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School of Engineering

Wie die ZHAW bei der Covid-Strategie des Bundesrats mitwirkte

Bei der Covid-Strategie der Schweiz hat das Institut für Angewandte Mathematik und Physik der ZHAW in einem vom Transdisciplinarity Lab der ETH Zürich geleiteten Projekt und zusammen mit dem Pharmadienstleisters IQVIA Modelle und Berechnungen erstellt und Befragungen durchgeführt, die der Bundesrat für die Erstellung seines Drei-Phasen-Modells genutzt hat. An einem anderen Projekt zur Verteilung der Impfdosen war die ZHAW School of Engineering ebenfalls in führender Rolle beteiligt.

Die Expertise von ZHAW-Forschenden war bei der Erstellung der Corona-Strategie des Bundesrats gefragt. Bild: REC Stock Footage

Bei der bisherigen Bewältigung der Covid-Pandemie in der Schweiz griff der Bundesrat immer wieder auf die Expertise und die Kompetenzen von Wissenschaftler:innen aus unterschiedlichen Fachbereichen zurück. Auch die ZHAW lieferte wichtige Inputs für die Bewältigungsstrategie der Pandemie in der Schweiz. Die ZHAW School of Engineering war an zwei Covid-Projekten beteiligt, bei einem hatte sie die Leitung inne. ZHAW-Forscher Rudolf Füchslin war in beide Projekten involviert. «Im ersten Projekt, das unter der Leitung der ETH Zürich stattfand, ging es einerseits um den Effekt der Impfungen auf den Verlauf der Pandemie, andererseits um die Abschätzung und Analyse der Wirkungen von nicht-pharmazeutischen Interventionen. Diese beinhalten verschiedene Formen der Reduktionen infektiöser Kontakte, wobei hier auch Befragungen durchgeführt wurden, die wichtige Hinweise für die Simulationen lieferten», erklärt der ZHAW-Forscher. «Im Rahmen des zweiten Projekts ging es um die optimale Verteilung der anfangs knappen Impfdosen in allen 26 Kantonen». Die Herausforderung bei diesem Projekt bestand darin, eine Software zu erstellen, die bei der Verteilung des knappen Impfstoffs den Sicherheitsbedürfnissen aller Kantone gerecht wird. Daran massgeblich beteiligt waren Andreas Klinkert vom Institut für Datenanalyse und Prozessdesign (IDP) und Thomas Ott vom Institut für Computational Life Sciences (ICLS) am Departement Life Sciences und Facility Management in Wädenswil. In Rekordzeit von drei Wochen schrieben die Forschenden das Programm, «das am Ende glücklicherweise seine vollen Möglichkeiten nicht ausschöpfen musste, da dann genügend Impfdosen zur Verfügung standen», fasst es Füchslin zusammen.

Bei dem Projekt, das unter der Leitung der ETH und zusammen mit einem Epidemiologen des Unternehmens IQVIA realisiert wurde und nach wie vor läuft, war das ZHAW-Team für die Erstellung von Modellierungen zuständig. Es ist gerade dieses inter- und transdisziplinäre Zusammenspiel von verschiedenen Expertisen und Kompetenzen der drei Partner sowie der intensive Austausch mit dem BAG, welche dazu geführt haben, dass diese Modelle in das Drei-Phasen-Modell des Bundesrats aufgenommen wurden. Die Modellierung stellte sich als grosse Herausforderung dar, da die dafür notwendige Datengrundlage knapp war: «Man kann Modelle sehr umfänglich machen, was aber nur gelingt, wenn genügend Daten zur Verfügung stehen, ansonsten muss man Annahmen treffen», erklärt Füchslin. Um die Notwendigkeit für geschätzte Grössen zu reduzieren, war das ZHAW-Team vom Gedanken geleitet, die Komplexität der Modelle und die reale Verfügbarkeit der Daten in Einklang zu bringen.

