Klimabewusst, aber trotzdem im Flugmodus: Barrieren beim Flugverzicht im Kontext der Stadt Zürich – eine umweltpsychologische Einschätzung
Beschreibung
Die Stadt Zürcher Stimmbevölkerung hat 2022 dem Erreichen des Klimaziels Netto-Null 2040 und damit einer Reduktion der Treibhausgasemissionen inner- und ausserhalb des Stadtgebietes bis 2040 zugestimmt. Aktuell verzeichnet die Stadt Zürich jährlich 15 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Einwohner:in und Jahr, wovon ein grosser Teil durch Flug- und Autoverkehr entsteht. Statistiken des Bundesamtes zeigen zwar ein anhaltender Trend der Schweizer Bevölkerung, für gut erreichbare Destinationen wie Berlin oder Paris häufiger auf den Flug zu verzichten, gleichzeitig stieg aber auch der Flugreiseverkehr in den letzten Jahren wieder deutlich an.
Der vorliegende Forschungsbericht geht der Frage nach, warum die Stadt Zürcher Bevölkerung die Erreichung des Klimaziels Netto-Null 2040 zwar politisch unterstützt, aber in Bezug auf das Flugverhalten keine merkbaren Verhaltensänderungen zeigt. Dabei ist die Diskrepanz, die sich zwischen einer «grünen» Einstellung und «nicht-grünen» Verhaltensweisen zeigt, keineswegs unbekannt. In der Psychologie wird dieses Phänomen als Einstellungs-Verhaltenslücke bezeichnet. In Bezug auf das Flugverhalten kann diese Lücke unter anderem durch das Entstehen und Auflösen von kognitiven Dissonanzen erklärt werden. Dabei handelt es sich um innere Spannungszustände, aufgrund konfligierender Überzeugungen und Einstellungen, die wieder ausgeglichen werden müssen. Dieser Ausgleich kann durch Überzeugungen erfolgen, die das eigene Flugverhalten rechtfertigen. Überzeugungen wie «das Flugzeug fliegt ja sowieso» ermöglichen, sich als konsistentes Selbst wahrzunehmen, obwohl das Verhalten im Widerspruch zu den eigenen Einstellungen steht. Solche psychologischen Mechanismen bilden Barrieren, welche erklären können, warum Menschen nicht ins Handeln kommen.
Neben psychologischen Barrieren existieren auch so genannte strukturelle Barrieren, die beeinflussende Faktoren wie Infrastruktur, Angebot oder Verfügbarkeiten beinhalten. Aus der Analyse wissenschaftlicher Studien und Literatur und von Aussagen seitens Bürger:innen zum Thema Fliegen in Schweizer Medien, zeigt sich, dass einige strukturelle und psychologische Barrieren besonders häufig genannt werden.
Bei den psychologischen Barrieren besteht eine grosse Hoffnung in zukünftige innovative Technologien (Technikglaube), die das Fliegen umweltfreundlicher und Verhaltensänderungen überflüssig machen würden. Zudem herrschen Meinungen darüber, dass die Lösung nicht in der individuellen Verhaltensänderung liegt, sondern Firmen, die Politik oder andere Nationen in der Verantwortung stehen und über einen grösseren Einfluss verfügen (Wahrgenommene Ungerechtigkeit).
Soziale Normen und Netzwerke üben im privaten als auch beruflichen Kontext starken Einfluss auf das Flugverhalten aus und führen dazu, dass dieses teilweise nicht mehr hinterfragt und als Gewohnheit verankert wird. Darüber hinaus haben viele Menschen das Gefühl, bereits genug gegen den Klimawandel zu tun, obwohl diese unter Umständen wenig bis keinen Einfluss gegen den Klimawandel zeigen (Symbolische Handlungen). Bei den strukturellen Barrieren werden für Flugreisen oft der günstigere Preis, die kürzere Reisedauer, Bequemlichkeit, höhere Verfügbarkeit und bessere Zuverlässigkeit genannt.
Basierend auf den Ergebnissen der Literaturrecherche werden Ideen für zukünftige Interventionen formuliert. Beispielsweise könnten über Firmen oder gut vernetzte Privatpersonen neue soziale Normen etabliert werden, welche diese Barriere abbauen. Die Barrieren und Ideen für die Massnahmen sollten jedoch für den Zürcher Kontext empirisch überprüft werden. In Anlehnung an das Behavioral Change Framework ‘EAST’ wird daher ein Vorgehen für die weitere Bearbeitung der Thematik skizziert, welche eine empirische Erhebung existierender Barrieren in der Zürcher Bevölkerung vorsieht. Darauf aufbauend können passende Massnahmen ausgearbeitet, evaluiert und skaliert werden; mit dem Ziel die Zürcher Bevölkerung auf ihrem Weg zu Netto-Null zu unterstützen.
Eckdaten
Projektleitung
Stellv. Projektleitung
Projektteam
Projektstatus
abgeschlossen, 03/2025 - 04/2025
Institut/Zentrum
Psychologisches Institut (PI)
Drittmittelgeber
Öffentliche Hand (ohne Bund)