Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Abstracts und Handouts Referate 2022

Die verschiedenen Abstracts und Handouts der Keynote-Beiträge und Referate nach Tracks finden Sie auf dieser Übersichtsseite.

Tracks

  • A: Diagnostik bei Kindern, Jugendlichen und Familien (KJF)
  • B: Diagnostik in Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung (BSL)
  • C: Diagnostik in Eignungsbeurteilung und Personalauswahl (EPA)

Keynotes

Keynote 1

PD Dr. med. Gregor Berger

Auswirkung der Pandemie auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Erkennung, Behandlung, Verantwortung.
Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist in der Schweiz gemäss Unicef 2020 gut. Allerdings konnten schon vor der Pandemie einzelne Aspekte als potentielle Risikofaktoren für ein psychisches Wohlbefinden erkannt werden. Dies waren ein Anstieg an Depressionen, Perspektivlosigkeit und Suizidalität. Im ersten Lockdown reduzierte sich die Inanspruchnahme im Hinblick auf Diagnostik und Therapieanfragen. Auch einige Patienten, die schon vorher an unserer Klinik behandelt wurden, gaben eine gewisse Stressreduktion an, bei einer anderen Gruppe zeigte sich eine Verschlechterung der Grundsymptomatik. Eine Ruhe vor dem Sturm? In der Allgemeinbevölkerung sahen wir vor allem bei Mädchen eine erhöhte Irritabilität, die im Rahmen von der Befragung nach ADHS Symptomen besonders auffiel. Seit Herbst 2021 sahen wir einen bisher nie dagewesenen Anstieg an psychischen Störungen, Symptomen, Krisen bei Kindern und Jugendlichen. Die Diagnostik endet nicht bei der Erfassung von Symptomen und Risikofaktoren, sondern schliesst eine breitere Sichtweise auf das Umfeld, die Familie, Schule, Anforderungen, aber vor allem auch auf Ressourcen ein. Wir müssen erkennen und niederschwellige und spezifische Angebote anbieten. Benachteilige Familien leiden besonders. Wir haben einen Leistungsauftrag, aber auch eine Verantwortung. Was können wir aus dieser Krise lernen, was brauchen die Jugendlichen jetzt und in Zukunft, um Krisen besser bewältigen zu können.

Porträt:
PD Dr. med. Gregor Berger arbeitet und forscht in der Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Seit 2014 ist er dort der Leiter des Krisen-, Abklärungs-, Notfall- und Triagezentrums KANT. Neben seiner klinischen Tätigkeit ist Gregor Berger translationaler Forscher und leitet dort die Forschungsgruppe Entwicklungspsychopharmakologie. Zur Durchführung seiner Forschung erhielt Gregor Berger zahlreiche nationale und internationale kompetitive Fördermittel. Eines seiner Hauptinteressen sind die neuroprotektiven Wirkungen von Omega-3-Fettsäuren bei neu auftretenden psychischen Störungen. Seine Forschungsgruppe schliesst gegenwärtig die weltweit grösste plazebo-kontrollierte Studie zur Untersuchung der antidepressiven Wirkung von Omega-3 Fettsäuren bei depressiven Kindern und Jugendlichen ab, die u.a. durch den Schweizerischen Nationalfonds unterstützt wird. Kürzlich erhielt seine Gruppe auch bedeutende finanzielle Unterstützung von der Gesundheitsförderung Schweiz für die Entwicklung eines Suizidpräventionsprogramms für Jugendliche nach einem Suizidversuch, dass in fünf universitären und acht nicht-universitären Kantonen implementiert wird.

