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«Es gefällt mir, mit Studierenden die Leidenschaft für den Hebammenberuf zu teilen»

Shanti Lawrence aus dem Institut für Hebammen hat den ZHAW-Lehrpreis 2021 für das Departement Gesundheit erhalten. Zum ersten Mal konnten die Studierenden ihre Dozierenden bewerten, der Studierendenverein Alias übernahm die Organisation und Durchführung des Preises. Im Interview erzählt Shanti Lawrence, wie sie ihren Unterricht lebendig gestaltet und was sie selbst von den Studierenden lernen kann.

Wie reagieren die Leute, wenn Sie erzählen, dass Sie Hebamme sind?

Das hängt davon ab, inwiefern die jeweiligen Personen bereits mit dem Hebammenberuf konfrontiert wurden. Einige bringen die Hebammenarbeit vor allem mit den niedlichen Neugeborenen in Verbindung. Andere hingegen sind sich sehr bewusst, welche Verantwortung Hebammen tragen. Oft spüre ich eine grosse Ehrfurcht, da Hebammen bei dem besonderen Moment der Geburt dabei sind.

Was gefällt Ihnen am Unterrichten?

Ich schätze es, mit jungen Menschen zusammenzuarbeiten und die Leidenschaft für den Hebammenberuf zu teilen. Die Studierenden sind motiviert, trotz des anforderungsreichen Curriculums. Mein Auftrag ist es, sie für die Berufspraxis auszubilden. Gelingt mir das gut, profitieren davon Frau, Kind und Familie. Durch kritische Anregungen und einen offenen Diskurs im Unterricht möchte ich die Studentinnen anregen, den Beruf später weiterzuentwickeln. Und ich fühle mich privilegiert, denn ich kann mich in Themen vertiefen, die mich interessieren, und das Wissen dazu weitergeben.

Wie gelingt es Ihnen als Dozentin, einen Zugang zu den Studentinnen zu finden?

Im Unterricht versuche ich, aufmerksam zu sein und die Stimmung an den Gesichtern abzulesen. Zwischendurch spreche ich die Studierenden direkt an. Den angehenden Hebammen möchte ich auf Augenhöhe begegnen, mit gegenseitigem Respekt und Vertrauen. Schlussendlich darf der Humor nicht fehlen, ich kann auch über mich selbst lachen. In gewissen Stunden, wie zum Beispiel nach dem Mittag, lässt die Konzentration nach, auch bei spannenden Themen. Da ist es meine Aufgabe, einen Weg zu finden, die Aufmerksamkeit der Studierenden trotzdem zu gewinnen. Bei der Planung des Unterrichts versuche ich, das einzubeziehen.

Was sind Ihre Unterrichtsschwerpunkte?

Ich unterrichte in mehreren Modulen und in allen Semestern. Hauptsächlich sind es Unterrichte rund um Schwangerschaft und Geburt im gesamten Bereich der Pathophysiologie, also sowohl in regelrichtigen als auch in regelabweichenden sowie in Notfallsituationen. Im sechsten Semester verändert sich der Unterricht, denn die Studentinnen haben schon in der Praxis gearbeitet. Ich kann an diese Erfahrungen anknüpfen und ihr Wissen in den Unterricht einbinden.

Welche Situationen sind herausfordernd beim Unterrichten?

Unterrichten auf Distanz während der Coronapandemie fand ich schwierig. Es fiel mir schwer, allein in einem Raum zu sitzen und in einen schwarzen Bildschirm zu sprechen, ohne spüren zu können, was am anderen Ende passiert. Ich hatte keine direkte Rückmeldung der Studierenden, konnte ihre Mimik nicht lesen, sah sie nicht einmal gähnen. So ist es schwierig, zu merken, ob sie dem Unterricht folgen können und ob sie es spannend finden. Denn mein Unterricht lebt vom Erzählen und dabei darf der Humor nicht fehlen. Auch wenn ich eine Kohorte noch nicht kenne und spüren kann, bin ich etwas angespannt.

