Konzeptentwicklung "Bewegungsberatung im Quartier"
Das interdisziplinäre Projektteam entwickelt mit einer Begleitgruppe in einem partizipativen Ansatz ein Konzept für die individuelle Unterstützung und Beratung von älteren Personen für mehr Alltagsaktivität.
Ergebnis
Das Beratungsangebot im Detail:
Zielgruppe: Das Beratungsangebot richtet sich an Seniorinnen und Senioren, die mehr Bewegung in ihren Alltag bringen möchten. Exemplarisch wurden drei verschiedene Personas beschrieben.
Zugang/Erstkontakt: Interessierte Senior:innen können durch verschiedene Gesundheitsfachpersonen (z.B. Hausärzteschaft, Physio- und Ergotherapeut:innen, Pflegefachpersonen und Fachpersonen der Spitex, Apotheker:innen, Masseur:innen, Podolog:innen) hinsichtlich ihres bisherigen Bewegungsverhalten und Bedürfnis nach mehr Bewegung befragt und auf Wunsch hin an das Beratungsangebot vermittelt werden. Das Beratungsangebot soll jedoch auch aktiv beworben werden.
Bewegungslotsen: Die Gesundheitsfachpersonen können als Bewegungslotsen fungieren, indem sie die aktuellen Bewegungsgewohnheiten von Senior:innen erfassen, Hilfestellung für die Einbettung von mehr Aktivität im Alltag bieten, Informationen zu lokalen Anbietenden von Bewegungsangeboten bieten und/oder Senior:innen an den/die Expert:in für Bewegungsberatung weiterleiten.
Bewegungsberatung: Die Beratung wird durch eine Expert:in für Bewegungsberatung angeboten. Berufsgruppen, die in dieser Rolle tätig sein können, sind Fachpersonen aus den Bereichen Gesundheit-, Sport- und Bewegung, mit spezifischer Aus- oder Weiterbildung.
Das neue Beratungsangebot soll den Bedürfnissen der drei Personas gerecht werden, d.h. zugeschnitten auf den/die Senior:in soll es über Bewegungsangebote informieren oder Senior:innen in der Aufnahme eines neuen Bewegungsverhaltens längerfristig begleiten. Der/die Expert:in für Bewegung fragt nach dem bisherigen Bewegungsverhalten und den Bedürfnissen der Senior:innen, hilft dabei, gemeinsame Ziele zu setzen, bietet Beratung und Unterstützung an, vermittelt passende Angebote, begleitet die Senior:innen auf ihrem Weg und bewertet den Fortschritt. Ausserdem bezieht sie auf Wunsch hin Gleichgesinnte (Peers) mit ein. Im Falle von Sprachbarrieren zieht sie Unterstützung durch eine:n Dolmetscher:in hinzu.
Der/die Expert:in für Bewegung hat folgende Kompetenzen:
- Bewegungsverhalten einschätzen: Die Person kann feststellen, wie viel und welche Art von Bewegung eine Senior:in hat.
- Techniken zur Verhaltensänderung anwenden: Die Person weiss, wie man Senior:innen hilft, Gewohnheiten zu ändern, z. B. mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren.
- Kommunikation und (motivierende) Gesprächsführung: Die Person kann gut zuhören und Gespräche führen, um Senior:innen zu motivieren, ihre Ziele zu erreichen.
- Trainingsgestaltung (falls nötig): Die Person kann ein passendes Trainingsprogramm für die Senior:innen erstellen, wenn das erforderlich ist. Dabei bezieht sie gesundheitsbedingte Einschränkungen (z.B. Schmerz) mit ein.
- Einbindung von Gleichgesinnten: Die Person kann, wenn es hilfreich ist und gewünscht, gleichgesinnte Senior:innen (Peers) in den Prozess mit einbeziehen.
- Kenntnis von Bewegungsangeboten: Die Person kennt verschiedene Bewegungsangebote und kann einschätzen, welche am besten zu den Bedürfnissen eine:r Senior:in passen.
- Koordination von Beratungsnetzwerken: Die Person kann auch dafür sorgen, dass das lokale Netzwerk von Fachpersonen als Bewegungslotsen ausreichend Informationen zur Verfügung haben (z.B. indem sie eine Liste von Bewegungsangeboten fortlau-fend aktualisiert und zur Verfügung stellt).
Arbeitsbereich: Expert:innen für Bewegungsberatung können bei der Gemeinde, der Stadt oder beim Kanton angestellt oder in einem Setting der ambulanten Versorgung tätig sein, bspw.: Physiotherapie-, Arzt- oder Ergotherapie-Praxis, Gesundheitszentrum (wie z.B. dem Thetriz der ZHAW), Akutspital oder Rehabilitationsklinik. Bewegungslotsen nehmen ihre Funktion im Rahmen ihrer Tätigkeit in der ambulanten oder stationären Versorgung wahr. Wichtig sind kurze Wege im oder in der Nähe des Quartiers: lieber mehrere Stellen in einer Stadt als ein einzelnes zentral lokalisiertes Angebot.
