Gesundheitskompetenz in herausfordernden Kontexten
Eine Bedarfserhebung zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei Menschen in schwierigen Lebenslagen durch sozialberatende Stellen
Ausgangslage
Die Kompetenz, Informationen zu den Bereichen Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden ist von zentraler Bedeutung für die Förderung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit.
Aus Studien und Befragungen ist bekannt, dass Personen in schwierigen Lebenslagen eine tiefere Gesundheitskompetenz aufweisen. Besonders vulnerabel sind dabei Personen, die von mehreren Risikofaktoren betroffen sind. Es erscheint deshalb zentral, die Bedürfnisse von diesen Personen in Hinblick auf Gesundheitskompetenz besser zu verstehen und darauf aufbauend die Gesundheitskompetenz zu stärken. Sozialberatende Organisationen bieten dabei grosses Potential, um Personen in schwierigen Lebenslagen zu erreichen und Angebote zur Förderung der Gesundheitskompetenz zu platzieren.
Zielsetzung
Der Schwerpunkt des geplanten Projekts liegt auf der systematischen Bedarfsabklärung bei sozialberatenden Organisationen und Menschen in schwierigen Lebenslagen, welche diese Organisationen zur Beratung aufsuchen. Dabei ist von Interesse, welche Bedürfnisse die Klientinnen und Klienten der sozialberatenden Organisation in Bezug auf die Förderung der Gesundheitskompetenz haben und welche Möglichkeiten sie sehen, um diese Bedürfnisse umzusetzen und wo allenfalls noch Unterstützung benötigt wird. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, was die sozialberatenden Organisationen zur Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Klientinnen und Klienten beitragen können und welche Unterstützung die Beratenden benötigen, um dies in ihren Beratungsalltag zu integrieren. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen dazu beitragen, ein wirksames und akzeptiertes nationales Angebot zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei Personen in schwierigen Lebenslagen zu erarbeiten.
Methode und Vorgehen
Für die Bedarfserhebung zur Förderung der Gesundheitskompetenz bei Menschen in schwierigen Lebenslagen durch sozialberatende Stellen wurde sowohl die individuelle als auch die organisationale Ebene berücksichtigt. In einem ersten Schritt wurden Interviews mit Vertreterinnen der sozialberatenden Organisation durchgeführt, um ein Verständnis von schwierigen Lebenslagen sowie deren Einfluss auf die Gesundheitskompetenz zu erlangen. Für die Bedarfsabklärung auf individueller Ebene wurden in einem weiteren Schritt Klientinnen und Klienten der sozialberatenden Organisationen im Rahmen von Interviews zu ihrer Lebenssituation, zu Handlungsmöglichkeiten und Bedürfnissen für eine gesunde Lebensführung und zu ihrer Gesundheitskompetenz befragt. In einem dritten Schritt wurden zur Bedarfsabklärung auf organisationaler Ebene die Erkenntnisse aus den Klientinnen- und Klienten-Interviews in Fokusgruppen mit den Vertreterinnen der sozialberatenden Organisationen reflektiert und mit den Strukturen und Prozessen der Sozialberatung kontrastiert.
Das Projekt der Allianz Gesundheitskompetenz wurde von einer Begleitgruppe unterstützt, die sich aus Personen vom Bundesamt für Gesundheit, der Careum Stiftung, der Gesundheitsförderung Schweiz, dem Schweizerischen Roten Kreuz und der Universität Bern zusammensetzte.
Ergebnisse
Es zeigte sich, dass die interviewten Personen in vielen Bereichen über gut ausgeprägte Gesundheitskompetenzen verfügen (z.B. Wissen um gesundheitsförderliche oder gesundheitshinderliche Faktoren). Auch zeugt es von hoher Gesundheits- und Lebenskompetenz, wenn Menschen trotz stark belastenden Lebenssituationen ihr Leben dennoch gut bewältigen können. Allerdings zeigten sich auch klare Kompetenzgrenzen und ein Bedarf an Information und Unterstützung.
Barrieren für eine gute Gesundheit sind allerdings nur teilweise in einer beschränkten individuellen Gesundheitskompetenz zu sehen. Vielmehr haben die Erkenntnisse bekräftigt, wie wichtig gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen sind, um die Potenziale für ein gesundes Leben und erworbene Gesundheitskompetenz ausschöpfen zu können. Belastende Faktoren waren insbesondere eine prekäre finanzielle Situation und dadurch ausgelöster Stress, Mehrfachbelastungen durch Arbeit / Weiterbildung und Familie, fehlende Berufs- und Lebensperspektiven sowie fehlende Unterstützung aus dem sozialen Umfeld oder durch Behörden. Insbesondere von alleinerziehenden Müttern wurde eine ungenügende Entlastung von den Herausforderungen des Familienalltags als herausfordernd wahrgenommen.
Es liessen sich unterschiedliche Massnahmen zur Unterstützung der Klientinnen und Klienten und zur Weiterentwicklung ihrer Gesundheitskompetenz identifizieren. Als unterstützende Massnahmen haben sich beispielsweise die frühzeitige Vermittlung von gesundheitsrelevanten Informationen und Unterstützungsangeboten erwiesen, eine rasche unbürokratische Unterstützung in Notsituationen oder Unterstützung beim Aufbau und in der Pflege von tragenden sozialen Beziehungen. Zur Förderung der individuellen Gesundheitskompetenz sind Angebote im Bereich des persönlichen Coachings (Orientierung, Lebensperspektiven) denkbar als auch Angebote zur Weiterentwicklung spezifischer Kompetenzen (z.B. digitale Medienkompetenz). Um entsprechende Kompetenzen gezielt fördern zu können, wäre es längerfristig hilfreich, Konzepte und Materialien für diverse thematische Bereiche (z.B. Kindergesundheit) und Fragestellungen (z.B. Wie bewege ich mich erfolgreich im Gesundheits- und Sozialwesen) gemeinsam mit Sozialberatungsstellen und KlientInnen zu entwickeln.
Publikationen
Folgeprojekt Gesundheitskompetenz Workshops
Der von der Allianz Gesundheitskompetenz und Gesundheitsförderung Schweiz initiierte, in die Thematik einführende Workshop, dient der Sensibilisierung und dem Erfahrungsaustausch von Mitarbeitenden sozialberatender Organisationen.
Projektorganisation
- Projektleitung
Prof. Dr. Frank Wieber
Dr. phil. Günter Ackermann - Projektteam
Sibylle Juvalta, MSc.
Simona Marti, MA. - Auftraggeberin
Das Projekt wurde von der Allianz Gesundheitskompetenz in Auftrag gegeben. - Projektdauer
01.10.2020 – 31.09.2021 - Projektstatus
abgeschlossen
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