Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Dem Potenzial klinischer Fachspezialisten auf der Spur

Klinische Fachspezialistinnen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Pflege und Ärzteschaft und übernehmen dort in ärztlichem Auftrag medizinische Aufgaben. Wie das in der Schweiz noch junge Berufsprofil auf nationaler und internationaler Ebene gefördert werden kann, wurde vergangene Woche am Departement Gesundheit intensiv diskutiert.

Sie werden Health Officer genannt, Barefoot Doctor, Physician Assistant oder Physician Associate – weltweit gibt es zahlreiche Begriffe für ein Berufsprofil, das in der Schweiz noch relativ neu ist, in der Gesundheitsversorgung anderer Länder aber schon lange praktiziert wird: Gesundheitsfachpersonen, meist mit einem pflegerischen Background, die delegiert klinisch-medizinische Aufgaben übernehmen, die üblicherweise von Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden. Die Berufsgruppe ist aktuell in rund 55 Ländern Teil der Gesundheitsversorgung. «Und es werden jährlich mehr», sagte Scott Smalley, Präsident der International Academy of Physician Associate Educators (IAPAE) vergangene Woche am ZHAW-Departement Gesundheit. Hier hat die IAPAE ihre diesjährige Konferenz abgehalten, heuer unter dem Titel «Task Sharing – a Sustainable Solution to Global Healthcare Needs». Die rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die für den viertägigen Anlass aus Afrika, Asien, Nordamerika sowie Europa nach Winterthur gereist waren, tauschten sich über die Entwicklungen in der Ausbildung von Physician Associates, bestehende Einsatzgebiete für die neue Berufsgruppe und die Möglichkeiten für weitere Aufgabenfelder aus.

Es braucht eine gemeinsame Stimme

Die internationale Standardisierung des Berufs war einer der Punkte, die von den Fachpersonen aus Praxis und Lehre an der Konferenz besonders angeregt diskutiert wurde. Um die 370’000 Health Professionals seien inzwischen weltweit als Physician Associates tätig, so IAPAE-Präsident Scott Smalley. Dass es für diese wachsende Berufsgruppe auf internationaler Ebene nicht nur eine einheitliche Bezeichnung, sondern auch eine inhaltliche Standardisierung der Ausbildung und ein gemeinsames Akkreditierungssystem braucht, darüber waren sich die Teilnehmenden der Konferenz einig. Nur so könne der Beruf bekannter gemacht und erreicht werden, dass er unter anderem von der World Health Organisation und weiteren wichtigen Organisationen auf der internationalen Bühne anerkannt werde, hiess es in einer der Diskussionsrunden.

«Physician Associates brauchen eine gemeinsame Stimme, auf nationaler wie auch auf globaler Ebene», hob auch Stefan Breitenstein, Direktor des Departements Chirurgie am Kantonsspital Winterthur (KSW), in einer der Keynotes die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit hervor.

Überwiegend positive Erfahrungen

Das KSW hat als eines der ersten Spitäler in der Schweiz die neue Rolle in seinem Betrieb eingeführt und zusammen mit dem Departement Gesundheit ein Certificate of Advanced Studies für Klinische Fachspezialistinnen und -spezialisten – so die Schweizer Bezeichnung für das neue Berufsprofil – entwickelt. Inzwischen kommen diese in immer mehr Institutionen zum Einsatz, wie das 3. Symposium Klinische Fachspezialisten zeigte, das im Rahmen der IAPAE-Konferenz stattfand. Von der Thoraxchirurgie eines Akutspitals über die medizinische Onkologie bis zur geriatrischen Abteilung im Pflegeheim: Die Einsatzbereiche klinischer Fachspezialistinnen sind vielfältig, wie die präsentierten Beispiele veranschaulichten.

Die Tätigkeitsgebiete und die damit verbundenen Aufgaben der Fachspezialistinnen unterscheiden sich teils voneinander, beim Effekt wiesen die Praxisbeispiele jedoch Ähnlichkeiten auf: Die Erfahrungen mit den klinischen Fachspezialistinnen und -spezialisten waren überwiegend positiv, die neue Rolle stiess sowohl bei den Patienten wie auch bei der Ärzteschaft auf grosse Akzeptanz. Aber auch die Herausforderungen glichen sich, etwa der Kulturwandel, den der Wechsel vom Pflege- ins Ärzteteam für die Fachspezialisten mit sich bringt.

Pilotprojekt mit Versicherung

Das im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) von der ZHAW durchgeführte Forschungsprojekt «Task Shifting in der interprofessionellen Zusammenarbeit» bestätigt die Erfahrungen mit dem neuen Berufsprofil. Das Projekt untersucht wissenschaftlich unter anderem, welche Auswirkungen klinische Fachspezialisten am KSW haben. Wie Projektmitarbeiterin Sarah Schmelzer den rund 200 Besuchern des Symposiums aufzeigte, haben sie dort zu mehr Zufriedenheit und Motivation und dadurch zu weniger Fluktuation bei den Mitarbeitenden geführt. Das Betreuungsverhältnis und die Versorgungsqualität hätten sich zudem verbessert und Prozesse seien optimiert worden. Als Herausforderungen identifizierte das Forschungsprojekt unter anderem die eher hohe Arbeitsbelastung bei der Einführung der neuen Rolle sowie die Kulturunterschiede zwischen den beteiligten Berufsgruppen.

Neben dem Einblick in den Berufsalltag klinischer Fachspezialisten bot das dichte Programm des Symposiums den Teilnehmenden eine Tour d’Horizon über verschiedene Aspekte und Entwicklungen des neuen Berufsbilds. Dazu gehörten beispielsweise die – zum Teil noch nicht vorhandenen – rechtlichen Rahmenbedingungen. Annette Jamieson, Ökonomin und Leiterin Tarifierung bei der Helsana-Versicherung, sprach die fehlende Tarifierung von Leistungen klinischer Fachspezialisten im ambulanten Bereich an. Die Helsana möchte nun in einem gemeinsamen Pilotprojekt mit dem KSW ausloten, was diesbezüglich «innerhalb der Vorschriften des Krankenversicherungsgesetzes möglich ist», so Jamieson.

Sonia Barbosa vom Ärzte-Dachverband FMH wiederum legte in ihrem Referat die Haltung der Ärzteschaft dar. «Die Unterstützung der medizinischen Verbände ist da, wenn diese von Anfang in die Entwicklung des neuen Berufsbilds eingebunden werden.» Allerdings, so Barbosa, habe die Ausbildung von Assistenzärzten für den FMH Priorität – diese dürfe nicht durch die Einführung von Fachspezialisten, die an den Spitälern oftmals Aufgaben von Assistenzärzten übernehmen, gefährdet werden.