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ZHAW International Business Insight: Zollschock aus Washington

39 Prozent Strafzoll auf Schweizer Waren – US-Präsident Donald Trump hat die Beziehungen zum wichtigsten Absatzmarkt der Eidgenossenschaft ausserhalb Europas abrupt verschärft. Unsere Wissenschaftskommunikationsreihe ZHAW International Business Insight setzt den Entscheid in Relation zur Swiss Managers Survey 2025: In der von der ZHAW durchgeführten Befragung hatte die Schweizer Unternehmenswelt den Sturm bereits kommen sehen.

Als Donald Trump Anfang August den Import von Schweizer Produkten mit 39 Prozent Zoll belegte, traf dies die Schweiz ins Herz ihres exportgetriebenen Geschäftsmodells. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter bemühte sich um Zuversicht – «Unsere Wirtschaft hat schon viele Stürme durchstanden» –, doch Wirtschaftsverbände warnten vor einem massiven Einbruch: Für die Tech-Industrie sei das US-Geschäft faktisch tot, Zehntausende Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.

Dabei war die Grundstimmung bereits vor dem Zollentscheid gedrückt. Die Swiss Managers Survey (SMS) 2025, im Mai durchgeführt vom ZHAW Center for Geopolitics and Competitiveness und im Juli unter dem Titel “TARIFFying” veröffentlicht, zeichnet das Bild einer Wirtschaft, die sich zunehmend in einer Welt zurechtfinden muss, in der Handel nicht nur vom Markt, sondern von Machtpolitik bestimmt wird.

USA verlieren rasant an Ansehen

Fast 64 Prozent der befragten Manager:innen beurteilen die USA heute negativer als noch vor zwei Jahren, ein Viertel sprach sogar von einem «dramatischen» Vertrauensverlust. Umgekehrt verzeichneten die EU und Südostasien einen deutlichen Imagegewinn: 40 Prozent bewerten die EU inzwischen positiver, 38 Prozent Südostasien. China bleibt umstritten – positive und negative Einschätzungen halten sich die Waage.

Die Daten belegen, dass diese Stimmungsveränderung bereits vor dem Zollschock einsetzte. Laut der ZHAW-Studie haben Einstellungen von Führungskräften messbaren Einfluss auf Investitions- und Handelsentscheidungen.

Direkte Abhängigkeit begrenzt – indirekte Effekte gross

Zwar gaben fast 60 Prozent der Unternehmen an, gar nicht in die USA zu exportieren, und nur wenige erzielen mehr als die Hälfte ihres Auslandsgeschäfts dort. Dennoch meldeten 70 Prozent der Befragten, dass US-Zölle, deren Androhung und geopolitische Spannungen insgesamt negative Folgen für die Schweizer Wirtschaft hätten.

Von den in die USA exportierenden Firmen berichteten 20 Prozent bereits im Frühjahr von sinkenden Verkäufen. Nur eine Handvoll konnte steigende Umsätze verbuchen. Die Folge: 23 Prozent sondierten aktiv neue Exportmärkte ausserhalb der USA – ein Trend, der sich mit den jüngsten Massnahmen wohl verstärken wird.

Entkopplung auch im digitalen Bereich

Überraschend deutlich ist die Entwicklung im Bereich digitaler Dienstleistungen: Jedes vierte Unternehmen denkt darüber nach, seine Abhängigkeit von US-Software und Cloud-Diensten zu reduzieren. Damit erreicht der Handelskonflikt auch die Dienstleistungsindustrie – und damit einen Bereich, in dem die USA im Austausch mit der Schweiz einen deutlichen Exportüberschuss erzielen.

Geschäftsklimaindex im Sinkflug

Der SMS-Geschäftsklimaindex fiel von 78.9 Punkten im Jahr 2022 auf 56.3 im Jahr 2025 – ein markanter Rückgang, der vor allem durch pessimistischere Erwartungen getrieben ist. 80 Prozent der Unternehmen bezeichnen ihre aktuelle Lage als mindestens «befriedigend», der Anteil mit «sehr gut» oder «gut» fällt jedoch deutlich geringer aus als in den Vorjahren.

Dabei sind Industrieunternehmen skeptischer als Dienstleister: Fast jedes fünfte rechnet mit einer Verschlechterung in den nächsten sechs Monaten. Auch im Dienstleistungssektor erwarten 1 von 7 Unternehmen eine Eintrübung.

Wettbewerbsfähigkeit mit Schwächen bei den Kosten

In puncto Wettbewerbsfähigkeit sehen Schweizer Führungskräfte ihre Unternehmen vor allem bei Qualität, Innovation und Talent weiterhin klar vorn: 70 Prozent attestieren ihren Produkten eine höhere Qualität als der internationalen Konkurrenz. 60 Prozent sehen Pünktlichkeit und Liefertreue als klaren Vorteil.

Schwachpunkt bleiben die Kosten: Mehr als die Hälfte der Befragten hält ihre Firmen preislich für weniger konkurrenzfähig. Der Zugang zu Finanzierung entwickelt sich zunehmend zu einem Problem – deutlich mehr Unternehmen als in den Vorjahren stufen ihn heute als kritisch ein.

Mehrheit gegen Gegenzölle

Schon vor Bekanntgabe der harten US-Massnahme lehnten 53 Prozent der befragten Manager:innen Schweizer Gegenzölle ab, 22 Prozent sogar «stark». Nur 29 Prozent würden einen solchen Schritt befürworten. Die Gründe reichen von der Furcht vor einer Eskalation über mögliche WTO-Konflikte bis hin zur Einschätzung, dass Gegenzölle die Exportwirtschaft insgesamt mehr schädigen als nützen.

Ein Blick nach vorn

Die Swiss Managers Survey 2025 macht deutlich: Die Entkopplung vom US-Markt hatte in den Köpfen vieler Führungskräfte schon vor Trumps Zollentscheid begonnen. Der Schock aus Washington dürfte diesen Prozess beschleunigen – und zu einer beschleunigten Diversifizierung führen, sowohl geografisch als auch technologisch. Profiteure könnten die EU und aufstrebende Regionen wie Südostasien sein.

Gleichzeitig zeigt sich, dass Schweizer Unternehmen trotz schwieriger Aussichten strategisch handlungsfähig bleiben – und die «Stürme» der Weltpolitik nutzen, um ihre Position auf einem sich verändernden Weltmarkt neu zu justieren.