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Hebammensymposium 2021: Was Frauen wollen und was Hebammen können

Am 6. Winterthurer Hebammensymposium sprachen Expertinnen über frauenzentrierte Betreuung, den Umgang werdender Eltern mit Alkohol, den Einfluss von Geburtsinterventionen auf den Stillbeginn und darüber, worauf es Frauen weltweit in der Zeit nach der Geburt ankommt.

Nach einer pandemiebedingten Verschiebung konnte das 6. Winterthurer Hebammensymposium am 11. September 2021 endlich stattfinden – und das vor Ort am ZHAW-Departement Gesundheit. Rund 130 Hebammen, Dozierende, Forschende und Studierende begegneten sich persönlich. Dazu kamen zahlreiche Ausstellerinnen und Aussteller.

Das Hebammensymposium stand unter dem Titel «Frauenbedürfnis – Hebammenpotenzial». In verschiedenen Referaten wurde aufgezeigt, dass Frauen in Bezug auf die Mutterschaft unterschiedliche Bedürfnisse haben und Hebammen über ein immenses Potenzial verfügen, das manchen jedoch gar nicht bewusst ist.

Frühe Vorkämpferinnen

Zu Beginn des Anlasses brachte Dr. rer. medic. Christine Loytved dem Publikum die Frau näher, nach welcher der neue Campus des Departements Gesundheit und damit auch das Domizil des Instituts für Hebammen benannt ist: Namensgeberin ist die Walliser Hebamme Adeline Favre, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts  gegen den Willen ihrer Eltern zur Hebamme ausbilden liess. Christine Loytved zeichnete auch das Wirken von drei weiteren Hebammen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert nach, die Lehrbücher veröffentlichten. Im 19. Jahrhundert aber wurde es ruhig um die Publikationstätigkeit von Hebammen, weil Ärzte diesen Part immer stärker übernahmen.

Frauen im Zentrum

Über women centered care, also frauenzentrierte Betreuung, sprach Prof. Dr. Claire de Labrusse, Leiterin der Hebammenausbildung an der Hochschule für Gesundheit Waadt (HESAV). Dass Frauen im Zentrum der Hebammenarbeit stehen sollen, klinge logisch, sagte sie. Neben der frauenzentrierten Betreuung existierten aber diverse andere Betreuungskonzepte, was für Gesundheitsversorger wie für die Klientinnen verwirrend sein könne.

Frauenzentrierte Betreuung spielt insbesondere bei der hebammengeleiteten Geburt eine wichtige Rolle. Claire de Labrusse unterstrich, dass diese derzeit in der Schweiz noch zu wenig Aufmerksamkeit erfahre und dass die Kompetenzen der Hebammen und der gebärenden Frauen stärker gewürdigt werden sollten.

Alkohol und Schuldgefühle

Einem Thema, das nach wie vor tabuisiert wird, widmete sich Prof. Dr. Jessica Pehlke-Milde, Leiterin Forschung am ZHAW-Institut für Hebammen. Sie präsentierte die Resultate einer Studie, die sie in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gesundheit Waadt (HESAV)  durchgeführt hatte. Die Ausgangslage: Die Schweiz gehört laut einer früheren europäischen Studie zu den Ländern Europas mit dem höchsten Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. 20,9 Prozent der Frauen in der Schweiz gaben an in der Schwangerschaft Alkohol getrunken zu haben.

Jessica Pehlke-Milde zeigte in ihrem Referat auf, dass alle befragten Frauen der aktuellen Studie den Alkoholkonsum während der Schwangerschaft drastisch reduziert hatten. Tranken sie trotzdem einmal Alkohol, empfanden sie in der Regel Schuldgefühle. Die Studie zeigt auch, dass Frauen von Fachpersonen kaum oder gar nicht auf ihren Alkoholkonsum angesprochen werden. Sie haben ihr Wissen von ihrer Mutter, Schwester oder Freundin. Hebammen sollten die Frauen auf ihren Alkoholkonsum ansprechen und beraten, so das Fazit von Jessica Pehlke-Milde.

Expertinnen und Experten sind sich immer noch nicht sicher, wie viel – wenn überhaupt – Alkohol während der Schwangerschaft völlig unbedenklich ist. Am sichersten ist es daher, während der Schwangerschaft überhaupt keinen Alkohol zu trinken.

Geburt und Stillen hängen zusammen

Wie wirken sich Interventionen während der Geburt auf den Stillbeginn aus? Darüber sprach Dr. Bärbel Basters-Hoffmann, Chefärztin der Klinik für Geburtshilfe am St. Josefskrankenhaus in Freiburg im Breisgau. Interventionen von kleinem und grösserem Ausmass – von vaginalen Untersuchungen über Geburtseinleitungen und Saugglocke bis hin zum Kaiserschnitt – können beispielsweise hormonelle Auswirkungen haben, die sich wiederum auf den Stillbeginn auswirken. Das Gesundheitspersonal kann laut Basters-Hoffmann dazu beitragen, dass diese Interventionen kompensiert werden. Es muss dazu aber diese Zusammenhänge kennen und die Mütter darüber informieren.

Positive Erfahrungen sind wichtig

Per Videokonferenz wurde Prof. Dr. Soo Downe von der University of Central Lancashire zugeschaltet. Sie hat mit ihrem Team eine Studie durchgeführt, um die Bedürfnisse von Frauen rund um den Globus vor und nach der Geburt zu eruieren. Dazu nahm sie sich mehr als 2'000 Studien vor und wählte daraus 36 aus, die genauer untersucht wurden. Deren Auswertung zeigte: Wichtig für die Frauen war eine positive Erfahrung nach der Geburt, die es ihnen ermöglichte, sich an ihre neue Identität anzupassen und ein Gefühl von Selbstvertrauen und Kompetenz als Mutter zu entwickeln. Die Mütter müssen sich auf Veränderungen in ihren intimen und familiären Beziehungen einstellen, gleichzeitig müssen sie körperliche und emotionale Herausforderungen bewältigen. So können sie sich an die «neue Normalität» der Mutterschaft in ihrem eigenen kulturellen Kontext anpassen.

Gedanken einer Studentin

Paula Mourad beschrieb als frisch diplomierte Hebamme BSc, wie sich ihr letztes Studienjahr angefühlt hatte. Noch lebhaft im Gedächtnis sei ihr der letzte Tag mit Präsenzunterricht im März 2020. Während der Vorlesung zum Thema Präeklampsie habe sie die Pressekonferenz verfolgt, in welcher der Bundesrat den ersten Shutdown ankündigte. Danach sei alles anders gewesen, erzählte Paula Mourad weiter. Im neuen Gebäude, dem Haus Adeline Favre, wurde sie nie unterrichtet. Es sei keine leichte Zeit gewesen, doch bleibe ihr in Erinnerung, was die Dozentinnen auf die Beine stellten, um den Unterricht fortzuführen. Mittlerweile hat Paula Mourda ihr Studium abgeschlossen, arbeitet in der Praxis und sagte am Hebammensymposium dezidiert: «Ich bin stolz, Hebamme zu sein.»

Kurzpräsentationen

An einer Reihe von Parallelveranstaltungen hatten Forschende und Studierende Gelegenheit, aktuelle Projekte in Präsentationen vorzustellen. So erfuhren die Teilnehmenden kurz und kompakt Neues aus Forschung und Praxis.