«Über den Tellerrand hinaus blicken können»
Die internationale Zusammenarbeit ist ein Kernanliegen der ZHAW School of Engineering. Im Interview erklärt Studiengangleiter Thomas Sauter-Servaes, wie die Internationalisierung im Studiengang Verkehrssysteme gelebt wird – und welche besondere Rolle China dabei spielt.

Strassen und Gleise machen vor Landesgrenzen nicht halt. Wie international ist der Studiengang Verkehrssysteme?
Thomas Sauter-Servaes: Ich ermutige alle meine Studentinnen und Studenten, ein Semester im Ausland zu verbringen. Der Studiengang Verkehrssysteme pflegt zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen in St. Pölten und Erfurt. Neben Austauschprogrammen bieten wir gemeinsam den internationalen Weiterbildungsmaster «Europäische Bahnsysteme» an. Insbesondere mit asiatischen Hochschulen möchte ich den Studierendenaustausch künftig intensivieren. Eben sind zwei meiner Studenten aus Südkorea zurückgekehrt. Ich selber werde im November nach China reisen, um weitere Hochschulpartnerschaften anzuschieben.
Warum gerade China?
In China treffen verschiedene Mobilitätstrends aufeinander: Urbanisierung, Hochgeschwindigkeitszüge und insbesondere Elektromobilität. China treibt die Elektromobilität derzeit massiv voran: über 500‘000 Elektroautos wurden 2016 neu zugelassen. Damit ist China noch vor den USA der mit Abstand wichtigste Markt für Elektrofahrzeuge. Die Infrastruktur mit Ladestationen wächst ebenfalls. Und der Boom scheint weiterzugehen: Das Ziel der Regierung ist es, dass bis im Jahr 2030 mindestens 40 Prozent der Neuzulassungen Autos mit Elektroantrieb sind.
Warum boomt die Elektromobilität gerade in China?
Die Smog-Problematik ist ein wichtiger Grund. Es gibt weitere: Die Motorisierungsrate in China ist noch relativ gering, steigt aber stetig. Müsste der gesamte künftige Mobilitätsbedarf mit benzinbetriebenen Autos abgedeckt werden, müsste sehr viel mehr Erdöl importiert werden. Die Elektrifizierung sichert China also die Rohstoffsouveränität. Zudem ist es schlicht und einfach auch weniger komplex, ein Elektroauto zu bauen. Es würde viel länger dauern, bis chinesische Hersteller Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in gleicher Qualität herstellen könnten.
Sind diese Entwicklungen auch Thema auch im Unterricht?
Primär geht es im Studiengang Verkehrssysteme natürlich nicht um Asien; es geht darum, die Grundlagen des Gesamtsystems Verkehr zu vermitteln. Mir ist es aber sehr wichtig, die Studentinnen und Studenten so auszubilden, dass sie nach ihrem Abschluss in einem internationalen Berufsumfeld bestehen und über den Tellerrand hinaus blicken können. Dazu gehören auch Unterrichtsbeispiele aus aller Welt. Die globalen Herausforderungen lassen sich denn auch nicht damit lösen, dass wir den Verkehr in der Schweiz im Promillebereich optimieren. Weltweit gibt es Regionen, wo viel mehr Handlungsbedarf besteht und positive Auswirkungen wesentlich besser spürbar sind.
Wie bereiten Sie Studentinnen und Studenten auf diese globalen Herausforderungen vor?Sie müssen natürlich die Basics ihres Studienfachs kennen. Vieles, was die Zukunft der Mobilität mit sich bringen wird, ist derzeit allerdings nur schwer abschätzbar: Ich bin zwar überzeugt, dass selbstfahrende Autos das gesamte System verändern werden. Doch wann wird es soweit sein? Braucht des dann überhaupt noch Züge? Wird sich dadurch der Urbanisierungstrend umkehren? In Anbetracht dieser Unsicherheiten finde ich es wichtig, dass die Studentinnen und Studenten flexibel im Kopf sind und über eine gewisse Eigenständigkeit verfügen. Ein Auslandaufenthalt ist eine gute Möglichkeit, diese Kompetenzen zu entwickeln.