Video des Keynotes von PD Dr. med. Gregor Berger

Keynote 2

Peter A. Gloor

Prof. Dr. Peter A. Gloor

Mehr Glück und Flow durch KI?
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat in den letzten Jahren Riesenfortschritte gemacht in der automatischen Erkennung von individueller Persönlichkeit, Emotionen und persönlichen Wertesystemen. In unserer Forschung der letzten 18 Jahre am MIT Center for Collective Intelligence haben wir ein umfassendes KI-Rahmenwerk entwickelt, das verbale, nonverbale und Online-Kommunikation durch Körperwahrnehmung, Bilderkennung, deep learning/KI und Analyse sozialer Netzwerke analysiert und unterstützt. Auf organisatorischer Ebene werden Flow, Produktivität und Kreativität von Teams gemessen, indem «ehrliche Signale» aus Kommunikationsarchiven wie Firmen-E-Mails extrahiert werden. Auf der persönlichen Ebene werden Kreativität, Glück und Stress von Einzelpersonen und Teams mit soziometrischen Badges, Smartwatches (dem Happimeter) und Emotionserkennung von Gesicht und Stimme analysiert. Das Konzept des «Virtual Mirroring» hilft dem Individuum, Glück und Flow zu verbessern, indem die sieben «ehrlichen Signale der Zusammenarbeit» mit Hilfe von KI berechnet und optimiert werden: «starke Führung», «rotierende Führung», «ausgewogener Beitrag», «Reaktionsfähigkeit», «ehrliches Gefühl», «gemeinsamer Kontext» und «soziales Kapital». Sie zeigt dem Einzelnen einen «virtuellen Spiegel» dessen, wie er von anderen gesehen wird, und ermöglicht es ihm so, seine Selbst- und Fremdwahrnehmung aufeinander abzustimmen.

Porträt:
Peter A. Gloor ist Research Scientist am MIT Center for Collective Intelligence, Gründer und Chief Creative Officer der sozialen Netzwerkanalyse und HR Analytics Software Firma Galaxyadvisors AG und Honorarprofessor an der Universität zu Köln und an der Jilin Universität, Changchun, China. Zuvor war er E-Business Practice Leader Europa bei Deloitte Consulting, Partner bei PwC, und Sektionsleiter Software Engineering bei UBS. Er promovierte in Informatik an der Universität Zürich und war Postdoc am Lab for Computer Science am MIT. Er schrieb 9 Bücher, seine neuesten sind «Swarm Leadership» und «Sociometrics», erschienen bei Emerald Press in 2017.

Video des Keynotes von Prof. Dr. Peter A. Gloor

Keynote 3

Prof. Dr. Sophie von Stumm

Die DNA als Wahrsagerin? Fortschritte aus der Genomwissenschaft
Genetische Einflüsse sind für mehr als die Hälfte der Unterschiede in physischen und psychischen Eigenschaften zwischen Menschen verantwortlich. Die DNA-Revolution im vergangenen Jahrzehnt hat es möglich gemacht, die DNA-Varianten, die Unterschiede in unseren Eigenschaften, wie zum Beispiel Intelligenz und Persönlichkeit, beeinflussen, zu identifizieren. Im Unterschied zu anderen Prädiktoren, kann DNA von Geburt an angewandt werden, um Vorhersagen zu treffen, da ererbte DNA-Unterschiede sich von der Wiege bis zum Grab nicht ändern. Wie alle wissenschaftlichen Fortschritte kann die Möglichkeit, DNA als Wahrsagerin zu verwenden, zum Guten genauso wie zum Schlechten genutzt werden. Wissenschaft und Gesellschaft müssen dringend diskutieren und entscheiden, ob, wie und wann wir DNA-basierte Vorhersagen einsetzen wollen und sollen. Ein erster, wichtiger Schritt ist hier, allen beizubringen, dass genetische Vorhersagen aus der DNA immer Wahrscheinlichkeiten suggerieren, aber keinen Determinismus implizieren. Die Ängste vor einem potenziellen Missbrauch der Genomwissenschaft darf diese Diskussionen nicht ersticken, die notwendig sind um sicherzustellen, dass wir die Vorteile von DNA-basierten Vorhersagen nutzen und ihre Risiken minimieren.

