Langzeitstudie Rückenschmerzen
Bewegungsmangel, Fehlbelastungen oder Stress – Rückenschmerzen haben unterschiedliche Ursachen und betreffen viele Menschen, fast jeder leidet einmal im Leben darunter.
Rückenschmerzen zählen in der Schweiz mittlerweile zu den häufigsten gesundheitlichen Beschwerden. Meistens sind Rückenschmerzen harmlos, treten plötzlich auf und verschwinden innerhalb einiger Tage oder Wochen oft von selbst wieder. Bleiben Rückenschmerzen bestehen, spricht man von chronischen Beschwerden. Trotz grosser medizinischer Fortschritte sind die Behandlungserfolge chronischer Rückenschmerzen immer noch unbefriedigend.
Diese wissenschaftliche Studie evaluiert die Zusammenhänge zwischen körperlichen und psychosozialen Faktoren bei Rückenschmerzen. Dafür werden Patient:innen während eines Jahres begleitet. Erkenntnisse der Studie könnten für die Prävention und zukünftige Behandlung der Volkskrankheit relevant sein.
Ausgangslage
Während der Grossteil der Personen mit akuten Rückenschmerzen innerhalb weniger Wochen schmerzfrei wird, entwickeln etwa 30% der Patient:innen chronische Beschwerden. Diese Beschwerden bedeuten eine grosse persönliche Last für die Betroffenen und beeinflussen direkt ihr Sozialleben und ihre Arbeitstätigkeit. Zusätzlich fallen hohe Kosten im Gesundheitssystem an.
Die genauen Mechanismen beim Übergang von akuten zu chronischen Rückenschmerzen sind noch unbekannt. Meistens sind sie nicht das Ergebnis von Veränderungen an der Wirbelsäule, sondern eine funktionelle Störung im komplexen System aus Muskeln, Bändern und Gelenken des Rückens. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen jedoch auch einen engen Zusammenhang zwischen körperlichen und psychosozialen Faktoren auf, die in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielen. Bekannte psychosoziale Risikofaktoren sind
- unrealistische Befürchtungen über den Schweregrad der Rückenschmerzen
- zu passive oder überaktive Verhaltensweisen, wie zum Beispiel eine ausgeprägte Schonhaltung oder zu viel Aktivität
- ungenügende Bewältigungsmechanismen
- Stress
Obwohl solche Faktoren bekannt sind, wird sowohl bei der Ursache als auch bei der Behandlung von Rückenschmerzen ausschliesslich im körperlichen Bereich gesucht. Eine frühzeitige Berücksichtigung psychosozialer Faktoren könnte die Chronifizierung beeinflussen und dazu beitragen, viel Leid zu vermeiden und hohe Kosten einzusparen.
Zielsetzung
Die vorliegende Langzeituntersuchung erhebt erstmals gleichzeitig klinische und psychosoziale Faktoren sowie Bewegungskontrolle und körperliche Aktivität und bringt diese in einen Zusammenhang. Bei ausgewählten Patient:innen werden zusätzlich Messungen mit funktionellem MRI durchgeführt, um mögliche Veränderungen in den beteiligten Netzwerken im Gehirn zu verfolgen.
Von grösstem Interesse ist die Vielfältigkeit der Verläufe und Behandlungsmöglichkeiten bei dieser Patienten:innen-Gruppe, besonders auch bei Betroffenen, bei denen die Rückenschmerzen ausheilen. Schlussendlich sollen die Ergebnisse helfen, Zusammenhänge dieses vielschichtigen Problems zu verstehen, Risiko- und Schutzfaktoren für die Entwicklung chronischer Rückenschmerzen zu erkennen und neue Ansätze für die Therapie zu entwickeln.
Methoden und Vorgehen
- Die Langzeituntersuchung dauert 12 Monate und umfasst 4x eine körperliche Untersuchungen und 5x eine Erhebung mit Fragebogen.
Kriterien für die Teilnahme
- Schmerzen im unteren Rückenbereich (Lendenwirbelsäule) seit höchstens 4 Wochen
- Bei wiederkehrenden Schmerzen im unteren Rückenbereich (Lendenwirbelsäule) waren Sie die letzten drei Monate schmerzfrei
- Zwischen 18 und 65 Jahren
- Gute Deutschkenntnisse
- Eine medizinische Behandlung ist nicht notwendig
Körperliche Untersuchung
- 4 Termine in lokalen Testzentren (4, 8, 12 und 26 Wochen nach Beginn der Rückenschmerzen)
- Untersuchung von Schmerzempfinden Körperwahrnehmung und Bewegungskontrolle
- Dauer: ca. 30 Minuten
Fragebogen
Beantwortung eines webbasierten / online Fragenbogens via PC / Handy nach 4, 8, 12, 26 und 52 Wochen, zu:
- Rückenschmerzen und möglichen Behandlungen
- psychosozialen Faktoren (Stress, Verhaltensweisen, Aufmerksamkeit)
- körperlicher Aktivität
Der Fragebogen wird online zu Hause oder im lokalen Testzentrum ausgefüllt. Dauer: ca. 30 Minuten.
Alle Daten werden streng vertraulich behandelt.
Projektpartner
Projektorganisation
- Projektleitung
Prof. Dr. Sabina Hotz Boendermaker - Projektdauer
01.09.2017 – 31.10.2021 - Projektteam
Prof. Dr. Hannu Luomajoki
Bart Boendermaker, Doktorand
Fabian Pfeiffer, Doktorand - Finanzierung
Fördermittel des Schweizerischen Nationalfonds - Projektstatus: Abgeschlossen
Publikationen und Berichte
ZHAW Publikationsdatenbank
-
Dietrich, Nicole; Luomajoki, Hannu; Hotz Boendermaker, Sabina,
2023.
BMC Musculoskeletal Disorders.
24(1), S. 957.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.1186/s12891-023-07046-w
-
Pfeiffer, Fabian; Meichtry, André; Luomajoki, Hannu; Hotz Boendermaker, Sabina,
2023.
The natural course of acute low back pain in the general population : an inception cohort study [Poster].
In:
13th Congress of the European Pain Federation EFIC, Budapest, Hungary, 20-22 September 2023.
Verfügbar unter: https://europeanpainfederation.eu/wp-content/uploads/2023/11/ABSTRACT_BOOK_T-2023.pdf
-
Boendermaker, Bart; Buechler, Roman; Michels, Lars; Nijs, Jo; Coppieters, Iris; Hotz-Boendermaker, Sabina,
2022.
Adaptive changes in sensorimotor processing in patients with acute low back pain.
Scientific Reports.
12(1), S. 21741.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.1038/s41598-022-26174-2
-
Morf, Rita; Pfeiffer, Fabian; Hotz Boendermaker, Sabina; Meichtry, André; Luomajoki, Hannu,
2021.
BMC Musculoskeletal Disorders.
22(666).
Verfügbar unter: https://doi.org/10.1186/s12891-021-04530-z