Übersicht über die Belegung der Intensivstationen

Bei dem Modell ging es auch um die modellierte Belegung der Intensivstationen nach Wegfall aller sogenannten «Basismassnahmen» (Hygiene- und Distanzregeln sowie das Tragen von Masken und sämtliche Schutzkonzepte) nach der Durchimpfung der impfbereiten Erwachsenen. Dazu im Vergleich zeigt das Modell die modellierte Belegung der Intensivstationen nach Rückkehr auf 80 oder weniger Prozent des vor-pandemischen Kontaktmusters (wenn beispielsweise bestimmte Massnahmen bei der Arbeit oder im Freizeitverhalten beibehalten werden). 

Grosse Bedeutung hatte die Hospitalisierungsrate. «Dieses Modell ermöglichte Aussagen über Belegungszahlen im Spital; die Hospitalisierungsrate ist eine kritische Grösse, welche dann einen Einfluss auf die Impfkampagne und auf die Bestimmung der Kontaktreduktionen hat», erklärt Füchslin. Bei Kontaktreduktion sei es zusätzlich wichtig, dass man zwischen den Bereichen Schule/Arbeit, Freizeit und Familie unterscheide. «Bei Familie lässt sich diesbezüglich nicht viel machen, aber sehr wohl in den Bereichen Arbeit und Schule, und bis zu einem gewissen Grad auch bei der Freizeit», betont der ZHAW-Professor.

Welche Massnahmen haben welche Auswirkung?

Aus heutiger Sicht, resümiert Füchslin, seien sie mit ihren Modellen der Realität genügend nahegekommen, um sinnvolle Planungsgrundlagen zu liefern (s. Drei Phasen Modell). «Der Zweck eines Modells ist es nicht nur, die Zukunft voraussagen. Sehr oft ist dies gar nicht seriös möglich. Mindestens so wichtig ist es, die relative Wirkung zum Beispiel bei Kontaktreduktionen in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen abzuschätzen und miteinander vergleichen zu können», führt er aus. «Krankheitsverläufe hängen inzwischen aber sehr davon ab, ob man zum Beispiel zweimal geimpft ist plus einmal geboostert und Delta gehabt hat - oder zwei Mal Omikron hatte und dafür keinen Booster hat. Das macht die Situation sehr kompliziert, da hier schlicht keine Daten vorhanden sind», erklärt Füchslin. Ein Vorteil, den Modelle bieten, ist jedoch, dass daran ganz bestimmte Effekte abzulesen seien. So etwa Second Round Effekte, welche speziell in einem früheren Projekt im Vordergrund standen. Dabei ging es um den Vergleich des indirekten Schutzes besonders gefährdeter Personen durch Bremsung der Ausbreitung durch Impfung der besonders mobilen Bevölkerung im Vergleich zum direkten Schutz durch Impfung. «Unsere Modelle bestechen durch ihre Plausibilität und erlauben uns aus qualitativen Aussagen relativ quantitative Aussagen zu produzieren», so Füchslin und fasst zusammen: «Denn am Ende sind weniger die Zahlen wichtig, sondern die Vergleiche von Szenarien».

Dabei zeigen die Modelle der Forschenden immer nur, welche Massnahmen welche Wirkungen erzielen können. «Welche Massnahmen getroffen werden sollen und nach welchen Kriterien man sie optimieren will, ist aber eine politische und gesellschaftliche Frage», stellt Füchslin klar. Die Aufgabe der Wissenschaft bestehe nicht darin, Empfehlungen auszusprechen oder zu bestimmten Entscheidungen zu drängen, sondern die verschiedenen Optionen auszuarbeiten, die der Politik zur Verfügung stehen und aufzuzeigen, welche Auswirkungen sie haben können.

Der Auftrag für das Covid-Projekt kam vom Bundesamt für Gesundheit (BAG). «Für das BAG haben wir bereits 2017/18 Berechnungen für eine faire Verteilung von Impfdosen im Falle einer Influenza-Pandemie erstellt, auch damals gemeinsam und unter der Leitung der ETH» erklärt Füchslin. Basierend auf diesem Projekt bestand bereits der Kontakt zum BAG.