Porträt:
Sophie von Stumm ist Professorin für Psychologie an der Universität von York und Direktorin des Hungry Mind Lab. In ihrer Forschung untersucht sie die Ursachen inter- und intra-individueller Unterschiede in Intelligenz und Persönlichkeit. Professorin von Stumm hat mehr als 70 Artikel in wissenschaftlichen Journalen publiziert und wird gegenwärtig von Fellowships der Jacobs Foundation und der British Academy gefördert.

Video des Keynotes von Prof. Dr. Sophie von Stumm

Keynote 4

Moritz Schöffel

Sollten neue Ansätze in der Psychometrie automatisch KI einbeziehen?
Nur wenige Psychologinnen und Psychologen haben eine formale Ausbildung in künstlicher Intelligenz (KI) oder maschinellem Lernen (ML), dennoch setzen sie zunehmend KI/ML in Tools zur Personalauswahl ein. Bald wird die gesamte Assessment-Branche KI/ML in ihre Tools und Lösungen integrieren. Dies wirft einige Fragen auf. Lassen wir uns als Branche von der Technologie prägen, oder gestalten wir deren Einführung? Wie können wir sicherstellen, dass wir Einfluss auf die Entwicklung nehmen und dafür sorgen, dass wir alle diese neuen Anwendungen wirklich verstehen? Mit wem können wir zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass KI/ML mit unseren Standards für Psychometrie übereinstimmt? Wie kann man den ethischen Einsatz von KI im Assessment von Talenten sicherstellen? Während dieser Präsentation werden wir die neusten Entwicklungen im Bereich der angewandten KI im Assessment-Bereich durchgehen. Wir nähern uns diesem Thema eher aus einem psychologischen/psychometrischen als aus einem technischen Blickwinkel. Was wir erreichen wollen, ist ein besseres Verständnis und ein Bewusstsein dafür, was wir als ausgebildete Personalfachleute und Psychologinnen und Psychologen tun können, um weiterhin die besten diagnostischen Tools und Verfahren für den Einzelnen zur Verfügung zu stellen und schliesslich das Publikum zu befähigen, Antworten auf die oben gemachten Aussagen zu geben.

Porträt:
Moritz Schöffel ist Psychologe mit Schwerpunkt auf Business Psychology. Er hat an der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck studiert. Heute ist Moritz Schöffel Senior Consultant für Online Assessments und Eignungsdiagnostik bei Aon Assessment Solutions. Dabei unterstützt er Organisationen in einem multinationalen Kontext im Bereich Talent Scouting und Development, Pre-employment Screening, Video Interview, Design und Einführung von Kompetenz- und Leadership-Modellen, Assessment Centres und High Potential-Programme. In früheren Rollen bei Kienbaum und Deloitte arbeitete Moritz Schöffel in den Bereichen Managementdiagnostik und Recruiting.

Video des Keynotes von Moritz Schöffel

Keynote 5

PD Dr. med. Dr. phil. Manuel Trachsel

Psychologie ohne Psycholog:innen: Macht künstliche Intelligenz unsere Profession überflüssig?
Künstliche Intelligenz (KI) kommt zunehmend bei der Diagnostik und Behandlung von Krankheiten zum Einsatz, entweder zur Assistenz für Entscheidungen durch Fachpersonen («weak AI») oder als selbständig entscheidende KI-Systeme («strong AI»). Das was in der Medizin über Jahrhunderte als ärztliche Kunst galt, können KI-Systeme teilweise bereits jetzt besser als Menschen. Dies wirft zahlreiche ethische Fragen und Konflikte auf: Werden KI-Systeme Psycholog:innen bald überflüssig machen, zum Beispiel als intelligente Diagnostik- und Psychotherapie-Bots? Können wir KI-Systemen vertrauen? Wer ist verantwortlich, wenn KI-Systeme versagen? Sollten wir KI basierte diagnostische und therapeutische Entscheidungen ablehnen oder gar verbieten? Im Vortrag werden diese Fragen vertieft und mögliche Antworten darauf präsentiert.