Was machen Sie, dass Ihr Unterricht lebendig ist?

Ich gestalte meinen Unterricht möglichst abwechslungsreich, aber nicht überladen. Es ist mir wichtig, dass Lerninhalte studierbar sind. Zu Beginn tauche ich meist mit einem Warm-up ins Thema ein, danach erst kommen komplexe Aspekte, die eine hohe Konzentration erfordern. Spätestens nach einer Lektion braucht es Abwechslung, zum Beispiel ein Video aus einer Fernsehserie mit einem Arbeitsauftrag. Zwischendurch können sich die Studierenden in Murmelgruppen austauschen. Und immer wieder erzähle ich etwas aus der Praxis, das schätzen die Studierenden. Ich bekomme immer wieder positives Feedback, das freut mich. Trotzdem war ich sehr überrascht, dass ich den Lehrpreis gewonnen habe.

Was bringen Ihnen die Studierenden bei?

Sie lehren mich, neugierig und kritisch zu bleiben und verschiedene Perspektiven einzunehmen. Der Hebammenalltag ist einzigartig, aber oft sehr anspruchsvoll. Manchmal wünschte ich mir einen anderen Beruf. Die Studierenden tragen einen grossen Teil dazu bei, dass ich noch als Hebamme in der Praxis arbeite. Denn die Studentinnen entfachen in mir das Feuer für den Hebammenberuf jeden Tag von Neuem.

Erzählen Sie ein bisschen aus Ihrer eigenen Studienzeit.

Die Ausbildung zur Hebamme war eine schöne und prägende Zeit, ich erinnere mich sehr gerne zurück. Die Dozentinnen zeigten viel Leidenschaft für ihren Beruf, sie haben mich inspiriert und waren Vorbilder für mich. Ich habe die Ausbildung 2009 abgeschlossen. Das ist nicht lange her und trotzdem war vieles anders. Wir waren nur 14 Schülerinnen. Es gab Kontaktunterricht von Montag bis Freitag, alle Unterlagen waren auf Papier, ich hatte keinen Laptop, es gab keine Powerpoint-Folien, sondern eine Wandtafel. Selten wurden uns Papierskripte verteilt, meine Unterrichtsunterlagen bestanden grösstenteils aus meinen eigenen Notizen. Wir hatten noch keinen Skillsunterricht mit gesteuerten Puppen, meine praktischen Fähigkeiten lernte ich direkt im Praktikum. Ich staune, wie sich die Ausbildung in den letzten zehn Jahren verändert hat und wie viele Ressourcen wir hier im Haus Adeline Favre haben.

Neben Ihrem Pensum als Dozentin arbeiten Sie als Hebamme im Spital Zollikerberg. Wie beeinflussen sich die beiden Tätigkeiten gegenseitig?

Ich sehe dies für meine Lehrtätigkeit als grossen Vorteil. Den Studentinnen erzähle ich immer wieder von Fallbeispielen aus der Praxis. So kann ich den Unterricht auflockern und ihnen ein authentisches Bild von der Hebammenarbeit weitergeben. Und durch meine Tätigkeit als Dozentin lerne ich immer wieder Neues und kann durch mein erweitertes Wissen anders argumentieren.

Haben die beiden Tätigkeiten als Hebamme und als Dozentin Parallelen?

Meine Arbeit mit den Frauen vergleiche ich häufig mit jener mit den Studierenden. Beide sind in einer herausfordernden Lebenssituation. Ich darf sie dabei begleiten, schlussendlich müssen sie aber ihren eigenen Weg finden. Bestenfalls kann ich sie bestärken, unterstützen und ihnen helfen, ihre Ressourcen zu aktivieren. Den grössten Teil aber müssen sie selbst übernehmen.  Es ist eine Ehre, in einem solch wichtigen Lebensabschnitt eine Rolle spielen zu dürfen.