant und dem erfahrenen PA Quinten van den Driesschen, der in einer Hausarztpraxis in den Niederlanden tätig ist. Doch in der Akzeptanz und Ausbildung der Berufsgruppe zeigen sich Unterschiede. «In den Niederlanden hat die Regierung bereits im Jahr 2000 vorausgesehen, dass es zu einem Fachkräftemangel im medizinischen Bereich kommen wird», sagt der aus Nijmegen per Video zugeschaltete Quinten van den Driesschen. Ein Jahr später wurden die ersten Student:innen zu PAs ausgebildet. Heute entfallen in den Niederlanden auf 23'000 Fachärzt:innen und 13'000 Hausärzt:innen 2'800 PAs. Peter Heistermann zeigte in seiner Präsentation, dass in Deutschland die Bachelor-Ausbildungen förmlich «explodieren» und: «Die Akademisierung des Berufsbilds hat in Deutschland zu dessen Anerkennung und Positionierung wesentlich beigetragen.» Hand in Hand damit gehe auch eine hohe Versorgungsqualität, so Heistermann.

Aktuell führt der Weg zum Physician Associate in der Schweiz über eine Weiterbildung an der ZHAW, der einen Bachelor in einem Gesundheitsberuf oder eine entsprechende Fachausbildung voraussetzt. Die Hochschule arbeitet gemeinsam mit der Schweizer Ärztegesellschaft FMH und weiteren Fachverbänden seit längerem an der Einführung eines Bachelorstudiengangs für PA. «Wir haben ein Curriculum erarbeitet und wären bereit», sagte Prof. Dr. Andreas Gerber-Grote, Direktor des Departements Gesundheit der ZHAW. «Im Moment hoffen wir auf ein baldiges grünes Licht der politischen Entscheidungsträger für den Start eines solchen BSc Physician Associate, denn von der Praxis bekommen wir viele Anfragen.»

Positive Erfahrungen

Das ist nicht weiter verwunderlich. Die Erfahrungen aus der Praxis fallen sowohl bei den Spitälern, Arztpraxen und Pflegheimen als auch bei den Patient:innen positiv aus. Letztere werden beim Erstkontakt mit den klinischen Fachspezialist:innen von diesen über ihre Rolle und Funktion aufgeklärt, denn oft entsteht der Eindruck, dass die «KLIFS» aufgrund ihrer Kompetenzen Ärzt:innen sind.

Seit bald zehn Jahren setzt das Kantonsspital Winterthur KSW auf Physician Associates. Der Einsatz erfolgt im stationären und im ambulanten Bereich. Laufend kommen neue Einsatzgebiete dazu. «Ein wichtiges Aufgabengebiet der Physician Associates ist die klinische Mitbetreuung von stationären Patient:innen. Unter anderem entlastet dies die Assistenzärzt:innen von Routineaufgaben und ermöglichen es ihnen, sich vermehrt auf ihre Ausbildung zu konzentrieren. Zudem sind deutliche Verbesserungen in der Koordination der Behandlungsprozesse erkennbar», erklärt Markus Wepf, Bereichsmanager Chirurgie am Kantonsspital Winterthur und Mitorganisator des Symposiums. Die klinisch-medizinischen Aufgaben werden jeweils in Delegation einer kaderärztlichen Person übernommen, die den Einsatz auch kontrolliert und supervidiert.
Durch ihren Einsatz in der Hausarztpraxis sorgen die Physician Associates auch für kürzere Wartezeiten für die Patient:innen, was auch dazu führt, dass diese damit weniger oft zur Notaufnahme rennen, erklärt die frühere Rettungssanitäterin Magali Mettler in ihrer Präsentation.

«Doch auch in der Langzeit- und Heimbetreuung können die PA in Delegation einer Ärztin die medizinische Betreuung übernehmen», erklärt PA Judith Weiss, Vorstandsmitglied des Berufsverbands Physician Associate Switzerland. Frau Weiss ist eine von vier klinischen Fachspezialistinnen, die seit sieben Jahren zum Team des Geriatriezentrums Reusspark in Niederwil AG gehören. Schon damals folgte die Leitung dem Motto «Gute Versorgung braucht neue Wege» und begegnete so dem Fachkräftemangel.

Das Symposium, das von rund 160 aufmerksamen Personen im Saal des Volkart-Gebäudes in Winterthur verfolgt wurde, zeigte, dass die Berufsgruppe in der Schweizer Bevölkerung – und teils selbst in der Fachwelt – noch zu wenig bekannt ist. Die gut besuchte Veranstaltung machte auch klar, wie gross das Potenzial der Physician Associates ist und welch konstruktiven Beitrag die klinischen Fachspezialist:innen gegen den Fachkräftemangel im medizinischen Bereich leisten können.