Porträt:
PD Dr. med. Dr. phil. Manuel Trachsel ist Privatdozent am Institut für Biomedizinische Ethik der Universität Zürich (UZH) sowie Leiter der Abteilung Klinische Ethik am Universitätsspital Basel (USB) und an den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK). Manuel Trachsel hat bisher über 100 wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften und Büchern publiziert. Neben der universitären Lehre unterrichtet er Medizinethik mit Schwerpunkt Psychiatrie- und Psychotherapie-Ethik an diversen Weiter- und Fortbildungsbildungsinstitutionen im In- und Ausland und ist Lead Editor des Oxford Handbook of Psychotherapy Ethics. Forschungsschwerpunkte: Ethik und Philosophie der Psychiatrie, Psychotherapie und Palliative Care; Schnittbereich von Psychiatrie und Palliative Care; Ethik von Künstlicher Intelligenz in der Psychiatrie und Psychotherapie; Ethik von Zwangsmassnahmen; Selbstbestimmung von Patienten, Urteilsfähigkeit und informierte Einwilligung. Über 100 Publikationen von Büchern und. Wissenschaftlichen Artikeln, u. a. in JAMA, The Lancet Psychiatry, American Journal of Bioethics, American Journal of Geriatric Psychiatry, Journal of Medical Ethics, BMC Psychiatry.


  

Referate Track A (KJF)

Früherkennung von Psychosen – Psychoserisiko mit Wirkungen und Nebenwirkungen?

Transfer-Session 1: Mittwoch, 29. Juni 2022, 14.15
Referentin: Dr. med. Miriam Gerstenberg, KJPP Zürich
Abstract: Die Früherkennung der Psychosen stellt im Kindes- und Jugendalter eine Herausforderung dar. Die Dauer der unbehandelten Psychose ist in diesem Alter länger als bei Erkrankungsbeginn im Erwachsenenalter. Da jedoch eine längere Dauer der unbehandelten Psychose mit höheren Einbussen im Funktionsniveau assoziiert ist, bleibt die Früherkennung essenziell. Weiterführend werden neben der manifesten Erkrankung in Früherkennungszentren auch Symptomkonstellationen erfasst, die für ein erhöhtes Risiko sprechen an einer Psychose zu erkranken.

In diesem Beitrag werden Instrumente der Früherkennung aufgezeigt, Fragen rund um die häufig fluktuierenden Wahrnehmungs- und Denkstörungen im Kindes- und Jugendalter beleuchtet und die Mitteilung eines Psychoserisikos kritisch diskutiert.

Handout «Früherkennung von Psychosen – Psychoserisiko mit Wirkungen und Nebenwirkungen? »

Abklärungen im Schulpsychologischen Dienst: Diagnostik vs. Beratung

Transfer-Session 2: Mittwoch, 29. Juni 2022, 15.35
Referentin: Ruth Moser, Schulpsychologin und Teamleiterin SPD Zweigstelle Zürichberg
Abstract: Der Schulpsychologische Dienst hat gewissermassen eine «Hausarztfunktion». Oftmals ist er die erste Anlaufstelle, wenn sich bei Kindern Lernschwierigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten oder psychische Belastungen zeigen.
Die Anmeldungen sind in den letzten Jahren gestiegen. Es besteht eine erhöhte Nachfrage nach schulpsychologischen Leistungen seitens Schule und Eltern. Mehr Kinder und Jugendliche zeigen Belastungen u.a. aufgrund von Erwartungs- und Leistungsdruck in ihrer schulischen und persönlichen Entwicklung. Die Sensibilität und Erwartungen bezüglich Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen sind bei Lehrpersonen und Eltern gestiegen. Zudem kommen zu den bisherigen Themen neue Fragestellungen dazu wie Autismus-Spektrum-Störungen, Depression, die Auswirkungen der Pandemie, Belastung von Lehrpersonen und Transgender relevant. Aus der daraus resultierenden zeitlichen, personellen und finanziellen Ressourcenknappheit, ist es wichtig und anspruchsvoll zu entscheiden, wann eine vertiefte Diagnostik und Abklärung und wann eine Beratung der Schule und das Einleiten von pädagogischen, schulischen oder therapeutischen Massnahmen indiziert ist. Grundlage für diese Entscheidung bilden Gefässe wie interdisziplinäre Schulhaussprechstunden, schulische Standortgespräche und Schulbesuche. Es wird evaluiert welche Symptome ein Kind zeigt und welche Unterstützungsmassnahmen eingeleitet werden sollen.

