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Fundraising auf der Führungsebene verankern – ein Interview mit Maria Steinbauer

Warum sind Fundraisier:innen in Geschäftsleitungen von NPO kaum repräsentiert? Maria Steinbauer, Leiterin Fundraising des Schweizerischen Roten Kreuz Kanton Zürich, hat im Interview mit dem Zentrum für Kulturmanagement über die Hintergründe dieses Phänomens gesprochen.

Maria Steinbauer ist seit 20 Jahren in der Fundraising Branche tätig. Sie hat ursprünglich Internationale Beziehungen studiert und war zunächst im diplomatischen Dienst tätig. Später baute sie für Médecins sans Frontières das Grossgönner:innen-Programm auf und wechselte dann zum Zürcher Roten Kreuz, wo sie die Abteilung Fundraising leitet. Seit dem Jahr 2017 beschäftigt sie sich intensiv mit dem Modell des integrierten Kommunikationsmanagements und setzt sich mit dessen Anwendung auf den NPO-Kontext auseinander – insbesondere im Hinblick auf die zentrale Frage der strukturellen Einbettung des Fundraising. Im CAS Fundraising Operations unterrichtet sie das Modul NPO-Kommunikation.

Frau Steinbauer, was hat sie dazu bewegt, die Rolle und die organisatorische Bedeutung des Fundraising in NPO zu analysieren?

Ich bin seit 20 Jahren im Fundraising tätig. In verschiedensten Situationen ist mir bewusst geworden, dass das Fundraising eine strategisch wichtige Rolle für die Organisationen ausübt, jedoch das Mitspracherecht auf Führungsebene häufig nicht vorgesehen ist. Als Fundraiserin möchte ich aber mitsprechen und die Entwicklung der NPO mitverantworten – und zwar nicht nur in Bezug auf die Einnahmen, sondern auch in Bezug auf die Ziele, Visionen und Weiterentwicklung der Organisation. Diese beiden Seiten können in Wirklichkeit gar nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Nur ein perfektes Zusammenspiel ermöglicht die optimale Zielerreichung der Organisation.

Handelt es sich hier um das bekannte Problem der «Institutional Readiness», also um die fehlende Akzeptanz und Bereitschaft innerhalb der Organisationen, das Fundraising zu unterstützen?

Ich bevorzuge es, von einem strukturellen Problem zu sprechen. Ich bin nicht der Meinung, dass Fundraiser:innen primär von «unten» Networking betreiben sollten, um innerhalb der Organisation mehr Gehör zu erhalten. Fundraiser:innen sollten «oben» ansetzen. Fachkräfte mit strategischer Verantwortung für eine Organisation sollten Teil des Führungsgremiums sein. Dies ist auch bei anderen Berufsgruppen der Fall – zum Beispiel bei IT-Expert:innen. Die meisten NPO haben nun in der Geschäftsleitung eine verantwortliche Person für die Digitalisierung, weil diese von strategischem Interesse ist. Warum also keine Verantwortlichen fürs Fundraising – dieses sollte aus strategischer Sicht genauso wichtig sein.

Sie sprechen von einer strukturellen Problematik des Fundraising innerhalb von NPO. Wie äussert sich diese in den Organisationen?

Am konkretesten äussert sich die Problematik bei der Besetzung von Fundraising-Stellen: Wird eine Fundraising-Stelle ausgeschrieben, gibt es oft nur wenige qualifizierte Bewerbungen dafür. Wird eine Fundraising-Stelle jedoch auf Geschäftsleitungsebene ausgeschrieben, sieht es wieder anders aus – eine Vielzahl von erfahrenen und hochqualifizierten Fundraiser:innen bewerben sich. Diese Tatsache zeigt: Fundraiser:innen wollen ihr Know-how einbringen in die Weiterentwicklung der Organisation. NPO kann daher nur geraten werden, dieses strukturelle Problem zu beheben, wenn sie die besten Köpfe für sich gewinnen wollen.

Und dann gibt es natürlich die Problematik des verlorenen Potenzials in Bezug auf die Fundraising-Einnahmen und die Wertschöpfung der Organisation insgesamt. Diese Problematik ist jedoch für die NPO selbst weniger spürbar, da oft das Bewusstsein dafür fehlt, was möglich wäre, wenn das Fundraising strukturell auf der richtigen Ebene vertreten wäre.

Was kann das Fundraising auf Führungsebene speziell einbringen?

Ganz vorne zu erwähnen ist der Fokus auf die Vision. Fundraiser:innen wissen um das Potenzial von Visionen. Diverse Erfolgsstudien belegen, dass jene Organisationen, die ihre Einnahmen massgeblich steigern konnten, eines gemeinsam haben: Sie haben eine klare Vision eines ideellen und gleichzeitig konkreten Ziels, mit dem sie ihre Mitarbeitenden, Spender:innen und die breite Öffentlichkeit begeistern konnten. Um diesen Schritt erfolgreich, ambitioniert und realistisch vollziehen zu können, müssen Fundraiser:innen fester Bestandteil desjenigen Gremiums sein, das über die Vision und die Machbarkeit eines Ziels entscheidet.

