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Fachkräftemangel, fehlende Koordination und zu wenig Prävention – eine neue Studie listet 26 Empfehlungen für das Schweizer Gesundheitssystem auf

Erstmals seit der Pandemie widmet sich eine neue Studie der Frage, wie widerstandsfähig und nachhaltig das Schweizer Gesundheitssystem aufgestellt ist.

Forscher der ZHAW empfehlen, die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte zu verbessern und die Zahl der Studienplätze an medizinischen Fakultäten zu erhöhen. Um die Gesundheitsprävention zu fördern, soll die Werbung für sämtliche Tabakprodukte verboten werden.

Das Schweizer Gesundheitssystem hat durch die COVID-19-Pandemie die grösste Erschütterung der letzten 100 Jahre erfahren. Die Aufmerksamkeit verschob sich von der Diskussion über die steigenden Gesundheitskosten zu anderen Fragen: Ob die Kapazitäten auf den Intensivstationen und die verfügbaren Impfstoffe ausreichen, wie überlastetet das Personal im Gesundheitswesen ist und wer für die Kontrolle der Pandemie zuständig sein sollte. Erstmals seit der Pandemie untersucht eine neue Studie diese Fragen in einem grösseren Kontext, insbesondere unter den Aspekten Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Gesamtsystems.

Die Studie «Nachhaltigkeit und Resilienz im Schweizer Gesundheitssystem» wurde von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) als Teil einer neuen Forschungsinitiative der Partnerschaft für nachhaltige und resiliente Gesundheitssysteme (Partnership for Health System Sustainability and Resilience, PHSSR) – einer globalen Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen – unter der Leitung der London School of Economics LSE durchgeführt. Die Studie ist Teil eines wissenschaftlichen Projektes mit Beteiligung von über 20 Ländern. Der Bericht stützt sich auf neueste Forschungsergebnisse und Gesundheitsdaten sowie auf Interviews mit Akteuren aus den jeweiligen Bereichen.

Künftigen Schocks standhalten

 «Mit dem Abklingen der Pandemie und dem Auftreten neuer Krisen müssen alle Akteure gemeinsam sicherstellen, dass unser Gesundheitssystem künftigen Schocks und Belastungen langfristig standhält», sagt Prof. Simon Wieser, Institutsleiter des Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der ZHAW.

Um die hohe Qualität im Schweizer Gesundheitssystem aufrecht zu erhalten, die Stärken zu sichern und sich für Herausforderungen zu wappnen, präsentieren die Autoren 26 Empfehlungen. Akuter Handlungsbedarf wurde unter anderem bei den Themen Personal, Koordination und Prävention festgestellt.

Mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden

Um den Fachkräftemangel zu adressieren, empfehlen die Autoren dringend, die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte und andere Fachkräfte im Gesundheitswesen zu verbessern, um einem vorzeitigen Berufsausstieg und einer Verringerung der Arbeitszeiten entgegenzuwirken. Ausserdem sollen die Schweizer Kantone wieder mehr Ärztinnen und Ärzte ausbilden: Die Zahl der Studienplätze an den medizinischen Fakultäten sei zu erhöhen, fordern die Forscher.

Eine weitere Schwachstelle wird in der mangelnden Koordination der Leistungen gesehen. Dies beträfe vor allem die Versorgung nach Spitalaustritt. Den vielleicht wichtigsten Grund für die schlechte Koordination sehen die Autoren darin, dass die Schweiz bei der Einrichtung digitaler Gesundheitsplattformen hinter den meisten vergleichbaren Ländern hinterherhinkt.

Tabakwerbung verbieten

Darüber hinaus fehle ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Prävention und Behandlung, wobei der Schwerpunkt weiterhin auf Behandlung liege. Hier schlagen die Autoren eine Stärkung der Anstrengungen zur Reduktion der wichtigsten vermeidbaren Risikofaktoren, wie Rauchen und ungesunde Ernährung, vor. Die Werbung für sämtliche Tabakprodukte soll verboten werden. Ausserdem soll die Tabaksteuer auf alle suchterzeugenden Tabakprodukte ausgeweitet sowie eine weitere Erhöhung geprüft werden.

Als problematisch erachten es die Studienautoren, dass die Schweiz bei neuen Arzneimitteln und neuen Technologien droht, die gute Position zu verlieren. So werde die Einführung neuer Arzneimittel und Technologien durch regulatorische Hürden und der geringen Grösse des Schweizer Marktes zu einer immer grösseren Herausforderung.

Föderalismus hat Vorteile

Überraschend positiv bewerten die Autoren prinzipiell den Schweizer Föderalismus: «Die föderale und dezentrale Struktur des Schweizer Staates hat sich in normalen wie in Krisenzeiten bewährt: Unter den kritischen Augen seiner Bürgerinnen und Bürger teilen sich Bundesrat und Kantone die Verantwortung», sagt Matthias Maurer, stellvertretender Institutsleiter des Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie der ZHAW. Diese komplizierte Struktur funktioniere allerdings nur auf Kosten von Führung, Transparenz, Kohärenz und vor allem Geschwindigkeit.

«Es besteht Verbesserungsbedarf bei einer Reihe von Schnittstellen, Arbeitsabläufen und Prozessen sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene. Die COVID-19-Pandemie hat einen erhöhten Koordinierungsbedarf zwischen dem Bund und den Kantonen verdeutlicht», führt Maurer weiter aus.

Der englischsprachige Bericht sowie deutsch- und französischsprachige Zusammenfassungen können unter www.phssr.org/findings heruntergeladen werden.

Medienkontakte

Matthias Maurer, stv. Leiter Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie, ZHAW

Tel. +41 (0) 58 934 62 74; matthias.maurer@zhaw.ch

Prof. Simon Wieser, Leiter Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie, ZHAW

Tel. +41 (0) 58 934 68 74; simon.wieser@zhaw.ch