WeAskYou: Eine Online-Plattform für die Eingangs- und Verlaufsdiagnostik

Transfer-Session 3: Donnerstag, 30. Juni 2022, 10.15
Referent: Nils Jenkel, UPK Basel Klinik für Kinder und Jugendliche (UPKKJ)
Abstract: Am Zentrum für Liaison und aufsuchende Hilfen in der Forschungsabteilung der UPKKJ Basel setzen wir in unseren Kooperationsprojekten mit der stationären Kinder- und Jugendhilfe seit Jahren auf computerbasierte Fragebogenerhebungen. Daraus ist EQUALS und die webbasierte Plattform WeAskYou als Tool für die Praxis entstanden.

Derzeit arbeiten rund 40 sozialpädagogische Einrichtungen mit dem Programm. Darin können sie aus einer Fülle von standardisierten und meist international etablierten Verfahren auswählen, um ihre Kinder und Jugendlichen noch besser zu verstehen und deren Verläufe während der Unterbringung zu dokumentieren.
Aufgrund von weiteren Forschungsprojekten, in welchen die Plattform WeAskYou genutzt wird, konnte diese sich stets weiterentwickeln und wir sind nun offen, dass sie auch in anderen Settings ausprobiert wird.

Gewalt an Kindern erkennen und handeln

Referent: Dr. med. Georg Staubli, Chefarzt Notfallstation und Leiter Kinderschutzgruppe Kinderspital Zürich
Abstract: Wie erkenne ich körperliche oder psychische Misshandlungen und Vernachlässigung? Wann sind blaue Flecken bei einem Kind nicht mehr normal, was muss ich dabei beachten? Neben den physischen Verletzungen erleiden Kinder bei körperlicher Gewalt immer auch psychische Gewalt.
Wie kann ich erkennen, ob einem Kind Gewalt angetan wird? Was kann ich dagegen tun, was sind meine Handlungsoptionen und wer kann mich dabei allenfalls unterstützen?

Handout «Gewalt an Kindern erkennen und handeln »


  

Referate Track B (BSL)

Selbstcoaching-App zur Berufs- und Studienwahl- Entwicklung und Anwendung

Referent: Tillmann Grüneberg, M.A., selbstständiger Berater und Trainer, Lehrbeauftragter Universität Leipzig
Abstract: Viele Übungen und Arbeitsmaterialen, die vor, in oder zwischen Berufs- und Studienberatungsgesprächen zum Einsatz kommen, lassen sich auch digital abbilden. Es liegt nahe, diese in Form einer App aufzubereiten und so auf dem von Jugendlichen bevorzugten Endgerät zugänglich zu machen. Zum Teil bietet diese technische Umsetzung sogar weitere Vorteile (Formate, Auswertung). Im Vortrag wird der Prozess der Entstehung eines zehnstufigen Berufs- und Studienorientierungsprogramms auf Basis von Berufswahl- und Begabungsforschung, sowie Beratungs- und Workshop-Praxis nachgezeichnet (vgl. Grüneberg, 2019). Dieses ist die Basis für die Selbstcoaching-App DEEP: Berufs- und Studienorientierung, die Anfang 2021 veröffentlicht wurde. Im Vortrag wird der Aufbau der App (Projektmanagementtool, Schritte und Aufgaben, Profil) erläutert und einzelne Formate (Lernvideos, Selbstreflexionsfragen, Ranking-Tests, 360-Grad Feedback, Orakel, Entscheidungsmatrix, etc.) vorgestellt. Anschließend werde erste Nutzenrückmeldungen (Oberstufenschüler*innen, Lehrer*innen, Berater*innen) zusammengefasst und verglichen. Schwerpunkt dabei bilden die Grenzen von Selbstcoaching , sowie die Möglichkeiten des Einsatzes von Seiten der Berater*innen insbesondere unter dem Aspekt der Erreichung von Zielgruppen.