Jedoch versuchen NPO häufig mit möglichst kleinen Budgets zu operieren, denn sie sind sich an die finanziellen Restriktionen aus dem Sozialwesen gewöhnt. Häufig werden daher in der Unternehmenspolitik Mission, Werte und Strategie definiert, während auf die Definition einer Vision bewusst verzichtet wird. Fundraiser:innen müssen genau hier ansetzen: auf Führungsebene das Bewusstsein schaffen für ein betriebswirtschaftliches Denken, das zugleich visionär ist. Dieses Bewusstsein kann Prozesse in Bewegung setzen, welche zum Wachstum der Organisation beitragen und durch sichtbare soziale Wirkung zu mehr Bekanntheit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen seitens der Öffentlichkeit führen. Fundraising und Branding liegen somit sehr nahe beieinander.

Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die integrierte Kommunikation. Seit Jahrzehnten sprechen Unternehmen und NPO davon. Jedoch sollte integrierte Kommunikation in einem grösseren Kontext betrachtet werden. Um erfolgreich zu sein, reicht nicht die Abstimmung verschiedener Kommunikationsmassnahmen. Vielmehr geht es um die Erarbeitung von Kampagnen, die im Idealfall eine «Integration der Zielsetzungen» beinhalten. Anstatt eine Image-, eine Awareness- und eine Fundraising-Kampagne zu erarbeiten, sollte auf EINE integrierte Kampagne gesetzt werden. Als Beispiel ist hier die integrierte Nothilfekampagne von UNICEF Schweiz zu erwähnen. Mit «Nie aufgeben. Für jedes Kind.» hat die Organisation den Swissfundraising-Award 2023 gewonnen. Es überrascht in diesem Zusammenhang nicht, dass Fundraising bei UNICEF-Schweiz auf Geschäftsleitungsebene vertreten ist.

Zuletzt ist noch auf die identitätsbildende Wirkung der Fundraiser:innen hinzuweisen – alleine durch ihren Kontakt mit Tausenden Unterstützer:innen. Sie haben eine zentrale Rolle im Markenerlebnis bzw. im Erfahrbarmachen der Unternehmensidentität. Dies muss jedoch auf Führungsebene gesteuert werden. Solange das Fundraising auf Organisationsebene als reine Form des Beschaffungs- und Absatzmarketings betrachtet wird, wird es diese zentrale Rolle nicht bewusst wahrnehmen und ausüben können.

In Ihrer Analyse stützen Sie sich auf das Modell des identitätsorientierten Kommunikationsmanagement von Markus Niederhäuser und Nicole Rosenberger. Wo lässt sich das Fundraising im Modell verorten und wie kann es Aufschluss über das strukturelle Problem des Fundraisings in NPO geben?

Ziel des Modells ist es, den Unternehmen aufzuzeigen, wie sie über eine klare Unternehmenspersönlichkeit, ihren Brand stärken und den Markenwert steigern können, was wiederum die Wertschöpfung des Unternehmens am Markt erhöht. Diese Unternehmenspersönlichkeit wird über die Unternehmenspolitik definiert und über vier Identitätsdimensionen aktiv gesteuert, nämlich über Kommunikation, Symbole, Verhalten und Leistungsangebot.

Wenn dieses Modell für NPO angewendet wird, dann muss das Fundraising unbedingt als fünfte Identitätsdimension hinzugefügt werden, um die strategische Relevanz des Fundraisings aufzuzeigen. Fundraiser:innen sind mitverantwortlich für die Übersetzung der Unternehmenspolitik in eine klar definierte Unternehmenspersönlichkeit. Ohne dieses Bewusstsein liegt Potenzial brach – und das Fundraising bleibt in seinem ursprünglichen «Eck des Beschaffungs- und Absatzmarketings».

«Das Modell des identitätsorientierten Kommunikationsmanagement eignet sich sehr gut, um einzelne Unternehmensfunktionen in einem grösseren Zusammenhang zu sehen. So kann anhand des Modells beispielsweise der Stellenwert von Fundraising diskutiert und bestimmt werden. Wenn Maria Steinbauers Erweiterungsvorschlag des Modells mit der Identitätsdimension ‹Fundraising› dazu führt, dass organisationsintern die Diskussion um den Stellenwert von Fundraising angestossen wird, dann hat er den Zweck bereits erfüllt.»

Markus Niederhäuser, Leiter Weiterbildung und Leiter MAS in Communication Management and Leadership am IAM Institut für Angewandte Medienwissenschaft der ZHAW

Welche Voraussetzungen müssen in NPO geschaffen werden, damit das Fundraising als Teil des Identitätsmanagement verstanden wird und dadurch gezielt zur Wertschöpfung der Organisation beitragen kann?

NPO müssen die strategische Relevanz des Fundraisings erkennen – nicht nur in Bezug auf die Einnahmenentwicklung, sondern auch in Bezug auf die Identitätsbildung der Organisation selbst. Es gibt nur eine Voraussetzung, welche NPO schaffen müssen: Nämlich, strukturell das Fundraising in die Geschäftsleitung integrieren.

Welche Rolle spielen Fundraiser:innen selbst bei dieser Entwicklung und wie können sie dazu beitragen, dass das Fundraising in ihrer NPO als eine Führungsposition anerkannt wird?

Fundraiser:innen können eine Rolle spielen: Zuerst, durch die Bewusstwerdung ihrer identitätsbildenden Rolle innerhalb der NPO. Es geht hier stark um das Verhältnis zwischen Selbstbild und Fremdbild. Dann, durch Weiterbildung – es braucht mehr Fundraiser:innen mit Management-Know-how. Zuletzt, durch die klar kommunizierte und explizite Forderung nach Mitwirkung in der Geschäftsleitung.

Das ZKM-Team bedankt sich für das Interview!

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