Peers- Einbezug unterstützender Gleichgesinnter: Sogenannte «Peers» können in die Beratung und Begleitung einbezogen werden, wenn dies von dem/der Senior:in gewünscht ist. Senior:innen, die als Peers im Rahmen von Bewegungsberatungen mitarbeiten möchten, werden von dem:r Expert:in für Bewegungsberatung in motivierender Gesprächsführung, Coaching-Grundlagen und Verhalten in möglichen Notsituationen geschult. Peers können ehrenamtlich tätig werden. Darüber hinaus sollen folgende Vergütungsmöglichkeiten geprüft werden: Anbindung an eine Zeitbank oder eine finanzielle Vergütung z.B. durch das Sponsoring einer Stiftung.
Aufrechterhaltung der Bewegung: Bei Bedarf findet in der Umsetzungsphase ein weiterer Beratungstermin statt, mit dem Ziel Strategien zu finden, wie die Bewegung selbstständig aufrecht gehalten werden kann. Auch ist denkbar, dass bei einer Veränderung, die in der Aufrechterhaltungsphase eintritt, z.B. des Gesundheitszustands, ein erneuter Beratungstermin in Anspruch genommen wird, um auf die geänderte Ausgangslage einzugehen.
Finanzierungsmöglichkeiten (ggf. auch in Kombination):
- Anstellung des/der Expert:in für Bewegungsberatung durch die Gemeinde, die Stadt oder den Kanton
- Obligatorische Krankenversicherung (wenn die Beratung im Rahmen einer Physiothera-pie- oder Ergotherapie-Verordnung erfolgt)
- Zusatzversicherung: entsprechende Modelle müssten mit Versicherungen entwickelt werden
- (Teil-)Selbstzahlung durch den/die Senior:in
Ausblick: Das Angebot soll in einem Quartier pilotiert und bei Erfolg ausgeweitet werden. Für den Pilotversuch sucht das Kernprojektteam eine Finanzierung durch Dritte (z.B. eine Stiftung).
Beschreibung
Hintergrund
Bewegung ist gesund: Für ältere Personen (ab 65 Jahren) empfiehlt das Netzwerk Gesundheit und Bewegung Schweiz (hepa) pro Woche:
- mindestens 2.5 bis 5 Stunden ausdauernde Bewegung mit mittlerer Intensität (z.B. zügiges Gehen, Velofahren, Garten- und Hausarbeit) oder 1.25 bis 2.5 Stunden ausdauernde Bewegung mit hoher Intensität (z.B. Schwimmern, Skilanglaufen, Herzkreislauf-Training) und
- mindestens zweimal pro Woche eine muskelkräftigende Bewegung mit mittlerer oder hoher Intensität, die alle Hauptmuskelgruppen einbezieht (z.B. Kniebeugen, Übungen mit elastischen Bändern).
Viele Seniorinnen und Senioren bewegen sich ausreichend. Gemäss der Gesundheitsbefragung Schweiz sind jedoch mindestens 20% der älteren erwachsenen Personen zu wenig aktiv, und dieser Anteil steigt mit zunehmendem Alter stark an. Chronische Krankheiten können es Seniorinnen und Senioren erschweren, ausreichend körperlich aktiv zu sein. In der Stadt Winterthur gibt es zwar viele Bewegungsangebote für Seniorinnen und Senioren. Für viele ist es aber nicht einfach, ein passendes Angebot zu finden.
Projektziel
Das Projekt «Matchmaker» will dieses Problem angehen: Es soll ein Angebot entwickelt werden, mit welchem ältere Personen beraten und unterstützt werden darin, eine passende Bewegungsform zu finden, die ihnen auch Freude bereitet. Gemeinsam mit einer Begleitgruppe von Seniorinnen und Senioren, Gesundheitsfachpersonen und Angehörigen von weiteren Berufsgruppen, die in engem Kontakt mit älteren Personen sind, wird ein Konzept für das Angebot entwickelt.
Eckdaten
Projektleitung
Projektteam
Dr. Marina Bruderer-Hofstetter (Berner Fachhochschule BFH), Prof. Dr. Brigitte Gantschnig, Lea Hegglin, Claudia Putscher, Dr. Anne-Kathrin Rausch, Leah Reicherzer, Prof. Dr. Maria Schubert
Projektpartner
Berner Fachhochschule BFH
Projektstatus
abgeschlossen, 01/2024 - 12/2024
Institut/Zentrum
Institut für Physiotherapie (IPT); Departement Gesundheit; Institut für Ergotherapie (IER); Institut für Pflege (IPF)
Drittmittelgeber
Interne Förderung