Handout «Selbstcoaching-App zur Berufs- und Studienwahl- Entwicklung und Anwendung»

Sinn oder Unsinn von Algorithmen in der narrativen Laufbahnberatung

Referenten: Dr. Gregor Jenny, Universität Zürich und Prof. Dr. Marc Schreiber, IAP Institut für Angewandte Psychologie
Abstract: Kann künstliche Intelligenz (KI) gewinnbringend in der Laufbahnberatung eingesetzt werden? Wir stellen ein Projekt vor, welches den Einsatz von KI in der Beratungspraxis untersucht. Wir gehen von drei Ebenen der Persönlichkeit: Ebene der Narrationen (z.B. Geschichten, Selbsterzählungen), der subjektiven Ziele (z.B. Interessen, Motive) und der objektiven «Fakten» (z.B. Persönlichkeit). In der Beratung greifen wir auf alle Ebenen zurück und verwenden dabei sowohl quantitative (z.B. Fragebogen) als auch qualitative Diagnostik (z.B. Geschichten und Bilder). Im Projekt überprüfen wir, ob KI auf der Basis von Textdaten im Sinne von Geschichten, die Personen schreiben (Narration), die Interessens-, Motiv- (subjektive Ziele) oder Persönlichkeitsprofile (objektive «Fakten») derselben Personen voraussagen kann. Sollte das gelingen, so könnten sich Berater/innen und Klienten/-innen in der Laufbahnberatung voll und ganz auf narrative Verfahren konzentrieren und den Einsatz von Fragebogen minimieren. Wir berichten über den aktuellen Projektstand und beleuchten den Einsatz von KI kritisch.

Handout «Sinn oder Unsinn von Algorithmen in der narrativen Laufbahnberatung»

Projekt viamia für 40 plus – Standortbestimmung und Laufbahnberatung mit Online-Plattform

Referentin: Christine Andres, M.Sc., dipl. Berufs-, Studien- und Laufbahnberaterin Kanton Wallis
Abstract: Um das inländische Arbeitskräftepotenzial 40 plus optimaler nutzen zu können, investieren Bund und Kantone in das Beratungsangebot viamia. Ziel: Erhalt und nachhaltige Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit der Bevölkerung ab 40 Jahren. Nach einer Pilotphase in 11 Kantonen wird viamia seit Januar 2022 schweizweit angeboten. Die Dienstleistung ist für Kundinnen und Kunden kostenlos. Ergänzend zur beruflichen Standortbestimmung und Laufbahnberatung steht ab April 2022 eine Online-Plattform zur Verfügung. Diese ermöglicht eine selbständige und interaktive Auseinandersetzung mit Laufbahnthemen. Die Präsentation veranschaulicht den aktuellen Stand des viamia-Projekts sowie wesentliche Ergebnisse und Erkenntnisse aus der wissenschaftlich begleiteten Pilotphase. Der Beratungsablauf mit beruflicher Standortbestimmung und Laufbahnberatung wird praxisnah aufgezeigt. Ausgehend von den unterschiedlichen Bedürfnissen des heterogenen viamia-Zielpublikums wird aufgezeigt, wie die Standortbestimmung und weiterführende Beratung auf die verschiedenen Subgruppen abgestimmt werden können. Die Präsentation gewährt Einblicke in den Aufbau und die Wirkungsweise der Online-Plattform. Es werden Chancen und Herausforderungen aufgezeigt, die sich aus dem Zusammenspiel zwischen Online-Plattform und viamia-Beratungsangebot ergeben.

