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Neue Karrieremodelle für ältere Arbeitskräfte

Wie verbreitet sind Altersteilzeit, Projektarbeit oder Bogenkarrieren? Und wie müssen die Sozialversicherungen ausgestaltet sein, um solche Beschäftigungsmodelle zu ermöglichen?

Von der Ausbildung bis zur Pensionierung im gleichen Unternehmen arbeiten –  solche Laufbahnen sind selten geworden. Berufsbiografien verlaufen kaum mehr linear. Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen mit sich; lebenslanges Lernen sowie Flexibilität sind für Mitarbeitende unabdingbar geworden. Was dies für Arbeitskräfte ab 49 Jahren bedeutet, analysiert ein interdisziplinäres Forschungs-projekt der ZHAW im Rahmen des Forschungsschwerpunkts «Gesellschaftliche Integration».

Die Perspektive unterscheidet sich

«Uns interessiert, wie das Potenzial älterer Menschen genutzt werden kann und welche Berufslaufbahnen sich etablieren», sagt Studienleiterin Claudia Sidler-Brand vom Zentrum für Human Capital Management (ZHCM) der ZHAW. In einem ersten Schritt hat ihr Team, in dem auch Vertreter der Projektpartner Tertianum-Stiftung und ZKB mit von der Partie sind, eine Auslegeordnung vorgenommen und rund 400 Personalverantwortliche befragt. Das Ergebnis: Zahlreiche Befragte gaben an, ältere Mitarbeitende seien bezüglich Lohn, Beschäftigungsgrad und Stellung zu wenig flexibel. Einige äusserten zudem Vorbehalte bezüglich Belastbarkeit, Leistung und Umgang mit Neuerungen. «Solche Stereotype haben wir erschreckend häufig angetroffen», sagt Soziologin Sidler-Brand. Dabei sei das Alter allein kein Hinweis auf vorhandene oder nicht vorhandene Fähigkeiten. «Die Digitalisierung fordert alle heraus – unabhängig vom Alter.» Nicht die Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Berufstätigen nähmen zu, die Zusammensetzung der Belegschaften insgesamt werde heterogener.
«Jene, die sich schon immer weitergebildet haben, tun dies auch im Alter», sagt Generationenforscher François Höpflinger, der an der Studie mitarbeitet. Das biologische Alter spiele, was die Bedürfnisse und die Motivation betreffe, eine untergeordnete Rolle. Viel entscheidender sei die Langjährigkeit. Ein langjähriger Mitarbeiter beurteile eine anstehende Reorganisation aus der Erfahrung der vorhergegangenen heraus; ein jüngerer mit dem Wissen, das er sich an einer Hochschule angeeignet habe.
Um zu klären, welche nichtlinearen Beschäftigungsformen von Firmen bereits angeboten werden und zu welchen Konditionen, beziehen die Forscher in einem zweiten Schritt nicht mehr nur Personalverantwortliche, sondern ebenso Führungskräfte und Arbeitskräfte ab 49 Jahren ein. Ihr Ziel ist es, aufzuzeigen, welche Fähigkeiten ältere Mitarbeitende mitbringen müssen, um im Berufsleben integriert zu bleiben. Darüber hinaus wollen sie darlegen, wie das Arbeits- und das Sozialrecht ausgestaltet werden müssen, damit sie neue Berufskarrieren nicht behindern.

Veränderungen Rechnung tragen

«Das jetzige Sozialversicherungsrecht orientiert sich an Karriereverläufen, wie sie bei Erlass der Gesetze und damit vor Jahrzehnten normal waren», sagt Philipp Egli, Leiter des Zentrums für Sozialrecht (ZSR). Es sei darauf ausgerichtet, dass jemand im Vollzeitpensum ein regelmässiges, möglichst stabiles Einkommen erziele. Ein Stellenverlust und atypische Arbeitsverhältnisse seien mit empfindlichen Leistungseinbussen verbunden. Darunter würden gerade ältere Arbeitnehmer leiden, da sie nach einer Entlassung Schwierigkeiten hätten, etwas Neues zu finden. Eine Stelle sei aber Voraussetzung für den vollen Versicherungsschutz. Nun gehe es um die Frage, wie die sozialen Sicherungssysteme konzipiert sein müssten, um den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt sowie neuen Erwerbsformen Rechnung zu tragen. «Als übergeordnetes Ziel sollte das Sozialrecht selbstbestimmte Erwerbsbiografien ermöglichen.»

Keine einheitlichen Lösungen

Die ZKB, die an der Studie mitwirkt, hat unter anderem mit Altersteilzeit, Bogenkarriere (die Reduktion bei Arbeit und Lohn im letzten Berufsabschnitt vor der Pensionierung) und Rollentausch erste Erfahrungen gesammelt. «Wir haben aber noch keine bankweit implementierten Angebote», erklärt Marco Beutler, Leiter Personal für die Gesamtbank. Er erhofft sich vom Forschungsprojekt Hinweise darauf, wo am besten anzusetzen ist. Unternehmen sollten sich aktiv in diese Diskussionen einbringen. «Ich bin überzeugt, dass wir auf die Kompetenzen, das Wissen und die Erfahrungen der älteren Mitarbeitenden angewiesen sein werden und uns das nicht entgehen lassen wollen», sagt Beutler. «Die wenigsten Unternehmen haben bereits eine Strategie für ältere Arbeitskräfte», so Bernadette Höller, Geschäftsführerin der Tertianum-Stiftung und des Projekts Neustarter.com. Es würden vor allem individuelle Lösungen ausgehandelt. «Ist die Stimmung in einer Firma gut, sind alternative Arbeitsmodelle wie Bogenkarrieren oder Teilzeit möglich. Oft trauen sich Mitarbeitende jedoch nicht, das Thema anzusprechen.» Es brauche mehr Transparenz, findet sie. Alle Beschäftigten müssten wissen, welche Modelle zu welchen Bedingungen möglich seien. Zurzeit erhielten vor allem Kadermitarbeiter die Chance, sich zu verändern.

Rechtzeitig die Stelle wechseln

Um auf dem Arbeitsmarkt ein Berufsleben lang attraktiv zu bleiben, braucht es auch Eigeninitiative. «Man trägt als Mitarbeiter die Verantwortung dafür, seine Kompetenzen aufrechtzuerhalten und Weiterbildungen einzufordern», sagt die ZHAW-Expertin Sidler-Brand. Generationenforscher Höpflinger rät darüber hinaus, sich frühzeitig zu überlegen, wie man den letzten Berufsabschnitt bestreiten wolle: «Man sollte eine Stelle, die keine Perspektiven bietet, wechseln, solange man noch nicht dazu gezwungen wird.»

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Autorin: Eveline Rutz

Hochschulmagazin ZHAW-Impact

«Gesellschaftliche Integration» lautet das Dossierthema der Juni-Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact.

Eine Auswahl der Themen: Welche Karrieremöglichkeiten bieten Unternehmen für Mitarbeitende 49+? Wie fair sind Sozialversicherungen in der Schweiz? Welche Wechselwirkung besteht zwischen der Gestaltung von Räumen und menschlichem Verhalten? Wie kann man ältere Migrantinnen und Migranten aber auch junge Secondos unterstützen? Wenn immer mehr junge Menschen unter psychischen Erkrankungen leiden, wie kann man Früherkennung und Therapie fördern? Zudem lesen Sie Porträts über Menschen, die sich für den Wissenstransfer mit Namibia, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, hindernisfreie Kommunikation, ethische Managementausbildung und mehr Frauen in MINT-Fächern engagieren.

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