Handout «Projekt viamia für 40 plus – Standortbestimmung und Laufbahnberatung mit Online-Plattform»

KI-gestützte Diagnostik bei beruflicher Entscheidungsberatung

Referenten: Prof. Dr. Bernd-Joachim Ertelt und Prof. Dr. Peter Weber, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit (HdBA)
Abstract: Berufliche Entscheidungs- und Problemlösungsprozesse erfolgen unter eingeschränkter Rationalität in Form von in-dividueller Heuristiken. Unser laufendes Forschungsprojekt an der HdBA hat das Ziel, die Beratungsfachkraft durch eine KI (Künstliche Intelligenz) in der Aufgabe zu unterstützen, die Heuristiken, nach denen ein Klient vorgeht, zu diagnostizieren und abzubilden. Die mehr oder weniger offenen Lösungsräume einer Heuristik (z. B. «one-reason decision») sollen durch die Identifizierung weiterer Entscheidungskriterien («constraints») konsistenter werden. Konsistentere Lösungsräume helfen, mögliche Alternativen (Berufe, Arbeitsplätze, Ausbildungswege) hinsichtlich ihrer «Befriedigungsangebote» einzuschätzen.
Das in unserem laufenden Projekt zu entwickelnde KI-Programm dient als Instrument der Beratenden bei der dynamischen Adaption an die jeweiligen Informationsbedarfe und Aufnahmemöglichkeiten der Ratsuchenden im Beratungsprozess. Die Verknüpfung mit bestehenden berufskundlichen und arbeitsmarktbezogenen Informationssystemen ist dabei Grundvoraussetzung. Dabei wird von Systemen der «schwachen KI» ausgegangen, d. h. von einer KI, die in konkreten Anwendungsproblemen das menschliche Denken unterstützen und erweitern will. Dieser Ansatz stellt erhöhte Anforderungen an die diagnostische Kompetenz der Beratenden, denn sie müssen zum einen die individuellen Heuristiken und den Informationsbedarf erkennen und zum anderen die Kategorien und Algorithmen so gut verstehen, dass die Eingabe und Interpretation ohne Probleme erfolgen kann.
Die Präsentation stellt das Vorgehen und die bisher erzielten Zwischenergebnisse aus dem laufenden Projekt vor- und zur Diskussion gestellt.

Handout «KI-gestützte Diagnostik bei beruflicher Entscheidungsberatung»


  

Referate Track C (EPA)

Vorstellungsgespräche per Telefon, Videokonferenz oder Videoaufzeichnung

Referent: Prof. Dr. Klaus Melchers, Universität Ulm
Abstract: Vorstellungsgespräche sind eines der am häufigsten verwendeten Verfahren der Bewerberauswahl. Diese Gespräche wurden früher fast ausschliesslich von Angesicht zu Angesicht durchgeführt, aber schon vor Corona hat die Anzahl von Unternehmen deutlich zugenommen, die technologie-mediierte Interviews als Ergänzung zu bzw. anstelle von persönlichen Vorstellungsgesprächen einsetzt. Mittlerweile ist diese Anzahl durch Corona nochmals massiv gestiegen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die Art der Durchführung die Brauchbarkeit solcher Vorstellungsgespräche für die Bewerberauswahl beeinflusst. Im Rahmen meines Vortrags will ich einen Überblick über eine Reihe von Befunden geben, die unterschiedliche Teilaspekte dieser Ausgangsfrage beleuchten: Gibt es Akzeptanzunterschiede zwischen den verschiedenen Interview-Medien? Welche Einflussfaktoren wirken auf die Akzeptanz technologie-mediierter Interviews, und gibt es Möglichkeiten, diese Akzeptanz zu verbessern? Beeinflusst das Interview-Medium das Abschneiden von Bewerberinnen und Bewerbern? Welche Faktoren auf Seiten der Bewerberinnen und Bewerber spielen dabei eine Rolle und welche auf Seiten der Interviewer? Und wie gut kann man auf Basis technologie-mediierter Interviews die Arbeitsleistung vorhersagen? – Auf Basis der vorgestellten Befunde sollen abschliessend Empfehlungen für die Durchführung von Vorstellungsgesprächen abgeleitet werden.

Handout «Vorstellungsgespräche per Telefon, Videokonferenz oder Videoaufzeichnung»

Risikodiagnostik − Chancen und Verantwortung

Referent: Simon Hardegger, IAP Institut für Angewandte Psychologie
Abstract:
Risikodiagnostik ist immer noch im Begriff sich als neue Disziplin zwischen klassischem Risikomanagement und Eignungsidagnostik zu bilden. Dies nicht zuletzt auf Grund einer bewussteren Wahrnehmung des Menschen als potenzielle Risikoquelle über klassische Branchen wie jene der Sicherheit hinaus. Viel dazu beigetragen haben auch die intensive Forschung um negative Persönlichkeitsaspekte der letzten 20 Jahre und ein mannigfaltiges Angebot für Background-Checks hat sich auch ausserhalb behördlicher Interessen etabliert. In der Transfer-Session wird Risikodiagnostik als psychologisches Handwerk im Berufskontext vorgestellt und es werden Aspekte wie Anknüpfung an Risikomanagement, Praxis von psychologischer Risikodiagnostik und Risikokommunikation beleuchtet. Zusätzlich wird auch wichtigen ethischen Fragen wie Anwendungsberechtigung und informed consent nachgegangen sowie die Verantwortung von Psychologinnen und Psychologen reflektiert.

Handout «Risikodiagnostik − Chancen und Verantwortung»

Game-Based Assessment (online)

Referent: Prof. Dr. Tim Warszta
Abstract: Game-Based-Assessment kombiniert psychometrische Verfahren, Informations- und Telekommunikations-technologie mit Spielen oder Spielelementen. In diesem Vortrag wird ein Überblick über Formen von Ga-me-Based-Assessment, Praxisbeispiele und die bisherigen Ergebnisse empirischer Forschung gegeben. Insbesondere werden Erfolgsfaktoren für die Beschaffung und den Einsatz von Game-Based-Assessments aufgezeigt. Hierbei wird auch auch die Perspektive der Bewerber*innen berücksichtigt.

Das Assessment der Zukunft

Referent: Dr. Silvan Winkler, Jörg Lienert AG
Abstract: Dem Berufsfeld der Management-Diagnostik wurde schon mehrfach grundlegende Veränderungen prophezeit, sei es durch innovative technologische Mittel oder durch grundsätzlich veränderte Rahmenbedingungen im Arbeitsmarkt. Bis heute scheint davon allerdings wenig im Berufsalltag der praktizierenden Diagnostiker:innen Niederschlag gefunden zu haben. Doch was, wenn der (technologische) Wandel sich nicht linear, sondern exponentiell verschnellert? Welchen Einfluss könnten disruptive Technologien haben? Und welche Mega-Trends sind für das Feld der Diagnostik besonders relevant? Im Kontext möglicher uto- und dystopischer Szenarien für die Welt im Jahr 2030, diskutieren wir im Rahmen dieses Referats die möglichen Implikationen für das Berufsfeld der Diagnostik: Braucht es Diagnostiker:innen überhaupt noch? Braucht es dieselben Kompetenzen wie heute? Haben unsere wichtigsten Kolleg:innen zu dem Zeitpunkt bereits die Gestalt von Robotern?

Handout «Das Assessment der Zukunft»